Liebe Leserin, lieber Leser,
auf
einer Ungarn-Reise vor ein paar Jahren entdeckte ich in der
Budapester Wohnung eines Freundes ein Buch. Auf dem Cover: Hexen,
Feen, Einhörner – ein Märchenbuch. Aber kein gewöhnliches. Ich
blätterte darin und sah bunte Bilder von Mädchen, die gegen Drachen
kämpften, von zwei Prinzen, die sich verliebt anschauten. Eine
Geschichte handelte von einem Reh, das lieber ein Hirsch wäre. Eine
andere davon, warum die Hänsel-und-Gretel-Hexe böse wurde – und
vielleicht gar nicht so böse ist.
Dieses
Buch ins Regal zu stellen, ist in Ungarn hochpolitisch. Weil es
klassische Märchen mit Geschichten von Vielfalt verknüpft, sehen
rechtsextreme Kräfte darin „homosexuelle Propaganda“. Viktor
Orbán nahm es zum Anlass für ein Gesetz, das Kinder von queeren
Themen fernhalten soll. Deshalb darf das Buch in ungarischen
Buchläden nicht offen ausliegen und in der Nähe von Schulen gar
nicht erst verkauft werden.
Neulich
sah ich das Buch in einer Hamburger Buchhandlung wieder. Märchenland
für alle
heißt es auf Deutsch, es lag in der Kinderecke ganz oben auf dem
Tisch. Und ich musste an die Bilder von der großen Pride-Parade in
Budapest denken, die Ende Juni stattfand. Hunderttausende gingen
trotz Demoverbots auf die Straße. Wie fragil Freiheit doch
sein
kann, und wie leicht wir sie für selbstverständlich halten.
Nun
startet in Hamburg am 26. Juli die Pride Week, diese Woche wurde das
Programm vorgestellt. Das Motto: „Wir sind hier, um zu bleiben.“
Die CSD-Demo am
2. August soll wieder durch St. Georg führen, aus Platzgründen aber
nicht wie sonst durch die Lange Reihe, sondern über den Steindamm.
Die Route ist umstritten, Teile der queeren Szene fürchten
Anfeindungen von Islamisten, was Polizei und Schura zurückweisen –
es gebe keine konkrete Bedrohungslage. Sicher ist: Der Zeitgeist hat
sich verändert. Queerfeindliche Gewalt nimmt vielerorts zu, und auch
die „Allies“, die Verbündeten, werden weniger. Dem Hamburger CSD
sind dieses Jahr mehrere Sponsoren abgesprungen, darunter vor allem
US-Firmen. Klar, wenn Unternehmen ihre Logos bunt färben, ist das
oft nur Marketing. Aber dass viele jetzt eher in Deckung gehen, ist
kein gutes Zeichen.
© ZON
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Rund
250.000
Menschen werden beim CSD erwartet. Nach den Debatten der letzten
Wochen im Bund bin ich gespannt, wie viele Plakate mit
„Zirkuszelt“-Andeutungen zu sehen sein werden. Über dem Hamburger
Rathaus weht ab dem 25. Juli jedenfalls
wieder die Regenbogen-Flagge. Warum auch nicht.
Ich
wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende,
Ihre
Annika Lasarzik
WAS HEUTE IN HAMBURG WICHTIG IST
© Marcus Brandt/dpa
Nach
dem Tod der NDR-Legende Carlo
von Tiedemann
haben 800 Menschen, darunter Familienangehörige, Freunde und Fans,
gestern im Hamburger Michel Abschied genommen. „Er hatte diese
unkomplizierte Zugewandtheit, bei der jeder Mensch das Gefühl hatte,
er sei ganz persönlich von ihm gemeint“, sagte Bischöfin Kirsten
Fehrs in ihrer Trauerrede. „Eine Nahbarkeit, als säße er nicht im
Studio oder in der Schaubude, sondern mitten im eigenen Wohnzimmer.“
Tiedemann war am 8. Juni im Alter von 81 Jahren gestorben.
Nach
einem Jahr Unterbrechung meldet sich das Harbour
Front Literaturfestival
mit zwei neuen Preisen zurück: Zur Eröffnung am 20. September werde
der mit 20.000 Euro dotierte Felix-Jud-Preis an die nigerianische
Autorin Chimamanda Ngozi Adichie verliehen, sagte der neue
künstlerische Leiter, Joachim Lux, gestern bei der Vorstellung des
Programms. Den Festivalabschluss bilde die Verleihung des neu
aufgestellten Debütpreises der jungen Literatur. Als Gäste werden
unter anderem Isabel Allende, Dan Brown und Ian McEwan erwartet,
außerdem Martin Suter, Caroline Wahl, Joachim Meyerhoff und Benjamin
von Stuckrad-Barre, der gemeinsam mit Jan Delay einen Abend mit
Liedern und Texten von und über Udo Lindenberg gestalten wird.
