„Herr Krassnitzer, lieben Sie Wuppertal trotz oder wegen der kommunalen Politik?“ Die Frage Lothar Leuschens an den österreichischen Schauspieler und Moderator mündet in einem Gespräch über die Funktionsweise der Stadtverwaltung, die Bedeutung der Bürgerbeteiligung und die Präsenz der Kommunalpolitiker. Inmitten zahlreicher Probleme bleibt der Stadt, laut Krassnitzer, daneben aber ein großer und beständiger Vorteil erhalten: das riesige Engagement der Bürger und Bürgerinnen.
Harald Krassnitzer ist in Grödig bei Salzburg geboren, lebt aber inzwischen seit vielen Jahren in Beyenburg. Die Liebe zu seiner Wahlheimat hat er sich über die Zeit erkämpft, „wie es wohl mit allen schönen Dingen so ist“. Die Stadthalle, Pina Bausch, das Von der Heydt-Museum und Tony Cragg sind für ihn kulturelle Highlights, die vor allem durch das bürgerliche Engagement unterstützt, getragen und gehalten werden. „So eine unglaublich starke, engagierte Bürgerschaft habe ich kaum an einem anderen Ort erlebt“, sagt er. Die Stadt könne sich diese Glanzpunkte aber nicht auf die Fahne schreiben.
Klare Strukturen statt Bürokratie und Regelwerke
In der städtischen Verwaltungsstruktur sieht Krassnitzer grundlegende Probleme verankert, die einem Vorankommen, einer Weiterentwicklung entgegenstünden. „Für viele Dinge gibt es bei uns zehn Anlaufstellen, aber für ein Problem musst du dann an fünf verschiedenen Stellen hochkomplexe Anträge stellen“, kritisiert er. Nicht eine Verschlankung der Verwaltung, aber eine klarere Struktur, konkrete Abwicklungen und pro Bürger eine statt fünf Nummern seien die Lösung. Die Unverhältnismäßigkeit der Auseinandersetzung mit Regelwerken müsse angepasst werden.
Um aus dieser Jammerkiste herauszukommen, müsse eine Bestandsaufnahme her: Was brauchen wir? Was brauchen wir nicht? Was wünschen wir uns? Krassnitzers Wunsch: „Bei der nächsten Wahl zumindest mal einen, vielleicht sogar zwei Kandidaten zur Verfügung haben, der sich diese Fragen zur Agenda macht, sodass ich das Gefühl habe, das kann ich wählen.“ Entscheidend sei doch, eine Person zu wählen, die für, nicht gegen etwas sei – und sich nicht länger mit dem kleineren Übel zu begnügen. Ein bedeutsamer Punkt für die kommunale Ebene, „die einer der essenziellsten, wenn nicht der essenziellste Grundstein für die Demokratie ist“.
Heißt denn Demokratie, nichts zu tun, außer alle paar Jahre wählen zu gehen? Krassnitzer ist sich sicher: Da ist auf allen Seiten mehr nötig. Konkret gehe es um eine Präsenz der Politiker, und das nicht nur zu bestimmten Anlässen. „Die Stimmung aufnehmen, mit den Bürgern in Beziehung treten – das sind ganz wichtige Punkte“, bekräftigt er. Zugleich müsse den Bürgern bewusst werden, dass Lebensraum gestaltbar sei; egal, wie viel man zu einem Thema vorerst zu sagen hat. Er lädt die Wuppertaler dazu ein, aktiv zu werden, sich Gedanken zu neuen Themen zu machen, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. „Warum begeben wir uns nicht auf ganz neues Terrain? Wir haben nichts zu verlieren.“
Städtische Prokrastination statt Investments in die Menschen
Von der Stadt erhofft sich Krassnitzer ein Entgegenkommen, das dem Maß des Bürgerengagements entspricht. „In einer Stadt, in der Bürger so engagiert sind, wird von der Stadt nicht äquivalent gleich viel in dieselben Institutionen eingeleitet“, sagt er. Für ihn leide die Stadt unter starker Prokrastination, die das gesellschaftliche Engagement schlichtweg nicht gleichbedeutend beantworte. Potenziale richtig erkennen und fördern sei auch ohne reiche finanzielle Mittel möglich. Der Fokus müsse da auf die richtigen Dinge gelegt werden: „Ein neues Einkaufszentrum oder neue Straßen müssen jetzt nicht zwingend sein. Stattdessen kann man schauen, in welchen Bildungseinrichtungen man etwas tun kann.“ Dabei stellen Bürgergeldkürzungen für ihn ebenso wenig eine Lösung dar wie die bloße Verschlankung eines Verwaltungsapparats. Stattdessen gehe es um überdachte Investments, das Erkennen wertvoller Potenziale – „Investment in Menschen ist immer noch die beste Maßnahme, die du setzen kannst“, sagt er.
Von einem Kandidaten für die Kommunalwahl wünscht er sich genau das: Projekte ins Leben rufen und in den bürgerlichen Diskurs treten. „Es geht darum, das Beste für die Bürger zu tun. Wer das nicht versteht, hat in diesem Bürgerschaftswahlkampf nichts zu suchen.“