Es ist ein Projekt der Superlative – mit einer Rekord-Bauzeit und einem Rekord-Ersatzverkehr, den Deutschland nach Angaben der Bahn in diesem Ausmaß noch nicht gesehen habe. Der hoch frequentierte Streckenabschnitt zwischen Berlin und Hamburg wird ab dem 1. August diesen Jahres bis April nächsten Jahres komplett gesperrt und saniert.
20 Bahnhöfe sollen zu Zukunftsbahnhöfen werden
Mit 230 Zügen und bis zu 30.000 Fahrgästen pro Tag handelt es sich um eine der wichtigsten Direktverbindungen. Die Strecke ist insgesamt rund 280 Kilometer lang.
165 Kilometer an Schienen und Gleisen sollen komplett erneuert, weitere 61 Kilometer instandgesetzt, 249 Weichen neu eingesetzt werden – 100 mehr als bei der im vergangenen Jahr in Süddeutschland generalüberholten Riedbahn.
Die Deutsche Bahn will während der neunmonatigen Vollsperrung auf der Strecke Hamburg-Berlin auch 20 Bahnhöfe zu Zukunftsbahnhöfen aufwerten – darunter auch Wittenberge, Ludwigslust und Büchen. Dazu werden entlang der Strecke über 1.000 Bauarbeiter und über 100 Baumaschinen täglich im Einsatz sein. Der Kostenrahmen bewegt sich derzeit bei gut 2,2 Milliarden Euro.
Befürchtung, dass ganze Regionen abgehängt werden
Doch solch ein „gigantisches Projekt“ (Karsten Erhardt, Projektleiter für die Generalsanierung bei der Deutschen Bahn) beinhaltet etliche Unwägbarkeiten und Risiken.
Dabei besonders im Mittelpunkt: Bei Pendlern und Politikern in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg geht seit Wochen die Befürchtung um, dass „ganze Regionen während der Sanierung vom Fernverkehr abgehängt werden“, warnte MV-Landeswirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos) stellvertretend für alle Betroffenen und Skeptiker. Die Deutsche Bahn hatte im Gegenzug betont, dass Reisende während der gesamten Sanierung im Regional- und Fernverkehr mobil blieben.
Warum keine Bus-Express-Verbindung Schwerin-Hamburg?
„Täglich erbringen wir 86.000 Buskilometer auf insgesamt 28 Linien. Um die Fahrgäste in dieser Zeit an ihr Ziel zu bringen, werden wir insgesamt 23,5 Millionen Buskilometer fahren. Für den Ersatzverkehr haben wir insgesamt 208 neue Busse bestellt“, teilte das mit dem Bus-Ersatzverkehr beauftragte Unternehmen ecoVista mit.
Gleichzeitig sagte das Unternehmen, dass bei einer „Beschaffung dieser Größenordnung Verzögerungen im Produktions- und Auslieferungsprozess möglich“ seien. Aus diesem Grund habe man ein umfassendes Konzept entwickelt, um sicherzustellen, dass alle Linien ab dem ersten Betriebstag vollständig und pünktlich bedient würden – auch, wenn einzelne der neu bestellten Fahrzeuge noch nicht zur Verfügung stünden.
Dass es aber beispielsweise zwischen Schwerin und Hamburg keine direkte Express-Bus-Verbindung gibt, begründete die Bahn damit, dass die regionalen Verkehrsverbünde als Aufgabenträger eine solche Verbindung nicht angeboten hätten.
Nächste Sperrung schon Anfang der frühen 30er Jahre
Karsten Erhardt und sein Projekt-Kollege Julian Fassing räumten am Mittwoch im Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin ein, dass es „gewisse Schmerzen für die Nutzer“ geben würde. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst“, sagten die beiden Bahn-Manager. Die Generalsanierung sei allerdings dringend notwendig – „die zu große Störanfälligkeit und die Überalterung des Schienennetzes“ würden zum Handeln zwingen.
Aber: Trotz der langen Bauphase wird die Bahn auf den Einbau des europäischen Zugsicherungssystems ETCS, das nicht nur klassische Stellwerke überflüssig macht, sondern auch die Kapazitäten um bis zu 30 Prozent erhöht, verzichten. Der Einbau sei aus Erfahrungen bei der Riedbahn-Sanierung zu komplex und zu aufwändig, so der Tenor aus dem Bahn-Tower. Konsequenz: „In den frühen 30er Jahren kommen wir dann mit dem nachträglichen Einbau um die Ecke“, blickte Fassing schon einmal auf die nächste drohende Sperrung zwischen Berlin und Hamburg voraus.