Um Justin Bieber musste man sich in letzter Zeit ja eher Sorgen machen. Da waren die Gerüchte, dass der Sänger pleite sei und deshalb seinen kompletten Musikkatalog für 200 Millionen Dollar verkaufen musste. Auch um seine Ehe mit Model und Unternehmerin Hailey Bieber soll es schlecht bestellt sein.

Justin Biebers erratische Online-Aktivität erinnerte ein wenig an die von Kanye West – wenn auch ohne Antisemitismus. In langen Instagram-Posts schrieb er, dass er „kaputt“ sei und Aggressionsprobleme habe. Fans analysierten derweil Videos von ihm, in denen seine Körpersprache angeblich darauf hinweisen würde, dass er auf harten Drogen sei.  Regelmäßig lieferte er sich Screaming-Matches mit Paparazzi, die viral gingen.

Neues Album mit 24 Stunden Vorlauf

Insgesamt ließ sein Verhalten in den vergangenen Monaten eher damit rechnen, dass er sich in eine Klinik einweisen lassen würde, als dass er ein neues Album veröffentlicht. Aber genau das ist jetzt geschehen, mit nur 24 Stunden Vorlauf.

Justin und Hailey Bieber – um ihre Ehe geht es in vielen Tracks von „Swag“.

© dpa/Jordan Strauss

Am Donnerstag tauchten in Städten wie New York, Los Angeles und Reykjavík (wo Bieber Teile seines Albums aufnahm) Poster auf, mit Schwarz-Weiß-Fotos des Sängers und dem Wort „Swag“, dem Titel seines siebten Studioalbums, das an diesem Freitag erschien.

Der Surprise-Drop ist immer noch ein Move einiger Künstler, wobei der Trend im vergangenen Jahr eher wieder zur akkurat geplanten Marketing-Kampagne ging – viele versuchen, einen „Brat“-Summer zu kreieren, wie ihn Charli XCX 2024 hatte.

Und damit stellt sich die Frage: Geht es Justin Bieber womöglich gar nicht schlecht – sondern ist er einfach ein Marketing-Genie? In den Headlines war er immerhin regelmäßig, und das, obwohl sein letztes Album „Justice“ bereits 2021 erschienen ist, er aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Tour abbrach und man musikalisch seitdem nichts mehr von ihm gehört hat.

Justin Bieber thematisiert seine Ausbrüche auf „Swag“

Ob geplant oder nicht, auf „Swag“ thematisiert er seine Ausbrüche jedenfalls. Etwa ein Video aus dem Sommer, in dem er Paparazzi beschimpft und dabei etwas ungelenk Gen-Z-Slang benutzt, der sich nicht wirklich authentisch anhört – mit 31 Jahren ist Bieber auch nicht mehr der Jüngste.

„It’s not clocking to you that I’m standing on business, is it?“, brüllt er in dem Video (auf Deutsch etwa: „Du merkst nicht, dass ich für meine Werte einstehe, oder?“) – ein Meme war geboren.

Als die Paparazzi antworten, sie stünden ja nur auf dem Gehweg, antwortet er: „Es ist mir scheißegal, ob ihr auf dem Gehweg steht. Ich bin ein Mensch, ihr steht bei meinem Auto.“ Auf dramatische Weise fügt er dann „Am Strand!“ hinzu, als ob diese Location das eigentliche Problem sei.

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Das Ganze wirkt ein bisschen wie ein Comedy-Skit, und in einem Interlude mit dem Komiker und Influencer Druski – die Gespräche der beiden ziehen sich durch das Album – wird es auch als solcher behandelt.

Druski belehrt Bieber, dass er den Slang falsch ausgesprochen habe: „Du kannst nicht jedes Wort klar artikulieren“, sagt er. Es heiße „bih’ness“ und nicht „business“. „Kein Wunder, dass die Typen nicht weggegangen sind.“

In ihren Gesprächen nennt sich Druski Biebers „Mentor“, seine Ratschläge bestehen aber hauptsächlich darin, einfach mal mehr zu kiffen. In einem anderen Clip versichert ihm Druski, selbst Afroamerikaner, dass Bieber schwarz klinge. „Deine Haut ist weiß, aber deine Seele ist schwarz“, sagt Druski dem Sänger, der sich artig bedankt.

