Die Stadt Chemnitz verdankt ihren Namen dem Fluss Chemnitz – einem eher unauffälligen Gewässer. Mehrere kleine Flüsse aus dem Erzgebirge sind hier kurz vor der Stadt zur Chemnitz zusammengeflossen und schon knapp 70 Kilometer weiter mündet sie in die Zwickauer Mulde.
Die Stadt Chemnitz am Fluss Chemnitz wiederentdecken
Im Stadtgebiet hat die Chemnitz eher eine Nebenrolle gespielt, aber das soll sich ändern. Der Schwung und die finanziellen Möglichkeiten des Kulturhauptstadtjahres wurden genutzt, um Projekte für die Stadtentwicklung anzuschieben oder sogar schon umzusetzen.
Die insgesamt 30 Flächen, die zur Weiterentwicklung ausersehen waren, hat man hier „Interventionsflächen“ genannt. Einige sind in dem Projekt „Stadt am Fluss“ zusammengefasst. Sie liegen an der Chemnitz selbst, aber auch an diversen Bächen im Stadtgebiet. Diese Interventionsflächen sind das Ergebnis von Bürgerbefragungen.
Wunschliste der Bürger von Chemnitz
„Wir wollten, dass die Bürger spüren, die Kulturhauptstadt kommt auch zu ihnen, in ihr Quartier“, sagt dazu der Baubürgermeister Michel Stötzer. Daher sollte es Projekte in allen Stadtteilen geben, nicht nur in der Innenstadt. Die Verwaltung habe sich zunächst zurückgehalten, stattdessen wurden Netzwerke angesprochen, so Stötzer – „und dann kam ’ne beachtliche Wunschliste zusammen.“
Auf dieser Wunschliste standen öffentliche Plätze und Industriebrachen, verfallene Gebäude und verwilderte Parks – und der vergessene Fluss, die Chemnitz mit den zahlreichen Bächen, die ihr zufließen. Aus den vorgeschlagenen Flächen wurden folgende ausgewählt: das ehemalige Flussbad Altchemnitz, der Nordpark an der Chemnitz, Helgoland an der Chemnitz, der Stadtteilpark am Pleißenbach sowie der Spiel- und Rastplatz „Am Feldschlößchen“ am Kappelbach.
Zur Frage, was das mit Kultur zu tun habe, sagt Baubürgermeister Stötzer: „Hier geht es um die Kultur, wie man mit der Umwelt umgeht. In einer Industriestadt, wo Wasser ein Rohstoff gewesen ist oder für die Energieerzeugung genutzt wurde.“
Ein Flussbad mit Tücken
Besonders geschichtsträchtig ist das Gelände des ehemaligen Flussbades Altchemnitz. Seit 1922 lag es idyllisch am südlichen Ausläufer des Stadtparks. Wobei der Name „Flussbad“ irreführend ist, denn hier badete man keineswegs direkt im Fluss, sondern nebenan in zwei großen Schwimmbecken, die aus der Chemnitz gespeist wurden.
Im Normalfall reicht deren Wasser kaum bis an die Knöchel. Doch der Fluss kommt aus dem Erzgebirge und hat keinerlei Vorfluter. Und sobald es stärker regnete, kam das Wasser mit großer Wucht und überschwemmte und spülte alles weg.
Zurück zur Natur
Nach zahllosen Hochwassern war man es leid, die Schwimmbecken, Umkleideräume und Außenanlagen immer wieder reparieren zu müssen. In den 1990ern wurde das Bad geschlossen, dann alles zurückgebaut und der Fluss mit Dämmen eingehaust.
Jetzt sind die Dämme abgeflacht, der Fluss ist renaturiert, wieder begehbar und von einer neuen Brücke überspannt. Auf den Wiesen sind Liegestühle und allerlei Spielgerät.
Aus trennender Brache wurde Bachlandschaft
Ein anderes Projekt ist der Stadtteilpark am Pleißenbach. Dieser Bach fließt mitten durch die Stadt, der Chemnitz zu. Er war eingerahmt von einer zwei Kilometer langen Brache aus alten Gleisanlagen und lag so wie eine unüberwindliche Barriere zwischen den beiden Stadtteilen Kaßberg und dem Flemminggebiet.
In den letzten Jahren wurden die Gleisanlagen abgetragen, der Bach renaturiert. Jetzt mäandert er zwischen Schilfdickicht, kleinen Inseln und sandigen Ufern. Eine neue Brücke verbindet hier erstmals die Stadtteile. Birken haben die Brache besiedelt, Im alten Gleisbett wachsen Steppenblumen, dahinter verläuft der Radweg. Neben dem neuen Spielplatz ist eine Freifläche vorgehalten, auf der jede Art von Veranstaltung stattfinden kann
Kulturhauptstadt-Projekte waren erst der Anfang
Manche der Interventionsflächen werden in den kommenden Jahren noch ausgebaut: Radwege verlängert, Bachbetten ausgehoben, Verschmutzung beseitigt, Ufer gestaltet. Die Bauprojekte zum Kulturhauptstadtjahr sind wie ein Initial.
Was wirklich überrascht, ist die Tatsache, dass der Fluss auch an Stellen, an denen weder gebaut noch irgendwas erneuert wurde, gewissermaßen neu in Besitz genommen wird. Ganz offenkundig bringt so ein lebendiges, wiedergefundenes Gewässer ein ganz anderes Lebensgefühl unter die Leute. Plötzlich liegt Chemnitz wieder am Fluss.
Quelle: MDR KULTUR (Sabine Frank)
Redaktionelle Bearbeitung: op