Stuttgart. Dann Deutschland keine Großprojekte mehr? Wenn an Stuttgart 21, so Gott will, endlich 2026 oder 2027 ein Knoten dran ist, wäre zumindest der Dreiklang endlos verzögerter Großprojekte in Deutschland abgeschlossen: Der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) ist in Betrieb, die Elbphilharmonie in Hamburg strahlt als kulturelle Kathedrale über die Hansestadt hinaus. Und Stuttgart bekommt einen architektonisch ikonischen und im besten Fall digital funktionierenden Hauptbahnhof.
Man fragt sich dennoch, warum in unserem Land alles so lange dauert, die Kosten explodieren und die Zeitschiene völlig aus dem Ruder läuft. Bleiben wir bei der Bahn: Der Sanierungsrückstand seit der Ära von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der aus dem Schienenkonzern einen auf Teufel komm raus schlankgespartes Aktienunternehmen machen wollte, ist so gigantisch, dass man zehn Jahre braucht, dies wieder aufzuholen.
Den Stand zu Stuttgart 21 und wie es kam
Das Bahnchaos steht für Dysfunktionalität des Staates
Zehn Jahre Baustellen. Das Chaos im deutschen Schienennetz steht für die Dysfunktionalität des Staates, die der Bürger jeden Tag erlebt. Noch während über Stuttgart 21 gebrütet wird, ist diese Woche bei Frankfurt wieder der Bahnverkehr komplett zusammengebrochen, Reisende sind gestrandet und mussten übernachten. Es ist wohlfeil, immer die Schweiz als Beispiel anzuführen, weil dort die finanziellen Mittel noch einmal ganz andere sind.
Aber in der Alpenrepublik wird selbst ein Gotthard-Basistunnel im Zeit- und Kostenrahmen errichtet, die Infrastruktur und Fahrzeuge der Bahn werden regelmäßig gewartet, und Bahnfahren ist ein Vergnügen und kein Ärgernis. Wie bei uns leider. Im Ballungsraum Stuttgart ist das Dauerchaos weit mehr als das, es ist schlicht ein Skandal.
Die Glaskuppel von Stuttgart 21 wird eingeweiht
Die Schweiz ist das leuchtende Vorbild
Dass die Schweizer Bahngesellschaft SBB jetzt einen Nachtzug quer durch Deutschland bis Dänemark anbietet, zeigt die Absurdität auf: Die DB hat Nachtzüge abgeschafft, weil sie diese nicht rentabel bewirtschaften konnte. Noch so ein Tiefschlag: Die Schweiz lässt deutsche Züge teilweise nicht mehr einfahren, weil sie das wohlgeordnete Verkehrssystem aus dem Takt bringen. All dies ist inakzeptabel für eines der wohlhabendsten Staaten der Welt.
Die Stuttgarter Oper könnte der nächste Leuchtturm einer Endlosschleife werden. Die Kosten der Sanierung des Littmannbaus und der Interimsspielstätte werden auf zwei Milliarden Euro (!) steigen, Bauzeit 10 Jahre (!!). Auch hier rächt sich, dass man jahrzehntelang von der Substanz gezehrt hat. Dann wurden die Kosten wie in Deutschland üblich zunächst gnadenlos schön gerechnet, um sie dann scheibchenweise davon galoppieren zu lassen.
In Berlin hat diese Woche eine Kommission einen Bericht „Handlungsfähiger Staat“ an den Bundespräsidenten übergeben. Genau hier wäre anzusetzen.