Potsdam. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 offenbar mehrfach nach Moskau gereist. Laut gemeinsamen Recherchen von Spiegel, Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung (FAS) und der russischen Oppositionsplattform The Insider handelt es sich um mindestens neun Reisen.
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Grundlage der Berichte sind Auszüge aus russischen Ein- und Ausreiseregistern sowie Flugbuchungen. Auch zwei europäische Nachrichtendienste sollen die Reisen bestätigt haben. Die bislang letzte Reise datiert demnach auf März 2025.
Platzeck soll unter anderem auch Kontakt zur Russischen Akademie der Wissenschaften und deren Europa-Direktor Alexej Gromyko pflegen – einem Wissenschaftler, dem Nachrichtendienste eine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin zuschreiben. Zwei der Moskau-Reisen soll Platzeck gemeinsam mit dem früheren Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) unternommen haben.
Platzeck äußer sich nicht zu den Vorwürfen
Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen lehnte Platzeck gegenüber dem Spiegel ab. „Sie erwarten also wohl nicht im Ernst, dass ich zu meinem Privatleben irgendetwas bestätige, dementiere oder sonst wie anmerke“, teilte er auf Anfrage dem Nachrichtenmagazin mit. Seit seinem Rückzug aus der aktiven Politik im Jahr 2013 betrachtet er sich als Privatperson.
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Politiker räumen Reisen nach Baku ein
Bereits im Mai hatten Platzeck, Pofalla und der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner eingeräumt, an vertraulichen Gesprächen mit russischen Vertretern in Baku teilgenommen zu haben. Bei den Gesprächen sollen auch Gromyko sowie Gazprom-Aufsichtsratschef Viktor Subkow dabei gewesen sein. Belege dafür gibt es aber offenbar nicht. Platzeck hatte im Mai dazu lediglich mitgeteilt, er habe in den vergangenen Jahren nie Gespräche zu den Themen Energie- oder Gaswirtschaft geführt.
Die Treffen seien auf privater Ebene und ohne offiziellen politischen Auftrag erfolgt, betonten die Beteiligten. Weder Platzeck noch Pofalla gaben an, über Mandate verfügt zu haben.
Fassungslosigkeit nach Kriegsbeginn
Platzeck leitete in der Vergangenheit das Deutsch-Russische Forum, zog sich jedoch nach dem Beginn des Kriegs im Frühjahr 2022 daraus zurück. In einer ersten Reaktion damals zeigte er sich „fassungslos und erschüttert“.
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In späteren öffentlichen Äußerungen sprach sich Platzeck jedoch mehrfach für Gespräche mit Russland aus. „Wir werden es tun müssen“, sagte er im Herbst 2024 in der ARD-Sendung Maischberger. Er verwies dabei auch auf die Sorgen vieler Menschen in Deutschland vor einer möglichen Eskalation oder Ausweitung des Kriegs. Der Kontakt zu russischen Gesprächspartnern scheint laut den Recherchen bis heute nicht abgerissen zu sein.
MAZ