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Jörg Egerer daheim in seinem Schwabener Haus. © PETER KEES
Jörg Egerer ist leidenschaftlicher Fotograf. Durch ein persönliches Schicksal hat der Markt Schwabener den Fokus seiner Kamera auf verlassene Elternhäuser gerichtet. Seither schafft er seinen Kunden besondere Erinnerungen.
Markt Schwaben – Fotografie spielt bei ihm seit der Kindheit eine Rolle. Doch sein Lebensweg führt ihn zunächst an andere Stationen. Der in Mannheim geborene Jörg Egerer macht nach seiner Schulzeit eine Ausbildung zum Fernsprechtechniker und arbeitet drei Jahre in diesem Beruf, ehe er Nachrichtentechnik studiert.
Nach dem vierten Semester wechselt er das Fach. Weiter geht es mit BWL. Nach dem Studium arbeitet er als Vermögensberater, in Versicherungsbüros und Vermögensverwaltungen. Ein Job führt ihn ins Münchner Umland. Vor 15 Jahren zieht er nach Markt Schwaben. Dann, 2018, stellt er sein Leben um – und wird Fotograf.
Corona macht Strich durch die Rechnung
Er folgt einer Leidenschaft. Ausbilden dazu lässt er sich über eineinhalb Jahre privat bei einem renommierten Fotografen in Köln. Egerer will Produkt- und Werbefotograf werden. Ca. 15 000 Euro gibt er für die Ausbildung, die nur einmal im Monat Präsenz bedarf, aus. Parallel beginnt er sein Geschäft als selbstständiger Fotograf; doch dann kommt Corona und die Aufträge brechen weg.
„Messen, auf denen ich arbeiten sollte, wurden abgesagt.“ Fotokurse, die er anbietet, dürfen nicht mehr durchgeführt werden. „Ein Grund, warum ich nie so richtig in die Branche hineingekommen bin.“ Immerhin, er gibt in München Fotokurse für Chanel-Mitarbeiter und andere prominente Unternehmen. „Derart bekannte Kunden konnte ich gewinnen, weil ich meine Website so optimiert habe, dass sie im Internet immer unter den ersten drei Ergebnissen bei einer Suche nach Fotokursen erscheint.“
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Viele hochemotionale Gespräche geführt
Und dann passiert etwas, 2020, was sein Leben auf den Kopf stellt: Sein an Demenz erkrankter Vater kommt ins Pflegeheim. Für sich und seinen Bruder dokumentiert er mit der Kamera das Elternhaus. Als reine Erinnerungen waren diese Bilder gedacht. Doch er veröffentlicht sie: im Kunstverein Ottobrunn werden sie ausgestellt und bekommen beachtliches Feedback.
Fotografie in einem alten Haus. Auf derartige Motive hat sich Jörg Egerer spezialisiert. © Peter Kees
„Vom Gefühl her wusste ich, dass es richtig war, die Bilder öffentlich zu zeigen. Viele hochemotionale Gespräche habe ich geführt, immer wieder wurden Tränen vergossen. Das Thema berührte die Menschen“, sagt er.
Kurz darauf bekommt er einen Anruf von einer Autorin, die gerade an einem Buch schrieb, „Adieu Elternhaus“. „Mir wurde klar, dass es außer mir niemanden gibt, der oder die sich auf das Fotografieren von Elternhäusern spezialisiert hatte.“ Egerer hat eine Marktlücke gefunden und beginnt 2023, sich als Elternhausfotograf zu spezialisieren; die Idee also zu kommerzialisieren. Die Medien stoßen auf ihn und berichten über sein Tun. Aufträge hat er bereits, spricht aber immer noch von der „Aufbaubauphase“.
In der Nebenrolle auch mal eine Filmleiche
Um sich finanziell über Wasser halten zu können, hat er noch zwei andere Standbeine: Er arbeitet als Komparse und Kleindarsteller bei Fernseh- und Kinofilmen und engagiert sich für Künstlervor- und Nachlässe. Beim Film spielt er zum Beispiel hin und wieder die Leiche, aber auch andere Kleinstrollen. Bei den „Rosenheim Cops“, bei „Hubert ohne Staller“ oder „Der Alte“ ist er schon aufgetreten. „Etwa 140 Drehtage bei ca. 80 Produktionen hatte ich im Lauf der vergangenen Jahre.“
Die Wende in seinem Leben, so erzählt er, wird noch von etwas anderem angestoßen. 2014 nimmt er als Kandidat in der Fernsehkochsendung „Die Küchenschlacht“ teil. Damals ergattert Egerer den zweiten Platz und darf fünf Sendungen an zwei Tagen drehen. „Das hat mein Leben verändert“.
Auch das ein Beispiel aus dem Fotofundus des Profis aus Markt Schwaben. © Peter Kees
Die Tätigkeit als Elternhausfotograf erfüllt den 54-Jährigen heute sehr. „Nach dem Tod der Eltern trauern wir um ihren Verlust. Was uns bleibt, sind Erinnerungen. Diese verbinden wir aber nicht nur mit den Eltern, sondern auch mit dem Elternhaus, in dem wir aufgewachsen sind und das lange Zeit unser Zuhause war.“ Er trifft die Angehörigen, verabredet eine Hausbegehung, hört den Menschen viel zu und schreitet dann ans Werk.
Stunden verbringt er in einem einstigen Heim und lichtet die ehemals mit Leben gefüllten, heute zumeist verwaisten Orte ab. Mit großer Ruhe und klarem Blick arbeitet er dabei. Es geht um das Festhalten von Gewesenem, um das Festhalten von Erinnerungsspuren – und zwar mit einem Fotografenblick, denn, „auch wenn etwa Handys heute schon eine Menge können, gestalten kann ein Bild nur der Fotograf, nicht die Kamera.“ „Die Fotos“, so beschreibt er, „entstehen im Kopf, nicht in Bildbearbeitungsprogrammen.“