Berlin. Soll Berlin autofrei werden? Funktioniert das oder endet es im Chaos? Was unsere Leserinnen und Leser denken – und ein großes Dankeschön.

Liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle muss erstmal eins gesagt werden: Vielen, vielen Dank! Vergangene Woche hatte ich eine -zugegebenermaßen provokante These in den Raum gestellt mit der Überschrift „Illusion autofreie Stadt“. Ich wollte von Ihnen wissen, wer tatsächlich sein Auto in der Stadt dringend braucht. Womit ich niemals gerechnet hätte: Wie viele von Ihnen darauf antworten würden. Und vor allem, wie ausführlich, sachlich und moderat im Ton, denn das ist heute leider nicht mehr selbstverständlich.

Das zeigt: Auch wenn in Berlin über kaum ein anderes Thema so erbittert gestritten wird wie über den Verkehr – das Thema betrifft buchstäblich jeden. Man muss ja auch nicht einmal seine Wohnung verlassen, um die Auswirkungen zu spüren, wenn wieder mal etwas nicht läuft. Wenn der Handwerker mal wieder im Stau, wenn der Bus in die Schule nicht fährt, oder – wie bei uns vor der Haustür – der Rettungswagen nicht ankommt, weil selbst auf einer sechsspurigen Straße nachmittags nichts mehr geht.

Dann kommt man ins Grübeln: Muss das so sein? Auf einer sechsspurigen Straße, sollte man meinen, ist doch genug Platz für alle. Aber zwei Spuren sind immer zugeparkt. Die dritte ist verpollert für einen grünen, sehr gut genutzter Radstreifen. Auf zwei der drei verbliebenen Fahrstreifen stehen während der Hauptverkehrszeiten oft Lieferanten, Entsorgungs- und Baustellenfahrzeuge. Falschparker besorgen den Rest. Wenn dann alles steht, weichen Krankenwagen und Polizei auf die Gegenfahrbahn aus, um überhaupt noch durchzukommen. Über der Szene liegt dann der Dieselgestank der wartenden Lastwagen, das Geheul der Sirenen, das Hupen der Fahrer im Stau. Manchmal brüllen Leute sich an.

Darf es einfach so weitergehen?

Wer ist schuld an diesem Chaos, das sich tagtäglich vielfach überall in Berlin abspielt? Würde es besser, wenn es keine Autos mehr gäbe? Oder umgekehrt: Darf es einfach so weitergehen? Lösen wir das Problem, indem wir in der Innenstadt die meisten Straßen zu „autoreduzierten Straßen“ erklären, wie die Initiative „Berlin autofrei“ es fordert?

Fußgängerzone Lausitzer Platz Berlin-Kreuzberg

Am Lausitzer Platz in Kreuzberg wirbt eine Aufschrift in der verkehrsberuhigten Zone um Rücksicht: „Radfahrende zu Gast“. 
© Berlin | Uta Keseling

Sie haben sich die Antwort nicht leicht gemacht, sondern mir aufgezeigt, wie vielfältig die Notwendigkeiten in Sachen Mobilität heute sind. Von der Straßenbahnfahrerin, die vom Stadtrand ohne Auto nicht zur Arbeit kommt bis zum ehemaligen Berufspendler, der schreibt: „Sind Sie schwerbehindert oder ansonsten gesundheitlich mobil stark eingeschränkt? Sind Sie ein Pflegefall? Ansonsten sehe ich keinen logischen Grund für einen privaten Pkw in der Innenstadt.“

Eine ältere Dame schreibt von ihrer Großfamilie, die ohne Auto (und Großeltern!) weder den Einkauf noch die Fahrten zum Sport, Ballett und so weiter bewältigen kann. Eine Leserin schreibt von den „vielen Menschen, die zu bequem sind oder (auch aus verständlichen Gründen) den öffentlichen Nahverkehr scheuen, und dann lieber das Auto nehmen.“ – „Ihre Kolumne ist derartig fern der Realität, daß nicht mal das Gegenteil davon stimmt!“, schreibt ein anderer (mit scharfem ß). Ein Dritter möchte sich aus selbigem Grund nur noch an den Kopf fassen. Eine andere Leserin kritisiert: „Ihr Artikel ist sehr polarisierend: hier die armen Autofahrer, da die bösen Aktivisten; da gibt‘s noch ganz viele andere!“ Natürlich kam auch Protest von Aktivisten, sogar gegen Argumente, die ich gar nicht erwähnt hatte. Und ja, vielleicht haben Sie alle recht.

Ihre Argumente sind wichtig – wie überhaupt das Thema Verkehr

Verfassungsgericht Berlin zu

Die Initiative „Berlin autofrei“ will fast alle Straßen innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings mit Ausnahme der Bundesstraßen zu „autoreduzierten Straßen“ erklären.
© picture alliance/dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Ein Leser hat geschrieben: Endlich werde er einmal gefragt. Was mich wiederum auf die Idee brachte, möglichst viele ihrer Antworten zu veröffentlichen. Dies werden wir in den nächsten Tagen tun, zumindest auf morgenpost.de. Denn ich finde, Ihre Argumente sind alle wichtig – wie überhaupt das Thema Verkehr, das tatsächlich immer wichtiger für uns wird, egal, wie wir uns persönlich fortbewegen.

Wenn Sie mögen, bleiben Sie also dabei: In der Zeitung und auf morgenpost.de berichten wir seit dieser Woche noch mehr über Verkehr. Unter anderem mit einer interaktiven Staukarte, die die Verkehrssituation auf Berlins Straßen und auch im ÖPNV kontinuierlich und aktuell abbildet. Klicken Sie gern einmal rein!

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