Der zur Finanzierung des Rentensystems von Experten vorgeschlagene „Boomer-Soli“ stößt weiter auf geteilte Meinungen. Der Rentenexperte Bert Rürup hält die Sonderabgabe auf Alterseinkünfte für Rentner mit höherem Einkommen für einen „Irrweg“.

„Der ,Boomer-Soli’ des DIW ist sicher gut gemeint, aber bekanntlich ist auch gut gemeint das Gegenteil von gut“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler und langjährige Politikberater dem Tagesspiegel. Das Problem immer höherer Beitragsätze und steigender Bundeszuschüsse sieht er zwar auch. Eine Umverteilung innerhalb der älteren Generation lehnt er allerdings ab – auch wenn damit niedrige Renten aufgestockt werden sollen. 

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Rürup war Vorsitzender der Wirtschaftsweisen sowie der „Rürup-Kommission”, die im Auftrag der Bundesregierung Reformvorschläge für die langfristige Sicherung der deutschen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erarbeitet hatte. Nach ihm ist die „Rürup-Rente“ benannt, ein 2005 eingeführtes Modell der privaten Altersvorsorge speziell für Selbstständige.

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„Hätte man das Geld, das man aus der Rentenkasse entnommenen hat, am Kapitalmarkt angelegt, wären allein durch die Zins- und Dividendeneinnahmen mittlerweile jedes Jahr ein paar Milliarden mehr für die Rentner da.“ Diskutieren Sie über folgenden Link mit PatJun

„Eine geringe gesetzliche Rente ist noch kein valides Kriterium für eine bestehende Altersarmut“, sagt Rürup und fügt hinzu: „Zudem werden mit dieser vorgeschlagenen Sonderabgabe auch die Bemühungen für eine private und betriebliche Zusatzvorsorge ein Stück weit diskreditiert.“ Er plädiert stattdessen dafür, den 2021 eingeführten Grundrentenzuschlag für langjährig Versicherte weiterzuentwickeln.

Der Boomer-Soli würde die Altersvorsorgeplanung derjenigen Menschen ad absurdum führen, die im Vertrauen auf die gesetzliche Rente jahrzehntelang eingezahlt und zusätzlich vorgesorgt haben.

Jochen Pimpertz, Rentenexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)

Den Grundrentenzuschlag erhalten Rentnerinnen und Rentner, die mindestens 33 Jahre Versicherungsjahre vorweisen können, etwa aus ihrer Berufstätigkeit, Kindererziehung oder Pflege, und gleichzeitig unterdurchschnittlich verdient haben. Das heißt, dass das durchschnittliche Einkommen während des Erwerbslebens nicht höher als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten sein darf. Das wären aktuell maximal rund 3000 Euro brutto pro Monat.

Auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund sowie dem arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) lehnte man den Vorschlag ab. „Der Boomer-Soli würde die Altersvorsorgeplanung derjenigen Menschen ad absurdum führen, die im Vertrauen auf die gesetzliche Rente jahrzehntelang eingezahlt und zusätzlich vorgesorgt haben“, sagte IW-Rentenexperte Jochen Pimpertz dem Tagesspiegel. Das aber beträfe das Gros der Beitragszahler. Die Umverteilung innerhalb einer Generation kann das Problem zwischen den Generationen aus seiner Sicht nicht lösen. 

Zuspruch kam dagegen von der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen. „Die Rentenlast der Babyboomer kann nicht allein der immer kleineren Zahl von jungen Beitragszahlern aufgebürdet werden, die Babyboomer-Generation selbst muss einen Beitrag dazu leisten“, sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Sachverständigenrat Wirtschaft hatte vor Jahren in seinem Rentengutachten einen ähnlichen Vorschlag gemacht.

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie vorgeschlagen, durch eine Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte die durch den Eintritt geburtenstarker Jahrgänge in den Ruhestand strapazierten Rentenkassen zu entlasten. Dabei würde vor allem das oberste Einkommensfünftel belastet werden. Jüngere Menschen sollen dabei außen vor bleiben. Die Union lehnt den Vorschlag ab, ebenso wie die AfD. In der SPD äußerte man sich bisher nicht dazu.