In der Türkei ist der oppositionelle Fernsehsender Sözcü TV abgeschaltet worden. Die Abschaltung gilt vorerst für zehn Tage. Ebubekir Şahin, Chef der türkischen Rundfunkbehörde RTÜK, teilte mit, gegen Sözcü TV sei eine Strafe wegen wiederholten, schwerwiegenden und vorsätzlichen „Verstößen gegen Sendevorschriften“ verhängt worden. Er forderte alle Sender auf, sich an Gesetze und Vorschriften zu halten.
Sözcü TV gilt als einer der populärsten regierungskritischen Sender in der türkischen Medienlandschaft. Der Sender bezeichnete die mehrtägige Sperre als Zensur und sprach von einer beispiellosen Entscheidung. In einer Mitteilung von Sözcü TV hieß es, RTÜK habe Sendungen rund um die Festnahme und Verhaftung des später abgesetzten Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu als Grund für die Sperre angegeben.
İmamoğlu war im März festgenommen und wenige Tage später abgesetzt worden. Er gilt als einer der aussichtsreichsten Herausforderer des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Das Vorgehen gegen den Politiker der kemalistischen CHP hatte in vielen Teilen des Landes regierungskritische Proteste ausgelöst. Die CHP rief unter anderem zu Großdemonstrationen vor dem Istanbuler Rathaus auf. Oppositionssender wie Sözcü TV übertrugen viele der dort gehaltenen Reden.
Pressefreiheit in der Türkei seit Jahren gefährdet
In der Türkei stehen die meisten Medien unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Unternehmen. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 gingen die AKP-Regierung sowie Justiz und Sicherheitsbehörden vermehrt gegen die freie Presse vor. Wegen regierungskritischer Beiträge werden Oppositionskanäle seitdem regelmäßig mit Geldstrafen oder Sendesperren belegt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt die Türkei auf Platz 159 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit.
Die nun verhängte Strafe gegen Sözcü TV fällt in eine Zeit, in der türkische Behörden vermehrt gegen die CHP vorgehen. Seit der Verhaftung İmamoğlus und zahlreicher weiterer Mitglieder der Istanbuler Stadtverwaltung gehen die Behörden auch gegen CHP-geführte Stadtverwaltungen in anderen Städten vor. Zudem wurden Journalisten sowie führende Personen aus der Wirtschaft und der Filmbranche festgenommen, verhaftet oder mit Verfahren überzogen.
© Lea Dohle
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