Die Dauerausstellungen der Leipziger Museen sind inzwischen kostenlos beim Eintritt. Das lockt viele Leipziger in die Häuser, die sonst zögern würden. Aber wie ist das mit den Städtischen Bibliotheken? Da müsste es doch den gleichen Effekt haben. Sogar eine doppelten, weil die Leute dann mehr Bücher lesen würden, fand die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat und fragte nach. Aber ganz so simpel ist es nicht, antwortete nun die Stadtbibliothek.

„Bibliotheken sind zentrale Bildungs- und Kultureinrichtungen, die allen Bürger/-innen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation Zugang zu Wissen, Information und kultureller Teilhabe ermöglichen sollten. Gebühren stellen jedoch für viele Menschen eine Zugangshürde dar. Aus diesem Grund verzichten einige deutsche Städte schon jetzt auf eine Anmeldegebühr. In Leipzig können Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 19. Lebensjahr die Bibliotheken kostenfrei nutzen“, formulierten die Grünen den Grund ihrer Anfrage.

„Die Einführung eines für alle kostenfreien Zugangs zu den Städtischen Bibliotheken Leipzigs würde die Bildungsgerechtigkeit fördern, soziale Teilhabe stärken und die Attraktivität der Bibliotheken als öffentliche Orte des Lernens und der Begegnung erhöhen. Durch eine langfristige Planung mit Umsetzung ab 2027 kann die Stadt Leipzig die notwendigen Haushaltsmittel einplanen und ein nachhaltiges Konzept entwickeln.“

Schon da wird es schwierig. Denn schon jetzt ist absehbar, dass auch der Doppelhaushalt der Jahre 2027/2028 ein Haushalt mit Hängen und Würgen sein wird. Die Stadt wird es gegenüber der Landesdirektion nicht begründen können, dass sie in einem eh schon überreizten Haushalt weitere Gelder loseist.

Um wie viel Geld geht es?

Es geht nicht um wenig Geld, wie die Stadtbibliothek vorrechnet: „Im Doppelhaushalt 2025/26 sind als Einnahmen für die Nutzung der Bibliotheken insgesamt € 784.500 (100 %) pro Jahr geplant. Auf die Jahresnutzungsgebühren entfallen davon € 440.000 (56 %), auf die Mahngebühren € 266.000 (34 %) und auf sonstige Gebühren € 78.500 (10 %). In den vergangenen Jahren wurden 60 T€ (2023) bzw. 100 T€ (2024) mehr eingenommen als im Budget geplant. Diese Mehreinnahmen standen dem Budget der LSB aber nur teilweise zur Verfügung. Durch eine stetig zunehmende Bibliotheksnutzung sind die Mehreinnahmen aus den Jahresnutzungsgebühren von Jahr zu Jahr um ca. 3 % gestiegen.

Durch die Beitragsfreiheit von Personen bis zum Alter von 19 Jahren können derzeit 46 % aller Nutzenden Bücher und andere Medien gebührenfrei in den Leipziger Städtischen Bibliotheken ausleihen. Der Zugang zu den Bibliotheken, die Nutzung von Medien und Informationsdiensten und Veranstaltungen in den Bibliotheken vor Ort ist sogar für Personen aller Altersgruppen kostenfrei. Gebühren fallen nur für die Entleihung von Medien nach Hause oder die Nutzung von Online-Diensten an.“

Tatsächlich müssten Leipzigs Bibliotheken ihre Gebühren sogar erhöhen, wenn sie ihren Leistungsumfang beibehalten wollen.

„In den vergangenen Haushaltsrunden konnten die Bibliotheken bei stetig steigenden faktischen Kosten keine Planerhöhungen für bibliotheksspezifische Kosten (Medien, dezentrale IT, etc.) anmelden. Angepasst wurden die Mittel jedoch für die Unterhaltsreinigung und Bewachung. Einsparvorgaben im Rahmen der Haushaltskonsolidierung sind derzeit nur über Gebührenerhöhungen zu kompensieren, um Leistungseinschränkungen zu vermeiden“, geht die Stadtbibliothek auf die finanzielle Zwickmühle ein.

