Die jüngste Eskalation zwischen Aserbaidschan und Russland, ausgelöst durch eine tödliche Razzia in Jekaterinburg, hat nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen Baku und Moskau erschüttert, sondern auch den geopolitischen Wettbewerb im Kaukasus und im Schwarzmeerraum verschärft. Was jedoch in der Berichterstattung oftmals ausgelassen wird: Besonders die Ukraine spielt eine zunehmend wichtige Rolle im aserbaidschanisch-russischen Verhältnis.

Kiew ist seit Jahren ein handelspolitisch enger Verbündeter Aserbaidschans. Präsident Wolodymyr Selenskyj würdigte zudem die humanitäre Unterstützung Bakus für die Ukraine. Dabei betonte er insbesondere die aserbaidschanische Hilfe für die ukrainische Energieinfrastruktur, Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche sowie die Beteiligung an humanitären Programmen.

Welche Rolle spielen aserbaidschanische Ölfirmen?

Seit Beginn des Ukrainekrieges versucht die Führung in Baku einen außenpolitischen Balanceakt zwischen Russland und dem Westen. Offiziell neutral, lieferte das rohstoffreiche Land am Kaspischen Meer humanitäre Hilfe an die Ukraine und unterstützt auch Forderungen nach territorialer Integrität der Ukraine. Es ist kein Geheimnis, dass Kiew und Baku der Kampf gegen die russische Dominanz im postsowjetischen Raum eint.

Der guten ukrainisch-aserbaidschanischen Partnerschaft versetzte das russische Militär nun einen Schlag. So zeigen die gezielten Angriffe auf ukrainische Raffinerien, die mit aserbaidschanischem Öl arbeiten (wie etwa in Odessa und Krementschuk), dass dem Kreml die florierenden Wirtschaftsverbindungen zwischen Kiew und Baku ein Dorn im Auge sind.

Aus der Ukraine hört man, dass es seit Kriegsbeginn gar informelle Absprachen gab, die Anlagen mit aserbaidschanischem Öl vor russischen Angriffen schützten. Diese Vereinbarungen, die jedoch nicht bestätigt werden können, scheinen mit den jüngsten Angriffen ein Ende gefunden zu haben. Moskau habe bewusst Bakus Wirtschaftsinteressen in der Ukraine getroffen, heißt es aus der Ukraine.

Die Ukraine nutzt jedenfalls die Krise zwischen Baku und Moskau überaus geschickt, um Russland im Südkaukasus weiter zu isolieren. Selenskyjs Telefonat mit Präsident Ilham Alijew nach den Festnahmen in Jekaterinburg sah der Kreml als eine gezielte Provokation. Selenskyj sicherte Aserbaidschan die volle Unterstützung zu, sprach von Mobbing gegenüber aserbaidschanischen Bürgern in Russland und einer Gefahr für Baku, die von Russland ausgehe.

Für Baku wiederum ist die Ukraine ein nützlicher Hebel, um Russlands Druck zu widerstehen. Alijews demonstrative Abwesenheit bei der Militärparade zum Tag des Sieges in Moskau in diesem Jahr sowie die Razzien der Sputnik-Büros in Baku zeigen das neue aserbaidschanische Selbstbewusstsein im Umgang mit dem russischen Hegemonen – auch ermöglicht durch die geopolitische Schwäche Russlands seit Beginn des Krieges vor mehr als drei Jahren.

Die Ukraine schaut in der aserbaidschanisch-russischen Krise jedenfalls nicht nur zu. Kiew setzt zurzeit alle Hebel in Bewegung, um Baku in diesem Konflikt auf seine Seite zu ziehen. Eine grundlegende Neuordnung des Südkaukasus könnte bevorstehen.