Vor einem Jahr verlor Charlotte mit nur 33 Jahren ihr Leben: Die Frau war am 4. Juli 2024 per Fahrrad vom Süden aus auf dem Weg ins Zentrum, als ein Kipplaster sie beim Spurwechsel im Bereich Peterssteinweg/ Wilhelm-Leuschner-Platz erfasste und überrollte. Die Radfahrerin wurde so schwer verletzt, dass sie noch an der Unfallstelle verstarb. Was hat sich seit dem schockierenden Ereignis getan?
Ein weißes, sogenanntes Geisterfahrrad am Geländer, ein weiteres schräg gegenüber bei den Tram-Gleisen, abgestellte Blumen, Kerzen, ein Bild, persönliche Zeilen: Auch ein Jahr nach dem schweren Unfall nahe der Leipziger Innenstadt ist das Geschehen präsent. Am Vormittag des 4. Juli 2024 gegen 10:25 Uhr war eine Radlerin vom Süden aus stadteinwärts auf dem Fahrradstreifen unterwegs, als die Fahrerin eines Kipplasters (25) das Opfer beim Spurwechsel übersah und erfasste. Die 33-Jährige wurde schwer verletzt, starb trotz rascher Hilfe von Zeugen und Rettungsdienst noch vor Ort.
Massives Risiko beim Queren des Streifens
Am ersten Jahrestag des Unglücks kamen Angehörige und Freunde der getöteten Charlotte zum Gedenken an der Unfallstelle zusammen. Der Vater des Opfers, so berichtet der MDR, kritisierte dabei, dass vom Radfahrstreifen in der Mitte ein unnötig hohes Risiko ausginge: Motorisierte Verkehrsteilnehmer, die auf die Rechtsabbiegerspur wollen, müssen den Radstreifen zwangsläufig queren. Das führt immer wieder zu heiklen Situationen.
Ein Umstand, den auch der ADFC Leipzig in einer aktuellen Meldung aufgreift: Der sogenannte „Radfahrstreifen in Mittellage“ (RiM, auch Fahrradweiche) soll Konflikte beim Rechtsabbiegen entschärfen, Radler besser ins Sichtfeld rücken und letztlich schon vor einem gefährlichen Knotenpunkt einen geordneten Verkehrsfluss herstellen.
Der Radfahrstreifen wurde vor einem Jahr nach dem tödlichen Unfall rot markiert. Doch bei der Querung durch Rechtsabbieger, die im gestrichelten Bereich erlaubt ist, kommt es immer wieder zu gefährlichen Momenten. Foto: Lucas Böhme
Dieser Ansatz sei in der Forschung zwar bisher zwar nicht extrem negativ aufgefallen, könne aber gleichwohl sein Sicherheitsversprechen nicht einlösen: „Die Gefahr wird verlagert. Schwere Unfälle finden nicht mehr auf der Kreuzungsfläche, sondern im Verflechtungsbereich des RiM statt – dort, wo Autos den Radweg kreuzen. Genau das ist am Peterssteinweg in Höhe Wilhelm-Leuschner-Platz passiert“, stellt der Leipziger ADFC fest.
ADFC: RiM können helfen, sind aber keine Ideallösung
Immerhin: Die Stadt Leipzig hatte auf den schweren Unfall vor einem Jahr unmittelbar reagiert, den RiM am Wilhelm-Leuschner-Platz durch eine Fachfirma rot einfärben lassen und Prüfungen auch an anderen Stellen angekündigt. Inzwischen herrscht eine gewisse Ernüchterung, weil der zugesagte Sicherheitscheck auch an anderen Stellen bisher kaum vorangekommen sei. Laut MDR nur an sechs von 53 Stellen.
Davon abgesehen, dass die Fahrradweichen auch grundsätzlich kritisch gesehen werden, in diesem Sinne äußerte sich beispielsweise der Leipziger BUND schon Ende 2023. Der hiesige ADFC sieht sie dagegen kurzfristig vielfach immer noch besser als keine Radverkehrsführung an, mahnt aber dringend, an weiteren Stellschrauben zu drehen.
Dazu zählt er unter anderem: Konfliktfreie Ampelschaltungen, physische Schutzbarrieren an Fahrradweichen außerhalb des gestrichelten Bereichs, wo andere Fahrzeuge nicht queren dürfen, Tempo 30 im Verflechtungsbereich zwischen Autos und Rädern, Kontrollmaßnahmen und Nachrüstungen bei LKW, etwa Abbiegeassistenten und Notbremssysteme.
„Verkehrssicherheit muss Vorrang vor Leistungsfähigkeit haben. Es reicht nicht, mit roter Farbe symbolisch zu handeln – es braucht konsequente Maßnahmen, damit Menschen sicher mit dem Rad durch Leipzig kommen“, so das Fazit.
26-jährige LKW-Fahrerin wurde angeklagt
Maßnahmen, die vielleicht auch die 33-jährige Charlotte hätten retten können. Die Ermittlungen zu dem Unfall vom 4. Juli 2024 sind ein Jahr danach abgeschlossen.
Gegen die heute 26-jährige LKW-Fahrerin hat die Leipziger Staatsanwaltschaft bereits Ende März Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben, so Behördensprecher Ricardo Schulz auf LZ-Anfrage: „Im Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen wäre der Unfall und damit auch der Tod der Radfahrerin nach Auffassung der Staatsanwaltschaft für die Angeschuldigte bei Beachtung der ihr bei einem Fahrstreifenwechsel obliegenden Sorgfaltspflichten vermeidbar gewesen.“
Details zu den Ermittlungsergebnissen will er nicht nennen, dies bleibe einem möglichen Strafprozess vorbehalten. Dieser wird bei Zulassung der Anklage voraussichtlich am Amtsgericht stattfinden, Termine sind noch nicht bekannt. Das Gesetz sieht bei fahrlässiger Tötung eine Geld- oder auch Haftstrafe bis zu fünf Jahren vor.