„Eine hochqualitative und flächendeckende Bibliotheksarbeit kann in Zeiten sinkender Zuschüsse nur erhalten werden, wenn diese über steigende Einnahmen ausgeglichen werden können. Können Gebühren nicht mehr der allgemeinen Preissteigerung angepasst werden, führt das von Jahr zu Jahr zu effektiv sinkenden verfügbaren Mitteln für die Bibliotheksarbeit. Die LSB planen im zweiten Halbjahr, eine geänderte Gebührensatzung mit erhöhten Gebühren vorzulegen.“

Keine Spielräume im städtischen Haushalt

Sollte die Stadtbibliothek ganz auf Gebühren verzichten, würde das heftige Löcher reißen, die aus dem städtischen Etat beglichen werden müssten. Wozu aber die Stadt in den nächsten Jahren kaum in der Lage sein dürfte.

„Mit Wegfall der Jahresnutzungsgebühren würden im Budget der LSB ab 2027 jährlich € 440.000 zzgl. 3 % Dynamisierung p. a. fehlen (2027: € 453.000; 2028: € 466.500). Der städtische Zuschussbedarf würde um diesen Betrag steigen. Entfielen darüber hinaus alle Gebühren, also auch z.B. die Mahngebühren, erhöhte sich der jährliche Fehlbetrag auf € 784.500 zzgl. 3 % Dynamisierung p. a. (2027: € 808.035; 2028: € 832.267).“

Aber so ein wenig hatten die Grünen diese Finanzklemme auch im Hinterkopf und fragten auch nach möglichen Kompensationen für den doch beträchtlichen Einnahmeausfall.

Aber die Städtischen Bibliotheken haben keinen Spielraum: „Innerhalb des Budgets der LSB ist keine Kompensation der entfallenden Einnahmen denkbar, die den bisher bekannten Bibliotheksbetrieb auch nur annähernd aufrechterhalten könnte.“

Nutzerzahlen würden nicht wirklich steigen

Und auch die schöne Hoffnung, durch Wegfall der Gebühren würden die Nutzerzahlen dauerhaft steigen, hat wohl wenig mit der Realität zu tun.

„Es ist zu erwarten, dass mit dem Wegfall der Jahresnutzungsgebühren und dem damit verbundenen Neuigkeitseffekt die Zahl der angemeldeten Nutzenden kurzfristig um ca. 10–15 % ansteigt. Diese Schätzung beruht auf den Erfahrungen der Stadtbibliotheken Wiesbaden, die 2022 die Gebühren abgeschafft haben“, erklärt die Stadtbibliothek in ihrer Antwort.

Doch dann kommt das große Aber: „Die Entleihungszahlen hingegen sind dort nicht dauerhaft signifikant gestiegen. Das legt den Schluss nah, dass eine hohe Nutzung der Bibliothek weniger durch Kostenfreiheit als durch ein qualitativ hochwertiges Angebot verursacht wird, das sowohl die Versorgung mit aktuellen Medien als auch die Instandhaltung und Erneuerung von Ausstattung und Technik umfasst.

Die Stadtbibliothek Nürnberg hatte 2013 ihre Gebühren abgeschafft und musste sie aus Haushaltsgründen 2017 wieder einführen. Die Wiedereinführung war mit erheblichen organisatorischen Mehrbelastungen verbunden, und der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln. Nur ein nachhaltiger und auf Dauer vollständig kompensierter Wegfall der Gebühren wäre für die Arbeit der Bibliotheken zu verkraften.“

Doch genau hier sieht auch die Stadt eine unüberwindbare Hürde durch die mehr als nur angespannte Haushaltssituation der Kommune: „Ein nachhaltiger und auf Dauer vollständig kompensierter Wegfall kann aufgrund der aktuellen Haushaltslage i.V.m. mit den Leitlinien des Haushaltsstrukturkonzeptes nicht angestrebt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt steht die Genehmigung des Doppelhaushaltes 2025/2026 durch die Landesdirektion noch aus, mögliche Auflagen können ebenfalls noch nicht in Gänze abgeschätzt werden. Die finanzielle Lage der Stadt Leipzig ließe eine Umsetzung dessen auf absehbare Zeit somit nicht zu.“

Es wäre ein nur zu berechtigter Wunsch, wenn mehr Leipzigerinnen und Leipziger gute Bücher lesen würden. Aber mit einer Aufhebung der Gebühren würde man das wohl nicht erreichen, wie die Erfahrungen aus Wiesbaden zeigen. Und Spielräume im Haushalt hat Leipzig derzeit überhaupt keine. Im Gegenteil: Jeder Euro, der eingespart werden kann, wird zusammengekratzt, während die Stadt unter ihren vom Bund zugewiesenen Pflichtaufgaben ächzt, ohne dass sich eine Entspannung abzeichnet.