Zu wenige Abfalleimer?: Vermüllter Bismarckplatz – Stadt sieht Schuld auch bei Besuchern Am Sonntag säuberten viele freiwillige Helferinnen und Helfer den Bismarckplatz in Stuttgart-West. Foto: Schön hier! Oder?/Andreas Schöning

Die Müllsammler von „Schön hier! Oder?“ bekommen viel Lob für ihre Aktion – auch von der Stadt. Aber warum hat der Bismarckplatz so ein Müllproblem? Und was können die Gastronomen tun?

Als die Stadt Stuttgart Ende 2020 im Westen einen Verkehrsversuch startete und den unteren Teil der Bismarckstraße für den Verkehr sperrte, hat man sich erhofft, was dann eintrat: Die Menschen holten sich die Straße zurück. Zwischen den beiden Absperrungen pulsiert auf ein paar Metern urbanes Leben, es gibt Sitzgelegenheiten, im Sommer wird am Bismarckplatz ausgiebig „gecornert“, manchmal getanzt oder Tischtennis gespielt. Die Schattenseite: Es fällt mehr Müll an, gerade nach lauen Sommernächten. Die Eimer quellen über, Take-away-Verpackungen, Flaschen und Becher werden einfach neben die vollen Mülltonnen gestellt. Kein schöner Anblick.

Die Gruppe „Schön hier! Oder?“ hat am Sonntag den Bismarckplatz aufgeräumt: Sechs Stunden waren 15 Leute und auch viele spontane Helferinnen und Helfer im Einsatz, füllten fünf große Müllsäcke, sammelten rund 5000 Zigarettenkippen ein. Die Gruppe um den Initiator Frank Gugenberger besteht aus Anwohnerinnen und Anwohnern aus dem Stuttgarter Westen, die, wie sie selbst sagen, den Unrat auf den Straßen in ihrem Stadtbezirk schlicht nicht mehr sehen konnten. Noch die ganze Woche will „Schön hier! Oder?“ mit einem Infostand für das Thema sensibilisieren und mit den Menschen ins Gespräch kommen.

Stadt lässt Bismarckplatz regelmäßig reinigen Frank Gugenberger hat „Schön hier! Oder?“ auf den Weg gebracht, Carmen Probst und Katharina Miller (rechts) sind seine Mitstreiterinnen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Auch aus Sicht der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), einem Eigenbetrieb der Stadt, gehört der Bismarckplatz „zu den besonders herausgeforderten Bereichen im Stadtgebiet.“ Warum das so ist? „Die Kombination aus hoher Aufenthaltsqualität, Gastronomie und regelmäßigem Marktgeschehen führt dort zu einem deutlich erhöhten Müllaufkommen“, sagt eine Sprecherin. Und seit der Sperrung des unteren Teils der Bismarckstraße habe sich der Bismarckplatz „zunehmend zu einem Verweilort entwickelt – mit spürbaren Folgen für die Sauberkeit“. Zweimal die Woche wird der Platz von den AWS-Mitarbeitern gereinigt. Das Ziel sei, „eine möglichst hohe Sauberkeit aufrechtzuerhalten – trotz der hohen Frequentierung“.

Stadt Stuttgart: Mülleimer gibt es auf dem Bismarckplatz genug

Acht feste Mülleimer gebe es rund um den Bismarckplatz, sagt die Sprecherin, dazu kommen die beiden orangefarbenen 240-Liter-Tonnen, die im gesperrten Teil der Bismarckstraße aufgestellt wurden. Aus Sicht der Stadt stehen damit genug Entsorgungsmöglichkeiten zur Verfügung. Somit sei auch jede und jeder Einzelne gefragt: „Entscheidend ist nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Verhalten der Besucherinnen und Besucher.“ Zum Beispiel: Statt den leeren Kaffeebecher neben die volle Tonne zu stellen, kann man ihn auch zum nächsten Mülleimer tragen, in dem noch Platz ist. Oder noch besser: Mehrweg benutzen. So sieht es auch Frank Gugenberger, der „gegenseitiges Fingerpointing“ vermeiden will und hofft, mit der Aktion mehr Bewusstsein auch für das Thema Müllvermeidung zu schaffen.

Die Gastronomen rund um den Bismarckplatz sagen, dass sie für Mehrwegsysteme offen sind. Die müssten aber auch angenommen werden. Vincenzo Napoli, Wirt des italienischen Restaurants Piloni im Eckhaus zwischen Bismarck- und Vogelsangstraße, erzählt, er habe solche Mehrwegverpackungen im Haus, „aber sie werden von den Kunden praktisch nicht nachgefragt“. Angelo Carbone vom Eiscafé Fragola überlegt indes, ein Pfandsystem für seine Eisbecher einzuführen. „Wir haben kaum Take-away-Geschäft“, sagt Yilmaz Yogurtcu von der Metzgerei am anderen Ende des Bismarckplatzes, „aber wenn, dann geben wir Verpackungen aus Zuckerrohr mit.“ Die sind kompostierbar.

Dass Dreck noch mehr Dreck anzieht, weiß man, seit es die „Broken Windows“-Theorie gibt. Bei der Abfallwirtschaft freut man sich deshalb über das Engagement von Gruppen wie „Schön hier! Oder?“. Die Aktion „Sauberhafter Bismarckplatz“ sei „eine wertvolle Ergänzung und Verstärkung unserer Arbeit“. Besonders gut findet man bei dem städtischen Eigenbetrieb, dass Aktionen wie die am Bismarckplatz „das öffentliche Problembewusstsein steigern und einen Dialog fördern, der zu mehr langfristiger Sauberkeit beiträgt“. Das könne helfen, „das Stadtbild in Stuttgart nachhaltig zu verbessern“.