Ein lauer Sommerabend, 22 Grad, golden liegt die Dämmerung über der Waldbühne – Neil Young (79) eröffnet das erste Deutschlandkonzert seiner Love Earth Tour: das zerschlissene Hemd weit offen, ein T-Shirt darunter, ausgewaschene Jeans, die Cap tief im Gesicht. Der Rockstar sieht aus wie ein Mechaniker aus Idaho!

Auch interessant

Anzeige

Auch interessant

Anzeige

Mit „Ambulance Blues“ beginnt zurückhaltend ein mitreißender Abend, der sich bald in eine Wall of Sound aus Feedback, krasser Verzerrung und purer Gitarrenenergie verwandeln wird. Gleich im zweiten Song wird es mit „Hey Hey, My My“ rockig – die Chrome Hearts kommen. Sie sind vielleicht die beste Begleitband, die Young seit Crazy Horse zusammengestellt hat. Ihr Sound ist leicht und stürmisch und schwerfällig und schmutzig zugleich.

Eine Friedenstaube schwebt über den Musikern – ein poetisches Bild für den Geist des Konzerts.

Neil Youngs Stimme klingt jung. Bei „Old Man“ trifft er mal den Ton im Refrain nicht ganz, aber egal! Dafür leuchten die Handys im Publikum wie Glühwürmchen. Marihuanageruch liegt in der Luft. Die alten Hippies schwelgen, alle anderen sind auch bedröhnt.

Politik, aber ohne Predigt: Folk-Rock-Legende Neil Young (Archivbild)

Politik, aber ohne Predigt: Folk-Rock-Legende Neil Young (Archivbild)

Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa

Klassiker folgen: „Cinnamon Girl“ und „Southern Man“, beide mit genussvoll ausgespieltem Lärm. Gitarrist Micah Nelson erzeugt Rückkopplungen, indem er seine Gitarre in die Luft wirft – unglaublich mitreißend. Youngs lange Gitarrensoli haben eine leidenschaftliche, fast ätzende Qualität.

Auch wenn der Sound manchmal nicht ganz sauber ist, stört das niemanden. Da sind 22.000 Leute, die mitsingen. Young, der die meiste Zeit des Abends auf der Bühne undurchschaubar bleibt, genießt es sichtlich.

Danach wird’s mucksmäuschenstill. Bei „The Needle and the Damage Done“ kniet Young allein auf der Bühne, spielt Gitarre. Es folgt „Harvest Moon“ – zart, zerbrechlich. Das Publikum singt andächtig mit. Man merkt: Die meisten hören ihn nicht zum ersten Mal. Der alte, junge Mann schüttelt einen seiner ehrwürdigen Songs nach dem anderen aus dem Ärmel. Die allgemeine Freude ist riesig.

Lesen Sie auch

Zuletzt: „Like a Hurricane“ und „Rockin‘ in the Free World“. Die Chrome Hearts packen Lärm auf Lärm, alles vibriert. Die Musiker stehen eng beieinander, treiben sich gegenseitig an – wie in einer Garage, nicht auf einer Festivalbühne. Micah Nelsons Gitarre fliegt. Am Ende zerlegt er sie fast – zerrt an den Saiten, bis sie reißen.

Neil Young spricht während des Konzerts wenig – wer seiner Musik zuhört, merkt aber: Die politischen Botschaften schwingen immer mit. Seit Jahrzehnten setzt er sich ein: für die Umwelt, für die Rechte der Indigenen, gegen Öl-Pipelines, gegen Trump.

Die Bühne verlässt er mit der Botschaft: „In the name of love. Ich rufe in die Welt zu jedem Mädchen und jedem Jungen: Macht es im Namen der Liebe!“