Dieses
Wochenende ist Triathlon
in
Hamburg, deswegen werden mehrere Straßen in der Innenstadt gesperrt
– unter anderem die Lombardsbrücke, der Neue Jungfernstieg, der
Jungfernstieg, der Ballindamm und der Harvestehuder Weg. Eine
Übersicht mit allen Sperrzeiten finden Sie hier.
8.500 Sportlerinnen und Sportler nehmen am Triathlon teil
– dazu
150 Profis, unter anderem Olympiasiegerin Lisa Tertsch, die am
Samstag als Gesamtführende der WM-Wertung an den Start geht.
Nachricht des Tages
© BMWE / Dominik Butzmann
Eine Investition
von 50 Millionen Euro soll Hamburgs Start-up-Szene stärken. Das
wurde gestern in Berlin von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche
(CDU) bekannt gegeben, die auf unserem Pressefoto zu sehen ist. Von
dieser Summe kommen 10 Millionen Euro aus Bundesmitteln, 40 Millionen
schießen Hamburger Stiftungen und Unternehmen bei, etwa die Joachim
Herz Stiftung und die Michael Otto Stiftung.
Mit
dem Geld wird eine neue Organisation namens „Impossible
Founders“ ihre Arbeit beginnen, die ausgewählte Gründerinnen und Gründer in
allen Phasen der Unternehmensentwicklung fördert. Dieses Angebot
richtet sich an sogenannte Deep-Tech-Start-ups. Das bedeutet: Nicht
an App-Entwickler oder Onlineshops, sondern an Unternehmen, die
beispielsweise neue Materialien oder klimafreundliche Technik
entwickeln. Nach Einschätzung des Bündnisses hinter „Impossible
Founders“ scheitern solche Start-ups in Deutschland oft daran, dass
es hier im Vergleich zu den USA und anderen Ländern nicht genug
Risikokapital gebe, um Produkte und Prototypen zu entwickeln.
Am
1. Oktober soll „Impossible Founders“ starten, die Leitung
übernimmt Arik Willner, bisher Chief Technology Officer beim Desy in
Bahrenfeld.
Oskar
Piegsa
In aller Kürze
• Die
Hamburger Polizei hat in einem Gewerbepark in Heimfeld knapp 600
Kilogramm illegale Pyrotechnik
sichergestellt, darunter mehrere Kartons mit sogenannten Kugelbomben
– zwei Männer im Alter von 24 und 25 Jahren wurden daraufhin
festgenommen •
Der Alte
Elbtunnel
ist heute ab 15 Uhr wieder für Radfahrer und Fußgänger
freigegeben, wegen Sanierungsarbeiten an der Weströhre war der
Tunnel fünf Tage lang gesperrt
THEMA DES TAGES
© [M]: Imago
Das Netz der Lady B
Vor dem Hamburger
Landgericht beginnt der Prozess gegen die Steakhaus-Erbin Christina
Block. Was als schillernder Sorgerechtsstreit begann, hat sich zum
internationalen Kriminalfall ausgewachsen. Lesen Sie hier einen
Auszug aus dem Artikel von Kriminalreporterin Anne Kunze.
An
einem wolkenverhangenen Tag Mitte Juni 2025 stapfen Astrid Have und
Stephan Hensel einen steilen Waldhang hinauf. Wir befinden uns an der
deutsch-dänischen Grenze kurz hinter Flensburg. In einem
Strafprozess vor dem Landgericht Hamburg werden vom 11. Juli an
Geschehnisse verhandelt, die in diesem Wald stattgefunden haben. Auf
der Anklagebank sitzt allen voran – angeklagt wegen Entführung
ihrer beiden Kinder – Stephan Hensels geschiedene Frau, die
Hamburger Steakhaus-Erbin Christina Block. Sie wird beschuldigt, die
beiden damals 10- und 13-jährigen gemeinsamen Kinder dem Vater
entrissen, sie gequält und roh misshandelt zu haben. Eine
israelische „Sicherheitsfirma“ soll in ihrem Auftrag die
Verschleppung durchgeführt haben, deren Mitarbeiter wurden nach
eigenen Angaben zum Teil beim israelischen Militär und Geheimdienst
ausgebildet. Christina Block bestreitet die Vorwürfe.
