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Friederike Becker-Walschus (links) überreichte mit ihren Kollegen Simone Kaspar und Holger Pohl den Prüfbericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) an Bürgermeisterin Birgit Tupat (2.v.l.) © Fischer-bolz, Susanne
Wenn es um Auftragsvergaben geht, muss der Rat der Gemeinde diese abnicken. So war es bisher immer. Doch die Gemeindeprüfungsanstalt findet, dass dies keine Aufgabe des Rates ist. Und Einfluss habe man ohnehin nicht.
Nachrodt-Wiblingwerde – Trockene Materie? Keine Frage. Es ging um Finanzen, Zahlungsabwicklung, Vollstreckung, Vergabewesen sowie Personal, Organisation und IT. All dies hat die Gemeindeprüfungsanstalt (gpaNRW) bei der Gemeinde auf Herz und Nieren geprüft – und zwar immer mal wieder in einem Zeitraum von zwölf Monaten und auch im Vergleich zu etwa gleich großen Kommunen. Dass die Vorstellung der Ergebnisse von Friederike Becker-Walschus, Simone Kaspar und Holger Pohl im Rat nicht ganz so geschmeidig über die Bühne ging, hatte ganz besonders damit zu tun, dass viele Nachrodter Ratsmitglieder mit den Empfehlungen der gpa so gar nicht einverstanden waren. Und das sorgte dafür, dass die eineinhalbstündige Präsentation richtig spannend wurde.
Man soll sich davon verabschieden
Hauptknackpunkt: das Vergabewesen. Bei Auftragsvergaben, die von grundlegender Bedeutung für die Gemeinde sind, ist grundsätzlich der Rat der Gemeinde zuständig. Auftragsvergaben, die einer Entscheidung des Rates oder des Fachausschusses bedürfen, werden im normalen Sitzungsablauf oder durch eine Dringlichkeitsentscheidung entschieden. Wenn erkennbar ist, dass eine Entscheidung des zuständigen Gremiums aufgrund des Sitzungskalenders nicht möglich sein wird, ermächtigt eine Dringlichkeitsentscheidung der Bürgermeisterin die Auftragserteilung. Die Gemeindeprüfanstalt empfiehlt, sich davon zu verabschieden.
Der Bestbietende bekommt den Zuschlag
Um das Vergabeverfahren und die Auftragsvergabe zu beschleunigen, sollte die Gemeinde das Verfahren zur Vergabeentscheidung überdenken und die Entscheidung über den Vergabezuschlag nicht von einem Beschluss der politischen Gremien abhängig machen. Abgesehen davon habe der Rat ohnehin keinen Einfluss, wenn das Verfahren korrekt abgelaufen sei. „Am Ende des Verfahrens ist ein Bestbietender übrig. Und der hat den Anspruch darauf, den Zuschlag zu bekommen“, erklärte Holger Pohl. Einfluss nehmen, so die Prüfungsanstalt, könne man als Rat ohnehin nur im Vorfeld mit Leistungsbeschreibungen und mit einem definierten Standard beispielsweise.
„Für mich ist das ein Aufbauschen der Demokratie“
In Nachrodt nickt man aber nicht grundsätzlich alle Vergaben ab. „Einmal hat uns das 80 000 Euro gekostet“, berichtete Bürgermeisterin Birgit Tupat. Der Rat soll nicht mehr entscheiden? Jens-Philipp Olschewski, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht dies als absolut falsches Signal. Sein Fraktionskollege Michael Schlieck wurde deutlicher: „Für mich ist ein Aufbauschen der Bürokratie. Wir brauchen mehr Leute in der Verwaltung. Und der Rat wird hinten angehangen. Wir sollten das so weitermachen wie bisher. Da sind wir gut mit gefahren. Wir haben im Rat Diplom-Kaufleute, Wirtschaftswissenschaftler, Finanzbeamte, die auf alles achten.“ Wie in Zukunft vorgegangen wird, steht noch in den Sternen.
Haushaltssituation verbessert
Und sonst? Die Gemeinde konnte ihre Haushaltssituation in den vergangenen Jahren deutlich verbessern. „Seit 2018 wurden – mit Ausnahme von 2023 – positive Jahresergebnisse erzielt“, lobte die gpaNRW. „Die Rückkehr zur uneingeschränkten Handlungsfähigkeit ist ein Etappenerfolg, den es nun auszubauen gilt.“ Die gpaNRW empfiehlt Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung des Eigenkapitals.
Mitarbeiter sind recht alt
Im Bereich Personal, Organisation, IT verfüge die Gemeinde über einen guten Gesamtüberblick, aber wenig standardisierte Prozesse. Wie in vielen kleinen kreisangehörigen Kommunen liege viel Wissen bei einzelnen Personen. Dies mache Dokumentationen und Wissenstransfer umso wichtiger. Außerdem, so hieß es im Bericht, seien die Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Kommunen älter. Die GPA: „Die Gemeinde nutzt interkommunale Zusammenarbeit in einigen Arbeitsbereichen und schafft so Synergien. Dies ist auch vor dem Hintergrund der altersbedingten Fluktuationen in den nächsten Jahren sinnvoll.“ In der Prüfung wurden bisher fehlende schriftliche Richtlinien festgestellt, die gesetzlichen Vorgaben seien aber stets eingehalten. Die Verschriftlichung der Richtlinien wurde der Gemeinde ans Herz gelegt.
Und das ist die GPA
Die gpaNRW ist Teil der staatlichen Aufsicht des Landes über die Kommunen und wurde im Jahr 2003 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Herne. Ihr ist durch Gesetz und Gemeindeordnung die überörtliche Prüfung aller 396 Kommunen, der 30 Kreise sowie der Städteregion Aachen, der beiden Landschaftsverbände und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) übertragen. Präsident der gpaNRW ist seit 15. September 2023 Bürgermeister a. D. Michael Esken. Zu den Aufgaben der gpaNRW gehört es zu prüfen, ob die Kommunen des Landes NRW rechtmäßig, sachgerecht und wirtschaftlich handeln.