Essen. Fünfeinhalb Jahre nach dem Brexit nähert die Insel wieder dem Festland an. Es ist auch ein Signal gegen Nationalismus und Populismus

Vor fünfeinhalb Jahren erschütterte der Brexit das Selbstverständnis der Europäischen Union. Erstmals seit Gründung der EU trat ein Mitgliedsstaat aus der Union aus. Mit Großbritannien war es ein wirtschaftliches Schwergewicht, das allerdings immer ein sperriger Partner war. Beschlossen wurde der Brexit im Jahr 2016 mit einem Referendum, dessen denkbar knapper Ausgang von fadenscheinigen Versprechungen europafeindlicher Populisten beeinflusst wurde.

Heute sind geschätzt drei Millionen der meist älteren Befürworter des Brexit tot und müssen nicht mehr mit den Folgen ihres Votums leben, das der Insel wenig Segen gebracht hat. Der Handel mit den EU-Staaten ist zurückgegangen, die Verbraucherpreise sind gestiegen, der geopolitische Einfluss hat abgenommen. Eine Mehrheit der Briten bereut den Brexit.

Aber Großbritannien rückt wieder näher an die EU heran. Im Ukraine-Konflikt haben sich die Briten als wichtiger Unterstützer Kiews profiliert. Im Mai unterzeichneten London und Brüssel ein Abkommen, mit dem eine engere Zusammenarbeit bei der Sicherheit sowie der Abbau von Handelshürden erreicht werden soll. Und jetzt haben Bundeskanzler Merz und Premierminister Starmer einen bilateralen Freundschaftsvertrag unterzeichnet, mit dem die deutsch-britischen Beziehungen vertieft werden.

London scheint erkannt zu haben: Auf die transatlantische Partnerschaft mit den USA kann man nicht mehr zählen. Die Insel braucht das europäische Festland. Das Festland braucht die Insel. Vielleicht war der Brexit-Schock im Nachhinein doch ein heilsamer, hat er doch gezeigt: In einer globalisierten Welt sind von Vertrauen und enger Verzahnung geprägte Bündnisse überlebensnotwendig. Nationalismus und Populismus hingegen führen in die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Sackgasse.