1. KI-Brillen statt VR-Headsets: Meta Quest wird vom Flaggschiff zur Randfigur

Wer auf eine Meta Quest 4 im Jahr 2026 gehofft hatte, darf den Kalender gleich nochmal aufklappen und weiterblättern. Berichten zufolge soll frühestens 2027, eher noch später, eine neue Quest erscheinen – falls sie überhaupt noch kommt. Denn was als direkte Nachfolgerin der Quest 3 geplant war, scheint in Metas Prioritätenliste nach hinten gerutscht zu sein.

Josef Erl

Josef Erl ist freier Online-Journalist mit Schwerpunkt auf Virtual Reality, Augmented Reality, XR-Technologien und Gaming. Seit Juni 2025 schreibt er regelmäßig für heise online über die neuesten Entwicklungen in immersiven Technologien.

Die „Quest“-Marke ist nicht mehr Metas Hardware-Flaggschiff. Statt auf die vierte Gerätegeneration richtet der Konzern den Blick auf neue Produktkategorien: Schlankere Mixed-Reality-Brillen, ultraleichte Smart Glasses oder die AR-Zukunftsvision „Orion“. Und das hat gute Gründe.

Quest 4 verliert an Priorität

Der Strategiewechsel kommt nicht überraschend. Die Quest 3 und Quest 3S dürften sich zwar ordentlich verkaufen, haben aber kein neues Marktfeuer entfacht. Und technische Sprünge, die eine echte nächste Generation rechtfertigen würden, fehlen derzeit schlicht. Der neue Snapdragon XR3-Chip könnte zwar 2026 marktreif sein, OLED-Displays mit hoher Pixeldichte und wichtige neue Features wie Eye-Tracking sind aber weiterhin teuer und schwer in einem kompakten Formfaktor unterzubringen. Der bisher verhältnismäßig günstige Quest-Preis wäre kaum zu halten.

Statt also wieder ein subventioniertes Gerät auf den Markt zu bringen, das Verluste einfährt, zieht Meta vorerst die Reißleine. Die Folge: Die Produktlinie Meta Quest wird vom Flaggschiff zur Randfigur. Was Meta früher als Prestigeprojekt inszenierte, ist nun Teil eines größeren Ökosystems, das sich stärker auf Alltagstauglichkeit und Fashionkompatibilität konzentriert – etwa über Kooperationen mit Ray-Ban, Oakley und Prada oder der angeblich kurz vor Release stehenden Display-Smartbrille „Hypernova“.

Die wohl in Entwicklung befindliche Premium-VR-Brille mit dem Codenamen „Loma“, die nächstes Jahr statt der Quest 4 kommen soll, zeigt diese Verschiebung exemplarisch: Der Formfaktor geht in Richtung Sonnenbrille, mit ausgelagerter Recheneinheit im Hosentaschenformat, ohne Controller, dafür mit Blicksteuerung. Das Ziel: virtuelle Monitore beim Pendeln, holografische Konferenzen im Homeoffice – kein immersives Gaming.

Wird aus „Quest“ bald „Horizon“?

Für VR-Enthusiasten ist das ein klarer Bruch. „Loma“ dürfte mit ihrem schmalen Sichtfeld, der eingeschränkten Sensorik und dem unklaren Softwareangebot kaum als vollwertiger Ersatz für eine Quest 4 durchgehen. Auch wenn Horizon OS darauf laufen soll: Als kompakte Mixed-Reality-Brille ist sie ein anderes Gerät für andere Zwecke.

Dass Meta die Quest-Reihe nicht offiziell beerdigt, dürfte vor allem an der Reststrahlkraft der Marke hängen. Doch auch die geht irgendwann zur Neige. Denn was heute noch „Quest“ heißt, könnte morgen schon von „Horizon“ ersetzt werden. Das Rebranding ist bereits in vollem Gange. Der Quest Store wurde in Horizon Store umbenannt, das Abo-Modell Meta Quest+ kennt man inzwischen unter Horizon+. Der Konzern scheint sich von der Marke „Quest“ zu lösen, ohne sie abrupt abzuschneiden – eine bekannte Meta-Taktik, siehe Oculus.

Meta überlässt das VR-Feld (vorerst) anderen

Ein Neustart der Quest-Linie könnte also irgendwann unter einem anderen Namen erfolgen. Ein logischer Schritt wäre „Meta Horizon“. Bis dahin überlässt Meta die VR-Hardwareentwicklung allerdings zunehmend Drittherstellern. Asus etwa arbeitet unter dem vermeintlichen Codenamen „Tarius“ an einem eigenen Headset mit Metas XR-Betriebssystem Horizon OS.

Das Gerät soll unter dem High-End-Label ROG erscheinen, mit Fokus auf Gaming, Eye-Tracking und möglicherweise Micro-OLED-Displays. Die Anzeichen mehren sich, dass Asus die Rolle übernehmen könnte, auf die Meta selbst keinen Wert mehr legt: High-End-VR für Enthusiasten – allerdings zu einem höheren Preis. Denn anders als Meta kann Asus seine Hardware nicht über Store-Einnahmen querfinanzieren.

Meta wandelt sich also vom VR-Hardwareanbieter zum Plattformbetreiber. Horizon OS wird an Partner wie Lenovo und Asus lizenziert, die wiederum eigene Geräte mit Meta-Ökosystem auf den Markt bringen. Für Meta selbst bedeutet das geringere Produktionskosten, weniger Risiko und trotzdem Einnahmen über Software und Inhalte. Der VR-Markt wird von anderen warmgehalten, bis es sich für Meta wieder lohnt, ihn selbst anzuheizen. So zumindest die Theorie. Ob die angekündigten Horizon-Headsets von Drittherstellern jemals erscheinen, wird die Zeit zeigen.

Das Ziel ist der Mainstream

Die VR-Community bleibt dabei in der Warteschleife. Ja, es gibt weiterhin neue Geräte, neue Funktionen, neue Formfaktoren. Aber eine klare (Quest-)Linie könnte künftig fehlen. Statt eines konsistenten, aber nischigen Quest-Ökosystems entsteht ein diversifizierter Pool aus Geräten mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Namen und Zielgruppen. Auch hier steht hinter dem Gelingen ein großes Fragezeichen. Wie Smart Glasses, KI-Brillen und AR-Brillen auf Dauer beim Publikum ankommen, steht in den Sternen. Ein möglicher Grund, warum Apple es mit Konkurrenzprodukten nicht eilig zu haben scheint.

Meta stellt sich jedenfalls längst nicht mehr die Frage, mit welchen Features die nächste VR-Brille endlich den Mainstream erreicht, sondern mit welchem Gerät sie künftig Bildschirme, Smartphones oder Smartwatches ersetzen können. Quest war eine Antwort auf eine andere Frage, doch Meta scheint daran nicht länger interessiert. Die Alltagstauglichkeit ist das Ziel, und daran werden VR-Brillen, wie wir sie kennen, immer scheitern.

(joe)

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