Es hat nicht sein sollen: Pascal Wehrlein wird nicht Formel-E-Weltmeister 2025 und scheitert somit als sechster Pilot in Folge an der Mission, den Titel in der Elektroweltmeisterschaft zu verteidigen. Vor den letzten beiden Saisonrennen in London ist der Porsche-Werksfahrer mit 59 Punkten Rückstand auf den WM-Führenden Oliver Rowland nicht mehr in der Lage, den Briten einzuholen.
Dass Wehrlein den Titel in diesem Jahr nicht mehr verteidigen kann, ist zunächst einmal keine Überraschung. „Wir denken überhaupt nicht an die Fahrerweltmeisterschaft“, hatte Porsche-Teamchef Florian Modlinger gegenüber Motorsport-Magazin.com mehrfach im Laufe des Berlin-Wochenendes erklärt. Zu groß war der über die Saison hinweg angehäufte Rückstand auf den mit beeindruckender Konstanz auftretenden Rowland.
Doch nachdem Wehrlein am Samstag in Berlin den Rückstand auf 50 Punkte verkürzen und am Sonntag mit einer weltmeisterlichen Pole noch einmal drei Zähler einfahren konnte, keimte still und leise doch wieder ein kleiner Titelglaube auf. “Das gute Ergebnis gestern und die Pole Position heute hat die Hoffnung wieder so ein bisschen steigen lassen“, gab Wehrlein nach Rennende im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com zu. „Aber realistisch gesehen war es nie wirklich in Reichweite.“
Der Fokus bei Porsche dürfte deshalb eher auf der Art und Weise liegen, auf die Wehrleins letzte Attacke auf den Titel spektakulär in sich zusammenfiel. Von der Pole aus sank der 30-Jährige im Rennen wie ein Stein und beendete den Lauf letztlich nur auf P15. Schon der neunte Platz hätte bei Rowlands Ergebnis ausgereicht, um die Titelentscheidung rechnerisch auf London zu vertagen.
Wehrlein konnte die Pole nicht in einen Sieg umwandeln , Foto: IMAGO / Andreas GoraAntonio Felix da Costa kritisiert Porsche-Strategie
“Wir hatten im Longrun keine Pace“, machte Wehrlein aus dem Offensichtlichen keinen Hehl. „Wir sind von den Positionen eins, zwei und drei gestartet. Ich, Dan (Ticktum, Kiro-Porsche; d. Red.) war Zweiter, Antonio (Felix da Costa, Porsche-Werksfahrer; d. Red.) Dritter. Und am Ende sind wir mit vier Punkten ins Ziel gekommen mit diesen drei Autos. Da ist klar, dass es dort irgendwas gibt, was wir besser machen müssen.“
Wehrlein-Teamkollege Felix da Costa befand vor allem die Strategie als verbesserungswürdig. „Wir waren am Anfang viel zu schnell“, so der Portugiese gegenüber Motorsport-Magazin.com. Das Berlin-Rennen verkam am Sonntag wie im Vorjahr zu einer Energiesparschlacht, es gilt im Fahrerlager als der Lauf im Kalender, bei dem mit der Energie am meisten gehaushaltet werden muss.
Die Porsche-Strategie, mit teilweise bis zu fünf Autos an der Spitze das Tempo vorzugeben, ging dabei nicht auf. Das lässt sich auch im Hinblick auf das Podest erkennen. Sieger Nick Cassidy (Jaguar), Jake Dennis im Andretti-Porsche und DS-Penske-Pilot Jean-Eric Vergne starteten alle nicht einmal aus den Top-15.
“Wir haben denen hinten die Chance gegeben, sich abzusichern und eine Menge Energie zu sparen“, analysierte Felix da Costa. „Was uns dann wirklich erledigt hat, waren die zwei Safety-Cars, die das ganze Feld zusammengebracht haben. Sie hatten dann die Energie umsonst, denn wenn es Lücken gibt, musst du zumindest die Energie verbrauchen, um zurückzukommen. Aber das Safety-Car hat das für sie erledigt.“
Das Phänomen ist in Berlin nicht neu. Im Vorjahr gewann Cassidy am Samstag ebenfalls mit einer extremen Energiespar-Strategie und war im Rennen teilweise Letzter, bevor er in der Schlussphase bis auf Rang eins nach vorne fuhr. „Wir haben das schon zuvor gesehen und wir haben es heute zu einfach für sie gemacht“, haderte Felix da Costa.
Wehrlein will Strategie-Erklärung nicht gelten lassen: Reifen fallen auseinander
Auch Wehrlein kam auf das Thema zu sprechen, machte dies jedoch nicht als Hauptursache für das Porsche-Desaster aus. „Mit Sicherheit haben die am Anfang mehr Energie gespart als wir. Aber Rowland war auch immer unter den ersten fünf bis sieben“, so der achtfache ePrix-Sieger. „Das kann keine Ausrede sein, warum wir von Platz 1 auf Platz 16 zurückfallen.“
Wehrlein sah die Strategie nicht im Zentrum der Kritik, Foto: IMAGO/PsnewZ
Wehrlein legte den Fokus stattdessen auf das Thema Reifenverschleiß, was auf dem rauen Untergrund des ehemaligen Flughafenrollfeldes in Tempelhof als besonders herausfordernd gilt. „Das Auto ist sehr aggressiv zum Reifen. Er fällt auseinander, man sieht wirklich Gummistücke vom Reifen wegfliegen. Die anderen machen irgendwas besser als wir“, so Wehrlein. Die Situation erinnert an den Samstagslauf in Shanghai, wo Wehrlein ebenfalls lange vorne lag, im Schlussspurt aber aus den Top-10 flog.
Porsche schwenkt auf Attacke um: Team- und Hersteller-WM im Fokus
Klar ist aber: Trotz dem verlorenen Fahrertitel können Wehrlein und Porsche wieder eine äußerst erfolgreiche Formel-E-Saison für sich verbuchen. „Wenn man sich die letzten drei Jahre anschaut sind wir das Team, das es zu schlagen gilt“, stellte Wehrlein klar. „Und ich war auch vom Ergebnis her in den vergangenen drei Jahren deutlich der Beste.“ Und tatsächlich sammelte im selben Zeitraum nur Cassidy fünf Punkte mehr als Wehrlein. Als einziger Pilot kann der gebürtige Sigmaringer aber behaupten, in jedem dieser Jahre im Titelkampf gewesen zu sein.
Nach dem verlorenen Fahrer-Titel wendet sich der Fokus von Porsche nun endgültig der Team- und Herstellerwertung zu. „Wir wollen alles gewinnen, was es zu gewinnen gibt. Das ist unser Anspruch“, schwenkte Wehrlein bereits wieder auf Attacke um. „Wir geben alles und versuchen nächstes Jahr zu verstehen, woran es liegt, dass wir bei Rennen, die extrem auf die Reifen gehen, so stark zurückfliegen.
Formel E 2025: Team-Wertung nach 14/16 Rennen