Mehr als sieben Meter ist das Stahlrohr lang, das Holger Zimmermann gerade mit einer Drei-Walzen-Biegemaschine bearbeitet. Immerhin soll im fertigen Produkt ein Turner aufrecht stehen können: Zimmermann baut Rhönräder. Für Vereine in mehr als 40 Ländern und für Weltmeisterschaften: „Wir stellen rund 90 Prozent aller weltweit gefertigten Rhönräder her“, sagt der 46 Jahre alte Geschäftsführer der Zimmermann Rhönradbau- und Rohrbiegefertigungs-GmbH in Taunusstein-Bleidenstadt. Das Unternehmen zählte zu den Finalisten für den Exportpreis Hessen 2025.
Taunusstein bei Wiesbaden ist seit Jahrzehnten ein Zentrum des Rhönradsports. Auch Holger Zimmermann war als Kind im TSV Bleidenstadt, dessen langjähriger Star Wolfgang Bientzle 1985 zum ersten Mal deutscher Meister im Rhönrad-Turnen wurde.
Bientzles Vater war es, der Zimmermanns Vater Oswald wenige Jahre später darauf brachte, Rhönräder zu bauen. Der Handwerker in Köln, der den TSV Bleidenstadt bis dahin beliefert hatte, schickte sich an, in den Ruhestand zu gehen. Da Oswald Zimmermann bei einem Maschinenbauunternehmen arbeitete, sprach Bientzle senior ihn an – und 1988 wurde Zimmermann Rhönradbau gegründet. „Mein Vater hatte damals das Ziel, etwa 100 Rhönräder im Jahr zu bauen und in seiner Freizeit viel Fahrrad zu fahren. Aber seitdem ist er nie wieder Fahrrad gefahren“, sagt Sohn Holger lachend – bis heute teilt er sich die Geschäftsführung mit seinem inzwischen 71 Jahre alten Vater.
„Die Rhönrad- und Artistenwelt ist wie eine kleine Familie“
Bei Zimmermanns werden inzwischen nicht nur 160 Rhönräder pro Jahr in Handarbeit gefertigt, sondern auch rund 100 Cyr-Ringe für Artisten auf der ganzen Welt. Diese Akrobatikgeräte mit nur einem Reifen werden auf Wunsch auch mit einer LED-Beleuchtung oder Spikes für den Einsatz auf Eisflächen versehen. Die Variante mit Spikes wurde schon für die Show Holiday on Ice genutzt. Zu den Abnehmern von Cyr-Ringen zählen auch der Circus Flic Flac und der Cirque du Soleil.
Für die Fertigung eines Rhönrads sind laut Zimmermann zwischen zehn und 24 Arbeitsstunden nötig, die Kosten variierten von 1000 bis 2000 Euro. Ein Cyr-Ring mit LED-Beleuchtung könne auch schon mal 6000 Euro kosten, es komme auf die Ausstattung an. „Die Rhönrad- und Artistenwelt ist wie eine kleine Familie. Wenn man da einmal drinnen ist und sich als zuverlässig erweist, kann man in diesem Markt bestehen“, sagt der Geschäftsführer. Erst vor Kurzem habe er für den Cirque du Soleil einen Cyr-Ring gebaut, der nach Australien geliefert worden sei.
Allerdings übernimmt das Unternehmen mittlerweile auch ganz andere Aufträge: Es erledigt Biegearbeiten für andere Schlosser und den klassischen Metallbau, sodass die Rhönradfertigung heute noch etwa 40 Prozent des Umsatzes ausmacht. „Unser Geschäft steht auf drei Beinen. Neben den Rhönrädern und den Cyr-Ringen sind das die Biegearbeiten und unsere Rhönrad-Fassmischer“, sagt Holger Zimmermann. Das letztgenannte Produkt ist eine Halterung für Fässer, die für das Mischen etwa von Chemikalien kontinuierlich gedreht werden müssen. Neun Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, fünf davon sind Familienmitglieder.
Die Familie möchte Mitarbeiter weiter selbst ausbilden
Holger Zimmermann ist Metallbaumeister und war vor seinem Einstieg in den elterlichen Betrieb 15 Jahre im Maschinenbau tätig. Für ihre Rhönräder lassen sich die Taunussteiner ganz speziellen Stahl in Sondermaßen herstellen. Die Reifen hielten sehr lang, sagt Zimmermann: „Zu uns kommen sie nur zurück, wenn der umgebende PVC-Schlauch durch ist.“ Der halte beim normalen Turnbetrieb zwischen 25 und 30 Jahren, während Artisten den Schlauch in zwei bis fünf Jahren verschlissen.
Der Umsatz des Unternehmens ist nach Angaben von Zimmermann relativ konstant, und ein schnelles Wachstum ist eigentlich nicht geplant. Das hängt auch damit zusammen, dass die Familie ihre Mitarbeiter weiterhin selbst ausbilden möchte. Trotzdem soll eine zusätzliche Produktionshalle im Ortskern errichtet werden, weil die Handwerker mehr Platz benötigen. Hinzu kommt, dass der Familienbetrieb ständig an seinen Rhönrädern feilt. „Wir versuchen, unsere Produkte immer ein bisschen besser zu machen“, sagt Zimmermann und zeigt auf Edelstahlgriffe, die „glasperlengestrahlt“ sind. Das, so erläutert er, sei neu und sorge für eine bessere Griffigkeit. Einige Sportler hätten das gewünscht, und es gehöre zur Unternehmensphilosophie, auf individuelle Wünsche einzugehen.
Zimmermann selbst übrigens hat den Rhönrad-Sport schon lange aufgegeben: „Ich habe schnell gemerkt, dass ich mehr Talent fürs Bauen habe als fürs Turnen.“