Zehn Jahre nach dem legendären Merkel-Satz „Wir schaffen das“ hat Bundeskanzler Friedrich Merz die Asylpolitik der Vorgänger-Regierungen kritisiert und sich erneut für einen deutlich härteren Kurs ausgesprochen. Heute wisse man, dass Deutschland es offenkundig „nicht geschafft“ habe, sagte der CDU-Politiker am Freitag in der Bundespressekonferenz in Berlin und machte deutlich, dass er das Land beim Thema Migration für überfordert halte. Zuvor hatte die schwarz-rote Bundesregierung zum zweiten Mal seit der Machtübernahme durch die Taliban afghanische Staatsangehörige nach Kabul abgeschoben. Der Start eines Flugzeugs mit 81 Menschen an Bord lag symbolträchtig vor der Eröffnung des EU-Asylgipfels auf der Zugspitze durch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).
Angela Merkel (CDU) hatte sich als damalige Kanzlerin im August 2015 an gleicher Stelle bei der traditionellen Sommerpresskonferenz zuversichtlich gezeigt, dass die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Flüchtlingswelle zu bewältigen seien. Merz hingegen bekannte sich zwar zu dem Ziel, „dass Deutschland ein attraktives Einwanderungsland sein und bleiben muss“. Gleichzeitig gelte aber auch, „dass wir unsere Städte und Gemeinden, unsere Gesellschaft insgesamt mit irregulärer Migration nicht weiter überfordern dürfen“.
Merz spricht von „Korrekturen“: Straftäter werden nach Afghanistan abgeschoben
Seine Regierung habe deswegen „Korrekturen auf den Weg gebracht, hin zu einer humanitären und zugleich geordneten Migrationspolitik, indem wir Migration besser steuern“. Zu diesen Korrekturen zählen offenbar Abschiebeflüge nach Afghanistan. Bereits die Vorgängerregierung hatte einen solchen Flug auf den Weg gebracht. Diesmal flog erneut eine Maschine mit afghanischen Straftätern an Bord von Leipzig nach Kabul.
Flüchtlingsorganisationen protestierten scharf. „Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Taliban herrschen dort mit brutaler Gewalt wie Auspeitschungen und Hinrichtungen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln“, erklärte etwa die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith.
Sollte die Bundesregierung überhaupt Kontakt mit den Taliban aufnehmen?
Hinter der Abschiebung steht die Frage, ob und in welcher Form die Bundesregierung überhaupt Kontakt mit dem Taliban-Regime aufnehmen sollte. Pro Asyl und andere sind der Meinung, dass es angesichts des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die Führung der Taliban keinerlei diplomatische Beziehungen geben dürfe. Merz sagte dazu, die Regierung in Kabul werde nicht anerkannt. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Afghanistan und Deutschland seien aber nie abgebrochen worden. Kontakte laufen beispielsweise über Büros in Drittstaaten. Mit Blick auf den Abschiebeflug dankte der Kanzler ausdrücklich Katar, das „eine wichtige Rolle“ gespielt habe.
Merz bekräftigte, dass die derzeitigen Kontrollen an der Grenze zu Polen und anderen Nachbarstaaten nur eine Übergangslösung seien. Die Maßnahmen seien aber notwendig, „solange es nicht in Europa einen besseren Schutz der Außengrenzen gibt.“
Um auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen, sprach Dobrindt mit den Amtskollegen der Nachbarländer Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien über eine Verschärfung der europäischen Migrationspolitik. Die fünfseitige Abschlusserklärung mit dem Titel „Gemeinsam illegale Migration wirksam reduzieren“ bleibt in den Details vage. Deutlich wird allerdings der Wunsch, „strategische Partnerschaften mit Drittstaaten“ aufzubauen. Dahinter steckt auch der Plan, Flüchtlinge notfalls in Nachbarstaaten ihrer eigentlichen Herkunftsländer abzuschieben, wenn diese sie nicht aufnehmen wollen.
Grüne werfen Koalition gefährliche Symbolpolitik auf Kosten der EU vor
Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, mit zunehmenden Alleingängen in der Asylpolitik eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der EU zu gefährden. „Die Bundesregierung verzettelt sich wie schon bei den Grenzkontrollen in Symbolpolitik, statt endlich die europäische Asylreform umzusetzen, die längst auf EU-Ebene beschlossen ist“, sagte die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner unserer Redaktion. „Die Umsetzung der EU-Asylreform hätte Teil des 70-Tage-Programms der Bundesregierung sein müssen“, betonte sie. „Dass hier in Deutschland nichts vorangeht, schwächt ganz Europa“, warnte Brantner.
„Der riesige Aufwand für die stationären Grenzkontrollen – die mehr und mehr drohen zu Grenzblockaden zu werden – mit Millionen Überstunden für die Grenzpolizei ist völlig unverhältnismäßig“, kritisierte die Grünen-Chefin. „Statt für zuverlässige Kontrollen und Registrierung an den EU-Außengrenzen zu sorgen und diese durch mobile und intelligente Kontrollen hierzulande zu ergänzen, sorgen Kanzler Merz und sein Innenminister Dobrindt für Chaos“, kritisierte die Grünen-Politikerin. „Ihr Alleingang stößt nicht nur unsere EU-Partner vor den Kopf, sondern führt auch zu kilometerlangen Staus, verärgerten Pendlern, einer blockierten Wirtschaft und zur Überlastung der Polizei“, betonte sie.
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Stefan Lange
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