Das Album

© def jam

„Swag“ ist Justin Biebers siebtes Studioalbum und erscheint bei Def Jam Recordings, Teil der Universal Music Group. Zu den Produzenten gehören neben Justin Bieber selbst unter anderem Carter Lang, Daniel Caesar, Mk.gee und Dijon. Das Album ist 21 Tracks lang, darunter sind mehrere Interludes mit dem US-Komiker und Influencer Druski.

Wohlwollend hofft man, dass das Ganze Satire ist – auch angesichts der langen Liste an fragwürdigen Mentoren, die Justin Bieber schon hatte. Neben Sean „Diddy“ Combs etwa sein langjähriger Manager Scooter Braun, mit dem er inzwischen in einen Rechtsstreit verwickelt ist. Oder Carl Lentz, einst Pastor der evangelikalen Hipster-Kirche Hillsong, der sich Justin Biebers „Spiritual Advisor“ nannte – bevor herauskam, dass Lentz seine Frau betrogen hatte.

Verglichen mit diesen Figuren sind Druskis Stoner-Ratschläge vielleicht nicht die schlechtesten. Allerdings machen diese Gespräche „Swag“ noch länger, als es ohnehin schon ist. Sage und schreibe 21 Tracks zählt das Album. „Too Long“ heißt passenderweise der letzte Track von Justin Bieber, bevor das Album mit dem Song „Forgiveness“ des Pastors und Gospel-Sängers Marvin Winans dann endgültig abschließt.

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Trotz dieses christlichen Closers sind Jesus und Gott diesmal nicht ganz so allgegenwärtig wie noch auf seinen letzten beiden Alben, „Changes“ und „Justice“. Es geht eher um seine offenbar turbulente Ehe und Justin Biebers neue Rolle als Vater.

Produziert wurde das Album unter anderem von Carter Lang, der „Ctrl“ und „SOS“ von SZA produzierte. Der Alt-R’n’B der Künstlerin ist eindeutige Inspiration für „Swag“, The Weeknd und Drake scheinen ebenfalls Einflüsse gewesen zu sein, Michael Jackson sowieso.

Hippe Kollaborateure wie Mk.gee und Dijon

Mit Mk.gee hat Bieber aber auch einen der hippesten neuen Stars gewonnen. Der 26-jährige Singer-Songwriter und Produzent ist gerade dabei, Gitarre wieder cool zu machen – passenderweise das prägende Instrument auf „Swag“. Mk.gee arbeitete an dem zweiten Track „Daisies“ mit, einem überraschend zart klingenden Song über eine unbeständige Liebe und einer der besten des Albums, das stark startet, sich aber schnell in Beliebigkeit verliert.

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Ohnehin sind die Songs am überzeugendsten, die nicht übermäßig produziert sind, sondern Justin Biebers weicher, hoher – und ja, überraschend soulig klingender – Stimme Raum geben. Und auf denen Bieber kein „Swag King“ sein will, sondern einfach über sein Leben singt.

Ein spätes Highlight ist „Devotion“, ein zurückgenommener, extrem chilliger R’n’B-Track mit dem Musiker und Produzenten Dijon – das einzige Feature, das richtig gut funktioniert. „When your lips and fingernails are glowin’ / I promise to take my time givin’ you devotion”, beschwört Justin Bieber da.

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Die anderen Kollaborationen klingen wenig organisch. Die Rapperin Sexyy Red passt mit einem extrem expliziten, aber dennoch generisch klingenden Verse auf der Sex-Hymne „Sweet Spot“ nicht wirklich zu Biebers Vibe, Rapper Gunna schläft in seinem Verse auf „Way It Is“ fast ein. Und trotz einiger starken Tracks bleibt am Ende dieses Albums die Erkenntnis: Justin Bieber, die Person, ist immer noch spannender als Justin Bieber, der Musiker.