Maskierte
überfielen laut Ermittlungsergebnissen Stephan Hensel und seine
Kinder in der Nacht zum Neujahrstag 2024, als sie das Feuerwerk am
Hafen der dänischen Stadt Grasten unweit der deutschen Grenze
betrachteten. Den Vater schlugen sie zu Boden, die Kinder warfen sie
in den Fußraum eines Mietautos und jagten zur Grenze – in jenes
Waldstück, das Hensel mit seiner zweiten Ehefrau Astrid gerade
durchschreitet. Die Dänin Have ist den beiden Kindern ihres Mannes,
Klara und Theodor, in den vergangenen Jahren zur Mutter geworden, sie
sprechen von ihr als mor:
Mama. Ihre leibliche Mutter nennen die Kinder seit einiger Zeit nur
noch Christina.
Astrid
Have schüttelt sich, als sie eineinhalb Jahre später durch den Wald
geht, ihre Stimme zittert, als sie den Schuppen passiert, hinter dem
damals Klaras Ohrringe gefunden wurden. „Die Entführer kamen von da
oben“, sagt sie und deutet den steilen Hang hinauf. Hensel öffnet
die Tür des Wildschweinzauns, der Deutschland von Dänemark trennt,
sie quietscht.
Wie
sich der Fall nach neueren Erkenntnissen weiter entfaltet,
lesen Sie
weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Marcus Brandt/dpa
„Unter
dem Schutz der Anonymität sagen einzelne Beamte in Hamburg: Die App
sei bei der Bundespolizei nicht sehr beliebt gewesen.“
In
die Hilferuf-App SafeNow hat die Bahn viel Geld investiert. Ob sie
auch den entsprechenden Nutzen hatte, versucht
ZEIT:Hamburg-Autor Tom Kroll in diesem Artikel nachzuvollziehen.
MAHLZEIT – Die Gastrokritik
Man
liegt nicht falsch, wenn man das
Il Cantuccio als
okay, aber sehr teuer abtut (gerade die Getränke gehen ziemlich ins
Geld). Ein bisschen mehr braucht es aber schon, um diesem Wohnzimmer
der Eppendorfer Prominenz gerecht
zu werden.
Besonders
ist das Lokal
schon:
groß, aber so gut aufgeteilt, dass jeder ein passendes Plätzchen
findet – auf der Terrasse, drinnen am Fenster, an der Bar oder,
besonders beliebt, auf den Stufen vor der Eingangstür. Der Service
ist es gewohnt, dass Gäste auf das Hamburger Wetter reagieren und
spontan ihren Tisch wechseln.
Die
Küche hat Anspruch (Penne Bolo gibt’s nur für Kinder), bleibt
aber nah am Vertrauten: ein Thunfisch-Carpaccio, belegt mit Garnelen,
Kirschtomaten und Avocado – optisch beinahe eine Pizza.
Rinderfiletspitzen rare
mit geschmortem Apfel, Kartoffelbrei und reichlich Sommertrüffel.
Eine exakt gegrillte und filetierte Dorade mit Puttanesca bianca
(also viele Oliven und Kapern, aber keine Tomaten). Die Würzung
wirkt oft etwas verhalten, was bei den guten saisonalen Produkten
aber nicht weiter schadet.
Und
dann ist da eben Strato Cotugno, der als Küchenchef firmiert, aber
vor allem ein sehr präsenter Gastgeber ist. Irgendwie scheint er
jeden hier schon ewig zu kennen – die Servicemannschaft ohnehin,
aber auch seine Kunden. Schon beim zweiten Besuch fühlt man sich zum
Stammgast befördert. Wer so etwas mag (und 10 Euro für eine Flasche
Wasser übrig hat), ist im Il Cantuccio gut aufgehoben.
Michael
Allmaier
Eppendorfer
Landstraße 36 ·
Tel. 69691495
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
In
der Katharinenkirche ist gerade die Kunstinstallation Gaia
zu erleben. Am kommenden Dienstag findet dort das „Flexible
Schmøkern“ statt: Man trifft sich und liest in selbst mitgebrachten
Büchern. Es gibt auch einen Büchertisch, dieses Mal mit Lektüre
zum Thema „Innehalten, Selfcare und Achtsamkeit“. Mit einer
Einführung zu der Kunstinstallation im Kirchenraum beginnt diese 11.
Veranstaltung der Reihe, anschließend wird eine Stunde gelesen.
„Flexibles
Schmøkern“, 15.7., 18.30 Uhr; Hauptkirche St. Katharinen,
Katharinenkirchhof 1; Anmeldung ist möglich unter moin@flexiblesschmoekern.de
MEINE STADT
Die Köhlbrandbrücke bei Nacht © Vera Lettau
HAMBURGER SCHNACK
Neulich
im Supermarkt. Der Strichcode am Basilikumtöpfchen will sich partout
nicht einscannen lassen. Nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen packt
die Mitarbeiterin an der Kasse das widerspenstige Teil mit zwei
Händen und sagt energisch: „Ergib dich, wenn du mitwillst!“ Jetzt
klappt es.
Gehört
von Margit Tabel-Gerster
Das war
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