Vom „Schmuddelkind“ zu einer der zukunftsfähigsten Städte: Diese Entwicklung hat die Stadt Mainz zumindest laut der Wirtschafts- und Finanzzeitung „Handelsblatt“ genommen. Hintergrund ist der Prognos Zukunftsatlas 2025. Die Stadt gehört demnach zu den Top 10 der zukunftsfähigsten Regionen Deutschlands – und damit zu den Aufsteigern in dem Ranking, das alle drei Jahre erstellt wird und die Zukunftsfähigkeit von 400 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten untersucht.
Im Gesamt-Ranking liegt Mainz auf Platz 7, im Stärke-Ranking auf Rang 27 und im Dynamik-Ranking sogar auf dem ersten Platz. Vor drei Jahren lag die Stadt noch auf Platz 45 im Gesamtranking.
Das Handelsblatt widmet seine Titelstory zum Ranking folglich auch dem Aufstieg von Mainz. Als im Sommer 2013 Stellwerkchaos am Mainzer Hauptbahnhof herrschte und viele Fernzüge nicht wie geplant halten konnten, habe unter Nicht-Mainzern noch ein Kalauer kursiert: „Hätte die Bahn den Vorfall einfach verschwiegen, er wäre wahrscheinlich niemandem aufgefallen – denn wer will schon nach Mainz?“
Vom „gut gelaunten Schmuddelkind“ zur „LILA“-Lage
Im Ballungsraum Rhein-Main seien die Rollen über Jahrzehnte klar verteilt gewesen: „Frankfurt ist die Kultur- und Finanzmetropole, Wiesbaden das adrette Verwaltungszentrum, in Darmstadt sitzt die Tech-Branche. Und Mainz? Galt als gut gelauntes Schmuddelkind, wo es sich zwar trefflich feiern und studieren lässt, wo aber sonst eher wenig vorangeht.“
Dieses Image habe sich spätestens seit Sommer 2020 gedreht, als das Unternehmen Biontech den ersten Corona-Impfstoff entwickelte. „Die Biontech-Gewinne explodierten und in der Folge auch die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Mainz.“ Auch wenn diese Zeit nun vorbei ist und es für die Stadt wieder darum geht, das Haushaltsdefizit überschaubar zu halten (wir berichteten), zeigten sich die Folgen des Biontech-Booms noch im neuen „Zukunftsatlas“. Das Handelsblatt schreibt: „In Mainz stimmen nicht nur die Wirtschaftsdaten, dort lässt es sich auch gut leben.“
„Mainz wie eine Jugendliebe …“
Mainz gehöre laut Reiner Braun, Geschäftsführer des Immobilien-Marktforschungsinstituts Empirica, zu den deutschen „LILA-Lagen“: Lebensqualität, Infrastruktur, Landschaft und Arbeitsplätze. Handelsblatt-Reporter Markus Hinterberger, der in Main geboren und 2002 nach München gezogen ist, findet: „Mainz ist wie eine Jugendliebe, die man nach vielen Jahren wiedersieht und denkt: Donnerwetter, die ist ja noch toller als früher.“ Auch im Ranking von 72 Großstädten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) belegte Mainz im vergangenen Jahr Platz sieben, bei der Entwicklungsdynamik Platz eins.
Prognos-Geschäftsführer Christian Böllhoff sieht in dem Erfolg keinen Zufall: „Dass Biontech in Mainz sitzt, zeigt ja, dass die Stadt im Vorfeld einiges richtig gemacht hat.“ Mainz habe rund um eine forschungsstarke Universität die Ansiedlung von innovativen Unternehmen ermöglicht. Das sei am Ende ein Rezept in allen Erfolgsregionen: „Die Vernetzung zwischen Hochschulen und anderen Wissenschaftseinrichtungen, Start-ups sowie örtlichen Traditionsunternehmen ist zum wichtigsten Faktor für die Zukunftschancen einer Region geworden.“ Städte oder Regionen ohne Hochschule hätten einen strategischen Nachteil.
Haase: „Wir haben Vieles richtig gemacht“
Auch die Stadt selbst hat sich am Freitag in einer Pressemitteilung zu dem Prognos-Ranking geäußert. Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) sagte: „Mainz ist ein herausragender Medien- und Technologiestandort, weist eine Spitzenforschung auf und zieht immer mehr erfolgsversprechende Start-Ups an. Nicht zufällig richten sich die Blicke von jungen, top ausgebildeten Wissenschaftlern und anderen Arbeitskräften auch international verstärkt auf den Arbeitsmarkt Mainz. Darauf können wir stolz sein. Wir haben Vieles richtig gemacht – und beschreiten diesen Weg mit Überzeugung weiter.“ Mit dem Erfolg von Biontech sei nochmals ein neues Level erreicht worden – und viele Folgeprozesse mit Ansiedlungen seien daraus erwachsen.
Seither sei die Stadt Mainz weltweit auf dem Schirm von Wissenschaftlern und Firmen der Spitzentechnologie gerade im Biotech-Sektor. Haase: „Dieses Momentum nutzen wir, um diesen Trend zu forcieren und auszubauen. Daher war für mich bei Amtsübernahme klar, die Besetzung des Aufsichtsrates unseres Life-Science Zentrum Mainz (ehemals TZM) nicht mehr zu delegieren, sondern als OB persönlich wahrzunehmen. Dort schaffen wir mit dem Land auch räumlich eine Clusterplattform, die den Übergang von der Innovation in die wirtschaftliche Anwendung vor Ort in den nächsten Jahren noch stärker beschleunigen soll. “