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Der Hamas droht im Gazastreifen der vollständige Machtverlust: 80 Prozent des Territoriums stehen laut einem Insiderbericht nicht mehr unter ihrer Führung.

Gazastadt – Nachdem die Hamas am 7. Oktober 2023 brutal Israel überfallen hatte, schlug Israel zurück. Das Ziel: Die radikal-islamistische Palästinenserorganisation zu eliminieren. Einem hochrangigen Hamas-Mitglied zufolge sind mittlerweile 95 Prozent der Führungsriege tot und die Hamas verliert ihre Macht.

Hamas setzt Kopfgeld auf Clan-Chef aus – Israel unterstützt ihn offenbar mit Waffen

Die islamistische Hamas hat offenbar die Kontrolle über rund 80 Prozent des Gazastreifens verloren. Das sagte ein Hamas-Offizier, der seit seiner Verletzung zu Kriegsbeginn nicht mehr im Dienst ist, anonym dem britischen Sender BBC. Demnach sei das Kommando- und Kontrollsystem der islamistischen Terrororganisation aufgrund der monatelangen israelischen Angriffe zusammengebrochen. Israel habe nun die Oberhand. „Die Kontrolle der Hamas ist gleich null. Es gibt keine Führung, kein Kommando, keine Kommunikation“, so das hochrangige Hamas-Mitglied laut dem BBC-Bericht vom Sonntag (6. Juli). Selbst Plünderungen in wichtigen Hamas-Einrichtungen seien von den eigenen Sicherheitskräften nicht mehr verhindert worden.

Israel hatte eine Reihe führender Köpfe der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah getötet, darunter Hamas-Chef Jahia Sinwar und sein Bruder Mohammed al-Sinwar. „Der Großteil der Führungsriege, etwa 95 Prozent, ist jetzt tot“, bestätigte der anonyme Hamas-Insider gegenüber BBC. Bewaffnete Clans füllen bereits das Machtvakuum im Gazastreifen, so die anonyme Quelle weiter. Es sei ein Kopfgeld auf Jassir Abu Schabab, den Anführer eines Clans, ausgesetzt worden. „17 Jahre lang hat sich die Hamas überall Feinde gemacht. Wenn jemand wie Abu Schabab diese Kräfte um sich scharen kann, könnte das der Anfang vom Ende für uns sein“, erklärte der Hamas-Kämpfer den Hintergrund.

Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern Israelische Soldaten 2006, Geschichte des Krieges in IsraelFotostrecke ansehenWarum Jassir Abu Schabab so gefährlich für die Hamas ist

Laut israelischen Medien kooperiert Abu Schababs Gruppe teilweise mit der israelischen Armee und wurde einem Times of Israel-Bericht zufolge mit beschlagnahmten Kalaschnikows ausgerüstet. Israel scheint Clans gezielt zu stärken, um die Hamas im Gegenzug weiter zu schwächen. Experten warnen jedoch vor einer Entwicklung hin zu einem Clan- und Warlord-System ähnlich wie in Somalia. Weitere Quellen aus dem Gazastreifen weisen laut BBC daraufhin, dass Clan-Chef Schabab sich mit anderen bewaffneten Gruppen abstimmen will, um die Hamas gemeinsam zu stürzen. Schabab habe offenbar auch Kontakte zu Mohammad Dahlan, dem ehemaligen Sicherheitschef des Gazastreifens.

Insgesamt gebe es demnach sechs verschiedene bewaffnete Gruppen. Unabhängige Bestätigungen der Angaben liegen bislang nicht vor. „Wir werden die Hamas eliminieren“, betonte Netanjahu indes am vergangenen Mittwoch erneut. „Wir werden sie mitsamt Wurzel vernichten.“ Zwei Tage später zeigte sich die Hamas grundsätzlich bereit zu einer Waffenruhe. Der Vorschlag beinhaltet unter anderem eine 60-tägige Feuerpause sowie die Übergabe von Geiseln und Gefangenen. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Aus Sicht des Hamas-Offiziers sei der logische Schritt aus Sicht Israels allerdings, den Krieg weiterzuführen, da das Land die Oberhand hat: „Was hält Israel also wirklich davon ab, diesen Krieg fortzusetzen?“

Clans übernehmen zunehmend die Kontrolle: Gesetzlosigkeit herrscht

Die Leidtragenden des Konflikts sind die Zivilisten. Bewaffnete Clans können nach Angaben des Hamas-Offiziers derzeit jeden im Gazastreifen aufhalten oder sogar töten – ohne dass jemand eingreift. „Gehälter werden verspätet ausgezahlt, und wenn sie ankommen, sind sie kaum nutzbar. Manche sterben schon beim Versuch, sie abzuholen“, erklärte die Quelle weiter. Es sei ein „totaler Zusammenbruch“. Im Gazastreifen herrsche demnach „immer mehr Gesetzlosigkeit“. Dabei ist die humanitäre Lage ohnehin prekär.

Ein Hamas-Kämpfer mit einer Waffe auf der Schulter. Ein Hamas-Kämpfer mit einer Waffe auf der Schulter. Einem Insider zufolge soll die islamistische Organisation die Kontrolle über den Gazastreifen weitgehend verloren haben (Archivbild). © IMAGO/Saeed Jaras
/ Middle East Images

Lebenswichtiger Zugang zu Essen, Wasser und Medikamenten ist stark eingeschränkt. „Die palästinensische Bevölkerung in Gaza steht vor einer unmöglichen Wahl: verhungern oder riskieren, erschossen zu werden“, kritisiert Amnesty International in einer Mitteilung. Alle 2,1 Millionen Einwohner Gazas leiden unter anhaltender Nahrungsmittelknappheit, heißt es auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Seit Beginn des Krieges wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 57.000 Palästinenser in Gaza getötet.