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Seite 1Vor ihnen sollen alle Angst haben
Seite 2Hinter sein eigentliches Ziel fällt Donald Trump zurück
Sie kommen vermummt. Schwarze Skimasken über dem Kopf oder ein Tuch vor den Mund gebunden, die Baseballcaps tief ins Gesicht gezogen, dazu eine dunkle Sonnenbrille. Keine Uniform, sondern Windjacke oder Kapuzenpulli – und kein Namensschild. Oft ist es nur eine Weste, deren Aufdruck verrät, wer sie sind: „Police“, steht da, „Federal Agent“ – also Bundesbeamter – oder auch „ICE“. Das steht für United States Immigration and Customs Enforcement.
Überall in den USA tauchen diese Beamten neuerdings auf, ohne Vorwarnung und schwer bewaffnet, auf der Suche nach denen, die Donald Trump und seine Leute „illegal aliens“ oder auch einfach Kriminelle nennen. Sie lauern in Gerichten, wo ahnungslose Migranten zu ihrer Anhörung erschienen sind, in der Hoffnung, endlich eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Oder vor Baumärkten, wo Arbeiter ohne Papiere auf Arbeit für den Tag hoffen.
Manchmal schlagen ICE-Beamte sogar Autofenster ein, um mutmaßlich „illegale“ Migranten aus dem Wagen zu zerren. Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird zu Boden gerungen oder gleich selbst verhaftet. In Los Angeles traf es neulich einen prominenten Gewerkschaftsführer, in New York den städtischen Rechnungsprüfer, der zugleich Bewerber für die Bürgermeisterkandidatur der Demokraten war.
Solche Vorfälle sind kein Versehen, sondern werden gezielt in Kauf genommen. Sie senden eine Botschaft: Vor uns sollen alle Angst haben. Auch US-amerikanische Staatsbürger.
„Kriminelle“ und „Terroristen“
Dass Einwanderer ohne Papiere verhaftet und abgeschoben werden, war schon lange vor Donald Trump Alltag in den USA. Dabei spielen nicht nur migrationspolitische und rechtliche Aspekte eine Rolle, sondern auch sicherheitspolitische. ICE wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gegründet, genau wie das Ministerium für Innere Sicherheit (Department of Homeland Security, kurz DHS), dem die Behörde nachgeordnet ist. Ihre Beamten bekamen weitreichendere Befugnisse als andere Sicherheitsbehörden, um Leute zu verhaften, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land aufhielten. Dazu gehört, dass sie nicht zwingend einen Gerichtsbeschluss brauchen, um jemanden zu verhören oder festzunehmen.
Aber was über viele Jahre hinweg galt – dass ICE sich auf Verbrecher und Gefährder fokussiert –, gilt nicht mehr, seitdem Donald Trump wieder im Amt ist. Der Präsident hat seinen Anhängern im Wahlkampf „Massendeportationen“ versprochen. Millionen „illegal“ Eingewanderter sollen abgeschoben werden. Für Trump und sein Regime sind auch sie „Kriminelle“ und „Terroristen“ – und zwar allein durch die Tatsache, dass sie ausreisepflichtig sind oder einst heimlich über die Grenze kamen. „Illegale“ Einwanderer, so sagte es Trumps Sprecherin schon vor Monaten, unterlägen nicht den US-amerikanischen Gesetzen. Das lässt sich umgekehrt so deuten: Sie sollen keine verfassungsmäßig garantierten Rechte geltend machen können.
© Lea Dohle
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Das ist der Hintergrund, vor dem man die ICE-Razzien betrachten muss, die überall im Land mit zunehmender Härte stattfinden. Menschen werden buchstäblich von der Straße geschnappt und in Abschiebegefängnisse gebracht, die teils Tausende Kilometer entfernt liegen. Dabei scheint es zum neuen Standard unter den Beamten geworden zu sein, weder einen Beschluss zu präsentieren noch sich namentlich zu erkennen zu geben. In New York und Kalifornien – wo besonders viele ICE-Razzien stattfinden – wollen demokratische Politiker die Beamten jetzt per Gesetz zwingen, Uniform zu tragen und sich auszuweisen.
Die Razzien zeigten das Abrutschen der USA in die Autokratie auf besonders dramatische Weise, mahnen die Demokraten. Tim Walz, der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten im Wahlkampf 2024, sprach sogar von „Donald Trumps moderner Version der Gestapo„. Dieser Vergleich sei „widerlich“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. „ICE-Beamte riskieren ihr Leben, um gewalttätige kriminelle Fremde zu verhaften und Amerikaner zu beschützen.“