Der Ukraine-Krieg als Prüfstein für die NATO
Die neue US-Regierung wirbelt nicht nur die Weltwirtschaft durchei-nander, sondern auch die Weltpolitik. Dass Trumps Versprechen, den Krieg in der Ukraine in einem Tag zu beenden, nicht einlösbar sein würde, war klar. Aber selbst ein halbes Jahr nach Amtsantritt ist der Fort- und Ausgang des Konflikts unklar, was auch ein Stück weit auf Trumps Schlingerkurs zurückzuführen ist. Immerhin scheint er die USA vorläufig in der NATO halten zu wollen. Für die Europäer bedeutet das höchstens einen Zeitgewinn, um Russland in einigen Jahren aus eigener Kraft von einem Angriff auf weitere osteuropäische Staaten abschrecken zu können. Je stärker sich Trump fühlt, desto weniger wird er auf Europas Interessen eingehen. In einem Punkt kann man die Kritik an Europa verstehen: Die sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei der jüngeren Jahre ging auf Kosten der USA. Europa bekommt nun schonungslos seine selbstverschuldete Hilflosigkeit vorgeführt und muss sich nicht wundern, dass es weltpolitisch keine Rolle spielt und nicht einmal mehr konsultiert wird.
Formelle Bündnisse mit den USA sind wenig wert
Dessen ungeachtet: Die US-Politik gegenüber Russland lässt sich nur als dilettantisch bezeichnen. Dem Aggressor von Beginn an so weit entgegen zu kommen, wie Trump es getan hat, widerspricht jeder Verhandlungslogik. Die Ukraine zum Angreifer zu stempeln, also die Umkehr der Kriegsschuld, untergräbt nicht nur das Vertrauen bisheriger US-Verbündeter in die alte Führungsmacht, sondern auch das potenzieller neuer. Für einen (Rohstoff-)Deal mit Putin und in der irrationalen Hoffnung, Russland damit von China loslösen zu können, scheint der US-Präsident bereit zu sein, über Jahrzehnte gewachsene Beziehungen in die Tonne zu treten. In seinem Auftreten mag Trump stark erscheinen, er signalisiert anderen Staaten aber zuvörderst, dass sie sich nicht auf die USA verlassen können. Formelle Bündnisse geraten zunehmend in Frage. Die Nachbarstaaten Mexiko und Kana-da bekommen das besonders schmerzlich zu spüren. Abstruse Forde-rungen, den nördlichen Nachbarn zum 51. Bundesstaat der USA zu machen, sind nur ein Beispiel.
Asiens Vertrauen in die USA nimmt ab
Auch im (geo-) politischen Wettbewerb mit China dürfte diese Haltung die USA auf längere Sicht erheblich schwächen. Der Ausstieg der USA aus zahlreichen internationalen Verträgen und Organisationen löst vor allem in Ost- und Südostasien Verunsicherung aus. Die Län-der der Region haben großes Interesse an einer regelbasierten Weltordnung, die sie gegenüber Ansprüchen der Großmächte schützt. Die USA brachen in der Vergangenheit zwar immer wieder internationale Vorgaben, aber angesichts Chinas ökonomischer Dominanz und regi-onaler Gebietsansprüche (etwa im Südchinesischen Meer) waren die USA ein willkommenes Gegengewicht. Trump untergräbt das Vertrau-en in die USA als strategischen Partner. Die noch von Obama vorangetriebene Allianz der USA mit asiatisch-pazifischen Staaten (Trans Pacific Partnership) hat Trump verworfen. Stattdessen setzt er selbst traditionelle Verbündete wie Japan oder Südkorea mit Zöllen unter Druck und stellt Sicherheitsversprechen in Frage. Das US-Commitment zu Taiwan scheint zwar Bestand zu haben, es ist aber vor allem durch den Kongress getragen und nicht durch Trump selbst. Dieser erzeugt stattdessen mit widersprüchlichen Aussagen und seiner transaktionalen Art für Verunsicherung.
Unterdessen wenden sich bisher auf Ausgleich bedachte Länder wie Vietnam, Malaysia oder Singapur, denen teils noch höhere Zölle drohen, verstärkt China zu, um den ökonomischen Schaden auszuglei-chen, aber auch um die Beziehungen zur Volksrepublik zu stabilisie-ren. Bereits jetzt ist China wichtigster Handelspartner für die meisten ASEAN-Staaten (Abb. 1). Die öffentliche Meinung war bereits vor Trumps zweiter Amtszeit oftmals US-kritisch. Die massive Kürzung der US-Entwicklungshilfe sowie die strikte Einwanderungspolitik wer-den die Soft Power der USA in der Region weiter schwächen.