Stand: 05.07.2025 23:55 Uhr

Die Frauen-EM in der Schweiz ist um eine Überraschung reicher. Titelverteidiger England musste sich Frankreich geschlagen geben und steht nun schon unter Druck.

Frankreich hat das erste Duell der Top-Teams in der Gruppe D bei der Frauen-EM gegen England mit 2:1 (2:0) gewonnen. Marie-Antoinette Katoto erzielte nach rund einer halben Stunde die Führung (36. Minute), Sandy Baltimore legte nur kurz darauf nach (39.). Keira Walsh sorgte in der Schlussphase für den Anschluss (87.). Während Frankreich das Spiel bis kurz vor Schluss im Griff hatte, wäre England in der Nachspielzeit mit der zweiten Luft fast noch zum Ausgleich gekommen.

Besondere Brisanz hatte das Spiel, weil mit England, Frankreich und der Niederlande gleich drei Teams aus dem Kreis der Favoriten in einer Gruppe antreten. Weil es nur zwei Plätze fürs Viertelfinale gibt, wird eine Auswahl schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten müssen. Gute Chancen auf einen Platz und den besten acht Teams hat nach dem Spiel am Samstagabend in Zürich nun Frankreich.

In beiden Ländern hatte es rund um die Kadernominierung Diskussionen gegeben. Frankreichs Trainer Lorent Bonadei verzichtete auf einige arrivierte Kräfte, darunter Rekordspielerin Eugénie Le Sommer. Bei den „Lionesses“ traten Torfrau Mary Earps (FIFA-Welttorhüterin des Jahres 2022 und 2023) und Offensivspielerin Fran Kirby vor der EM zurück.

VAR kassiert englische Führung wieder ein

Vor den Augen von Englands Männer-Nationaltrainer Thomas Tuchel dauerte es nur 40 Sekunden bis zum ersten gefährlichen Abschluss Englands: Die etwas überraschend von Beginn an aufgebotene Lauren James wurde im Strafraum freigespielt, setzte ihren Schuss aber etwas zu hoch an. Es brauchte einige Minuten, bis auch die Französinnen im Spiel angekommen waren.

Im Anschluss verlief die Partie ausgeglichen, bis England den vermeintlichen Führungstreffer bejubelte. Doch im Vorfeld des Abstaubers von Alessia Russo hatte eine Angreiferin knapp im Abseits gestanden. Videoschiedsrichter Christian Dingert meldete sich Wort und annullierte den Treffer korrekterweise (16.).

Katoto und Baltimore sorgen für Doppelschlag

Auf der anderen Seite bot sich Sakina Karchaoui die große Chance zum 1:0. Doch nach starker Vorarbeit von Alice Sombath setzte die 29-Jährige ihren Lupfer knapp neben das Tor. Aber die Szene zeigte, dass Frankreich jetzt deutlich besser im Spiel war. In der 32. Minute kam Elisa de Almeida nach einem Abpraller zum Schuss, scheiterte aber an Hannah Hampton. Gezählt hätte der Treffer ohnehin nicht, es lag eine Abseitsstellung vor.

Vier Minuten später durften die Französinnen dann aber doch noch jubeln.
Marie-Antoinette Katoto drückte eine scharfe Hereingabe von Delphine Cascarino aus kurzer Distanz über die Linie. Und „Les Bleues“ legten nach: Maelle Lakrar verteidigte vehement gegen Russo, über Oriane Jean-Francois kam der Ball zu Sandy Baltimore, die sich mit etwas Glück gegen zwei Gegenspielerinnen durchsetzte und den Ball in den rechten Winkel jagte (39.). England war nun gefordert, fand aber bis zum Halbzeitpfiff kein Mittel gegen die stabile Defensive der Französinnen.

Frankreichs Sandy Baltimore (r.) trifft sehenswert zum 2:0 gegen England.

Hampton bewahrt England vor dem dritten Gegentor

Ohne Wechsel starteten beiden Teams in den zweiten Durchgang. England kam mit viel Tempo aus der Kabine, doch Frankreich hielt intensiv dagegen. Nach 54 Minuten spielte Beth Mead einen kapitalen Fehlpass und brachte Grace Geyoro in Position, die jedoch im Eins-gegen-Eins-Duell gegen Hampton den Kürzeren zog: Die Torhüterin wehrte den Rechtsschuss ab und rettete den aufs Tor zutrudelnden Ball noch vor der Linie.

Von England kam in dieser Phase in der Offensive nicht mehr viel. Trainerin Sarina Wiegman reagierte und versuchte, mit personellen Wechsel für neuen Schwung zu sorgen. Das half aber nur wenig, dem englischen Spiel fehlte es an Ordnung und Zielstrebigkeit. Stattdessen hätte Frankreich beinahe erhöht, nachdem Hampton an einer Flanke vorbei geflogen war.

Frankreich muss doch nochmal zittern

Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff deutete kaum etwas darauf hin, dass der Titelverteidiger das Spiel noch drehen oder zumindest noch einen Punkt mitnehmen könnte. „Les Bleues“ verwalteten den Vorsprung geschickt. Und das ohne große Aufwand, denn England war in der Offensive von der Rolle – bis zur 87. Minute. Dann traf Keira Walsh im Anschluss an einen Eckball zum Anschluss.

Englands Keira Walsh (2.v.l.) trifft gegen Frankreich. Doch der Anschluss kam zu spät.

Es war der Auftakt einer heißen Schlussphase, in der England noch einmal alles nach vorne warf. Michelle Agyemang vergab in der 90. Minute die große Chance zum 2:2. In der Nachspielzeit brannte es dann gleich zwei Mal lichterloh im französischen Strafraum. Doch Hemps Abschluss rettete Selma Bacha auf der Torlinie, Clintons Schuss rauschte über das Tor. Am Ende durfte Frankreich einen verdienten 2:1-Sieg feiern. Für Wiegmann war es im 13. EM-Spiel die erste Niederlage. Zuvor hatte sie die Niederlande 2017 und England 2022 mit jeweils der perfekten Bilanz von sechs Siegen aus sechs Spielen zum Titel geführt.

Nächstes Top-Team wartet auf England

Im ersten Spiel der Gruppe hatte sich die Niederlande vor den Augen der extra angereisten Königsfamilie sicher mit 3:0 gegen Wales durchgesetzt. England trifft am zweiten Spieltag der Gruppe D mit der Niederlande auf das nächste Top-Team und steht dabei schon mächtig unter Zugzwang. Nur mit einem Sieg hätte der Titelverteidiger das Weiterkommen noch in der eigenen Hand. Anpfiff am kommenden Dienstag im Züricher Letzigrund ist um 18 Uhr. Drei Stunden später spielt Frankreich in St. Gallen gegen Wales.