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Neuer Ölpreisdeckel, Transaktionssperre für Nord-Stream-Pipelines – und die Slowakei ist mit an Bord: Das bringt das neue EU-Sanktionspaket gegen Russland.
Brüssel – Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar 2022 hat die EU immer neue Sanktionen gegen den Kreml und den russischen Präsidenten Wladimir Putin verhängt. Dazu gehörten im ersten Jahr unter anderem Maßnahmen gegen einzelne Personen, etwa Oligarchen. Aber auch die Schließung des EU-Luftraums für russischen Flugverkehr, Exportbeschränkungen für europäische Güter oder ein Einfuhrverbot für Rohöl und raffinierte Erdölerzeugnisse aus Russland. 17 Mal passte die EU die Sanktionen seitdem an, am 18. Juli veröffentlichte der Europäische Rat nun das 18. Sanktionspaket.
EU-Kommission: „Jede Sanktion schwächt Russlands Fähigkeit, Krieg zu führen“
Unter anderem soll der Preisdeckel für Öl aus Russland angepasst und von 60 auf 47,60 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass) gesenkt werden. Unternehmen, die russisches Öl zu einem Preis oberhalb dieser Grenze transportieren, sollen sanktioniert werden. Betroffen wären nicht nur Reedereien, sondern auch Versicherungen und andere Unternehmen, die beim Transport von Öl beteiligt sind: technische Hilfsunternehmen sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste. Ebenfalls auf der Sanktionsliste: eine komplette Transaktionssperre der Pipeline Nord Stream 1 und 2.
„Die EU hat gerade das stärkste Sanktionspaket gegen Russland genehmigt, das bisher umgesetzt wurde“, sagte Kaja Kallas, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. „Jede Sanktion schwächt Russlands Fähigkeit, Krieg zu führen.“
China und Co. importieren weiter aus Russland: „Daran ändert auch das neue Sanktionspaket nur wenig.“
Trotz westlicher Sanktionen stiegen die Exporte Russlands im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf 330 Milliarden US-Dollar. „Putins Kriegskasse bleibt gut gefüllt“, schrieb Simon Gerards Iglesias vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln in einem Bericht im Juni.
Ein Problem, dass die EU nicht kontrollieren kann: dass Länder wie China, Indien, Türkei und Brasilien ihre Importe aus Russland seit Beginn des Krieges stark ausgebaut haben. „China ist mit 130 Milliarden US-Dollar der mit Abstand wichtigste Importeur russischer Waren, gefolgt von Indien, das vor dem Krieg nur an zwölfter Stelle der wichtigsten Handelspartner Russlands stand“, so Iglesias im Juni. „Zum Vergleich: Vor dem Krieg importierte Deutschland Waren im Wert von 27 Milliarden Euro aus Russland. Ohne den Ölpreisdeckel wären diese Einnahmen noch höher. Dies zeigt aber auch, dass die Maßnahmen bislang ihre Wirkung verfehlt haben.“
Ob die neuen Sanktionen daran etwas ändern? Daran hat der Experte auf Anfrage vom Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA Zweifel: „Auch weiterhin werden viele Länder russisches Öl und Gas kaufen, allen voran China und Indien. Daran ändert auch das neue Sanktionspaket nur wenig. Der Ölpreisdeckel wird erst dann zu einer scharfen Waffe gegen den Kreml, wenn er niedrig genug angesetzt ist, damit ein höherer Konsum aus Indien und China den niedrigeren Preis nicht überkompensiert.“
Slowakeis Extra-Wurst lässt sich „durch die politische Nähe zum Kreml“ erklären
Wie effektiv die neue Preisgrenze beim Öl ist, müsse sich zeigen: „Jetzt wird ein dynamischer Mechanismus eingeführt, der den Preisdeckel alle sechs Monate neu setzen soll, und zwar 15 Prozent unter den durchschnittlichen Marktpreis. Dies würde momentan einen Deckel von knapp 50 Dollar bedeuten“, sagt Iglesias. „Fakt ist aber auch, dass dieser Deckel durch seine Dynamik bei steigenden Weltmarktpreisen ansteigen kann – vor allem, wenn es nicht gelingt, die Schattenflotte zu bekämpfen. Und die USA machen diesmal nicht einmal mit.“ Bei der russischen Schattenflotte handelt es sich um hunderte von Schiffen, die von Russland betrieben werden und den Sanktionen entgehen.
Nur wenn sich alle Marktteilnehmer an den Ölpreisdeckel hielten, sei dieser auch wirksam. Das gelte insbesondere auch für Unternehmen aus Drittstaaten. „Zumal man dadurch auch Wettbewerbsgleichheit zwischen europäischen und nicht europäischen Unternehmen herstellt. Ich betrachte diesen Schritt daher schon als sinnvoll.“
Ein anderes Detail des Sanktionspakets sei hingegen fraglich, so Iglesias: die Zusage an die Slowakei, dass sie wirtschaftliche und finanzielle Rückschläge nicht fürchten müsse. Neben Ungarn und Italien war die Slowakei bislang eines der EU-Länder, die noch relativ viel mit Russland gehandelt haben. „Vor allem Gas, Öl und erdölverarbeitete Produkte wurden importiert. Ich finde es politisch nicht wirklich nachvollziehbar, warum die Slowakei von eventuellen Rückschlägen kompensiert werden müsste, zumal die gesamte EU, allen voran Deutschland, ebenfalls Auswirkungen der Sanktionen zu spüren bekam“, so Iglesias. „Die monatelange Blockade durch die Slowakei und die anschließende Sonderbehandlung lassen sich meiner Ansicht nach eher durch die politische Nähe zum Kreml erklären.“