Zurück ins Taliban-RegimeDeutschland schiebt 81 Straftäter nach Afghanistan ab
Am Morgen ist ein Flieger mit 81 Menschen an Bord von Leipzig aus Richtung Kabul gestartet.
Jan Woitas/dpa
18. Juli 2025 um 19:32 Uhr
Sexualdelikte, Mord, Drogen.
81 Männer wurden jetzt abgeschoben. Zurück in ein Land, das Deutschland offiziell nicht einmal anerkennt. Doch wie funktioniert das überhaupt? Und warum wird gerade jetzt abgeschoben?
Charterflug mit Straftätern – und Fußfesseln
In der Nacht auf Freitag hat die Bundesregierung 81 afghanische Straftäter abgeschoben. Sie wurden mit Bussen zum Flughafen Leipzig gebracht, teilweise mit Fußfesseln, unter massivem Polizeischutz. Ziel: Kabul. Die Hauptstadt eines Landes, das seit 2021 von den Taliban regiert wird.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nennt es ein „klares Zeichen”. Es seien ausschließlich „schwere und schwerste Straftäter”, darunter Männer mit Verurteilungen wegen Sexualdelikten, Totschlag, schwerer Körperverletzung, Drogen- und Eigentumsdelikten.
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Abschiebungen nach Afghanistan – trotz Taliban-Regime
Afghanistan gilt seit der Machtübernahme der Taliban als völkerrechtlich heikles Terrain. Deutschland hat keine diplomatischen Beziehungen zu den Machthabern und erkennt deren Regierungen offiziell nicht an. Trotzdem gibt es seit vergangenem Jahr Rückführungen – möglich durch ein stilles Abkommen mit Katar.
Das Emirat vermittelt im Hintergrund: Die Taliban dürfen die abgeschobenen Männer aufnehmen ohne dass Deutschland sie offiziell anerkannt hat. Der aktuelle Flug wurde laut Regierung „in enger Abstimmung mit Katar” organisiert – mit einer Maschine von Qatar Airways.
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Timing auffällig – ein Zufall?
Der Abschiebeflug sorgt nicht nur wegen des Ziels für Aufsehen, sondern auch wegen des Zeitpunkts. Am selben Tag hält Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seine erste große Regierungserklärung, Innenminister Dobrindt trifft sich auf der Zugspitze mit EU-Kollegen zu Gesprächen über Asylverschärfungen.
Zufall? Dobrindt winkt ab: „Man kann solche Termine nicht direkt planen.” Die Entscheidung für den Flug sei bereits vor Wochen gefallen. Trotzdem: Bereits der erste Abschiebeflug im August 2024 fand nur zwei Tage vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland statt.
Kritik von Menschenrechtlern
Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl schlagen Alarm: „Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht”, heißt es. Hinrichtungen, Auspeitschungen, eine katastrophale humanitäre Lage – die Taliban herrschen mit harter Hand.
Auch die UN stufen Rückführungen nach Afghanistan weiter kritisch ein. Aber: Aus Regierungskreisen wiederum heißt es, es gebe keine Hinweise, dass den abgeschobenen Männern Folter drohe.
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Tausend Euro für den Neustart wie beim letzten Mal?
Unklar ist, ob die Männer dieses Mal wieder sogenanntes „Handgeld” erhalten haben. Bei der letzten Rückführung im August 2024 hatte Ex-Innenministerin Faeser (SPD) bestätigt, dass es 1.000 Euro pro Person für den Neustart gegeben habe.
Aktuell schieben vor allem Nachbarländer Afghanistans wie Irak und Pakistan regelmäßig ab, oft über den Landweg. Auch die Türkei führt Abschiebungen durch. Deutschland zieht nun mit. Die politische Botschaft ist klar: Wer hier Straftaten begeht, hat kein Bleiberecht – auch nicht bei unsicherer Lage im Herkunftsland. (kra, mit dpa)