AUDIO: Nicht alle in Feierlaune: NOK feiert sein 130-jähriges Bestehen (1 Min)
Stand: 04.07.2025 17:03 Uhr
Der Nord-Ostsee-Kanal galt als Wunderwerk der Technik, doch inzwischen sorgt der Zustand des NOK bei Reedern, Lotsen und Unternehmen für Kritik. Das Jubiläum wird in Brunsbüttel dennoch gefeiert.
Statt einer Kernsanierung wird am Nord-Ostsee-Kanal (NOK) nur notdürftig geflickt – das sagen Reeder, Lotsen und Unternehmer. Sie kämpfen daher beim Bund um eine bessere finanzielle Ausstattung. Die Technik sei seit Jahren marode.
Claus Ruhe Madsen: Attraktivität des NOK muss gestärkt werden
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) spricht von einem alarmierenden Rückgang der Schiffspassagen im vergangenen Jahr. 2024 waren auf der Wasserstraße 24.866 Schiffe zwischen Kiel und Brusnbüttel (Kreis Dithmarschen) unterwegs – das ist ein Minus von 6,73 Prozent im Vergleich zu 2023. Die Ladungsmenge ging um 2,1 Prozent auf knapp 75,6 Millionen Tonnen zurück.
Was der NOK für Klimaschutz und Verkehrswende bedeutet
Die für den Klimaschutz und die Verkehrswende bedeutsame Modernisierung des Kanals müsse vorankommen, so Madsen weiter. Nur so bleibe der Kanal eine wirtschaftlich attraktive Alternative zur deutlich längeren Route um Skagen.
Wasserstraßen- und Schiffahrtsamt: NOK wird weiter gebraucht
Zwar sind weniger Schiffe auf dem NOK unterwegs, dafür werden sie immer größer. Die sogenannte Bruttoraumzahl, die rechnerische Gesamtgröße eines Schiffes, stieg von 5.476 auf 5.688. Nach Einschätzung vom Amtsleiter des zuständigen Wasserstraßen- und Schiffahrtsamts (WSA), Joachim Abratis, werde der Kanal auch langfristig gebraucht. Er verweist auf eine aktuelle Verkehrsprognose für 2040, die stabile bis steigende Nutzungszahlen voraussagt.
Wenn Container- und Kreuzfahrtschiffe durch Schleswig-Holstein gleiten, bieten sich spektakuläre Perspektiven.
1 Milliarde Euro für Modernisierung – Instandhaltung bleibt eine Daueraufgabe
Das WSA Nord-Ostsee-Kanal sieht die Modernisierung auf einem gutem Weg und verweist auf eine Milliarde Euro, die bereits verbaut wurden. Weitere zwei Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren noch investiert werden, so Abrantis. Die Instandhaltung bleibe eine Daueraufgabe. Die größten Bauprojekte derzeit am NOK:
- Ein großer Teil mit 1,2 Milliarden Euro fließt in den Neubau der 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel – Ende 2026 will sie das WSA in Betrieb nehmen. Das schaffe Kapazitäten, um die große Schleuse instand zu setzen.
- Zudem liefen bereits die Vorbereitungen für den Neubau der beiden kleinen Schleusen in Kiel-Holtenau – sie werden etwas länger als die alten Schleusen. Erwartet würden dafür Kosten zwischen 600 und 650 Millionen Euro. Erst danach kann laut WSA die Sanierung oder der Neubau der großen Schleusenkammern beginnen.
- In der Engestelle des Kanals läuft der Ausbau der Oststrecke zwischen Rendsburg und Kiel. Dort müssen große Schiffe bei entgegenkommendem Verkehr in sogenannte Kanalweichen fahren. In diesem Jahr soll der erste von drei Abschnitten fertig werden – zwischen Großkönigsförde und Schinkel.
- Die Levensauer Hochbrücke bei Kiel soll 2027 durch einen Neubau ersetzt werden. Dazu werde es mehrtägige Sperrungen für die Schifffahrt geben. Für den Bahn- und Individualverkehr seien monatelange Sperrungen notwendig. Die Kosten von den ursprünglich geplanten 200 Millionen Euro würden laut WSA deutlich überschritten.
Berufsschifffahrt: NOK ist einer der Unfallschwerpunkte in Deutschland
Rund 27.000 Schiffe benutzen den NOK jährlich als Abkürzung – immer wieder kommt es auch zu Havarien. Insgesamt 100 Unfälle verzeichnete die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in ihrem Jahresbericht 2024. Der Kanal mit seinen Schleusen war damit bundesweit eines der gefahrenträchtigsten Gebiete für die Berufsschifffahrt im vergangenen Jahr.
Vor allem an der Schleuse in Brusnbüttel häufen sich die Unfälle – 26 Mal wurde die Schleuse dort von Schiffen angefahren. In Kiel-Holtenau zählte die BSU nur 11 Anfahrungen, also weniger als halb so viel wie im Westen des Kanals. Dies sei auf die deutlich schwierigere Ansteuerung der Schleuse Brunsbüttel zurückzuführen, so die BSU.
BSU: „Auf dem NOK ist nicht mehr genügend Raum“
Der „arg beschränkte Raum des engen Kanals“ sei der Hauptgrund für die vielen Unfällen, wie das BSU sagt. Neben dem Maschinen- und Ruderausfall sind sogenannte Kontaktausfälle einer der häufigsten Unfallursachen – was auf der Strecke des NOK zumeist die Böschungsberührung meint. Das BSU hält in seinem Bericht fest: „Auf dem NOK ist nicht mehr genügend Raum auf technische Fehler oder menschliches Fehlverhalten zu reagieren.“
Kanalfest zum Jubiläum
In Brunsbüttel soll der Zwist an diesem Wochenende nicht im Fokus stehen: Zum Kanalgeburtstag gibt es ab Freitagabend (4.7.) bis Sonntag (6.7.) ein großes Kanalfest – unter anderem mit Livemusik, Kinderunterhaltung und einem Schlepperballett.
Im Juni 1895 eröffnet Kaiser Wilhelm II. den Nord-Ostsee-Kanal in Kiel. Die Feierlichkeiten dauern vom 19. bis 21. Juni.
Nachdem das WSA im Vorjahr noch mehr als 3.300 Ausfallstunden zählte, waren es bislang lediglich 20 Stunden. Der Grund: neues Personal.
Nachdem ein Frachter 2022 die Holtenauer Hochbrücken rammte, wird die Durchfahrtshöhe an den Schleusen des NOK überprüft.