Die Rehabilitation für psychisch kranke Erwachsene (RPK) führte zuletzt ein Schattendasein, dabei ist sie unvergleichlich aufgestellt.
Königslutter. Ebenso wie die Lavie Reha in Gänze, so begeht auch die Abteilung RPK dieser Tage ein schönes Jubiläum. Doch obwohl die Rehabilitation für psychisch erkrankte Erwachsene seit 30 Jahren zu den Kernaufgaben der Königslutteraner Einrichtung gehört, führt sie mittlerweile ein etwas unterbewertetes Dasein. „Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit hat sich zuletzt stark gewandelt“, sagt Corinna Wollenhaupt, die Lavie-Geschäftsführerin. „Man sieht uns heute in erster Linie als Anlaufstelle für junge Menschen.“
Das bedauert auch Sandra Bayer. Die Psychologin und stellvertretende Leitung in der Abteilung RPK arbeitet mit einem multiprofessionellen Team, das mit 15 Personen stark aufgestellt ist: Fachärztinnen für Psychiatrie, Psychologen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, betriebliche Fachanleiter aus verschiedenen Gewerken, Physiotherapeuten und Ernährungsberater werden punktuell unterstützt durch eine Kraft des Fachbereichs Berufliche Inklusion. Im stationären Bereich sind zudem und Gesundheits- und Krankenpfleger tätig. Sie alle kümmern sich um Menschen, die durch eine psychische Erkrankung aus der Bahn geworfen wurden – persönlich oder im Beruf.
Das kann durch ein großes Ereignis passieren oder durch einen schleichenden Prozess. „Es gibt Rehabilitanden, die haben vorher jahrelang still gelitten und sich irgendwie durchgehangelt, bis es nicht mehr ging“, sagt Sandra Bayer. „Das führte schließlich zu krankheitsbedingten Ausfällen im Berufsleben und in anderen Lebensbereichen.“
In solchen Fällen, die übrigens gerade in gesellschaftlichen Krisenzeiten stark zunehmen, greift in Deutschland zunächst die psychosomatische Reha. „Die läuft allerdings nur sechs Wochen“, schildert RPK-Mitarbeiter Felix Kerls. Wenn das nicht reicht, kommt Lavie ins Spiel, denn die medizinisch-berufliche Rehabilitation dauert bis zu anderthalb Jahre. „Unsere großen Vorteile sind die Zeit und die Möglichkeit zur Erprobung in geschützten Arbeitsbereichen“, erklärt der Psychologe. „Wir können uns viel intensiver mit den Menschen beschäftigen.“
Dabei geht es zunächst um eine gründliche Prüfung des Status Quo. „Wir helfen der Person zu klären, wo sie steht, welche Beeinträchtigungen und Belastungen vorliegen und wo es hingehen kann“, zählt Julia Deutsch auf. Sie arbeitet in der RPK als Diplom-Pädagogin in der Reha-Begleitung und hat schon eine Menge kennengelernt: „Depression, Antriebsschwierigkeiten, mangelndes Selbstwertgefühl und Ängste. Das alles ausgelöst zum Beispiel durch den Druck der Gesellschaft, fehlende Tagesstruktur oder Mobbing.“
Im weiteren Rehaverlauf will die RPK konstruktive Erfahrungen vermitteln. „Die RPK hat primäre das Ziel, die Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ist dieses Ziel nicht erreichbar, schauen wir nach Alternativen“, stellt Sandra Bayer klar. Bei Älteren sei es häufiger eine Rückkehr-Maßnahme, bei Jüngeren könne das auch eine erstmalige Orientierung sein. „Bei Lavie haben wir das Glück, eine Fülle von Angeboten zu haben.“ Das beinhalte für die ersten Schritte das Arbeiten im geschützten Bereich, anschließend gehe es in die Belastungserprobung bei externen Betrieben. „Wir sind in diesem Zusammenhang sehr dankbar für die Kooperation mit dem dm-Drogeriemarkt sowie dem Baufuchs in Königslutter“, betont sie.
Überhaupt sieht sie keineswegs nur Probleme bei der Rehabilitation für Erwachsene mit psychischen Erkrankungen. „Ich registriere zunehmendes Bewusstsein, zunehmende Offenheit in der Bevölkerung für psychische Erkrankungen.“ Auch der wachsende Fachkräftemangel führe dazu, dass jeder einzelne Mensch unabhängig von seinen Voraussetzungen noch wichtiger geworden sei. „Es geht heute viel mehr darum, wie können Menschen teilhaben und erwerbstätig sein, trotz einer psychischen Erkrankung?“
Wie wertvoll die Rehabilitationsmaßnahmen ihrer Abteilung sind, zeigt sich nicht zuletzt an der hohen Erfolgsquote der RPK. „Wir haben viele Ältere zurück ins Berufsleben gebracht, bis hin zur Festanstellung“, unterstreicht Felix Kerls. Und auch jüngere Rehabilitanden konnten in die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) bei Lavie oder sogar in einen Ausbildungsberuf vermittelt werden.
Dabei sind die vorhandenen 27 Plätze im Grunde ausgebucht. 21 von ihnen belegen tagesambulante Plätze: Sie reisen aus der ganzen Region (bis Goslar) an und nehmen die Angebote ambulant wahr. Weitere 6 Personen wohnen auf dem Gelände im Lavie-Internat. Sie alle durchlaufen ein Programm aus Arbeitsbereich, Ergotherapie, Einzelgesprächen, Bewegungsgruppe, sozialer Kompetenzgruppe und bei Bedarf weiteren Gruppen. Im Internat gibt es Freizeitangebote, aber nicht nur: „Es wird auch zusammen gekocht, und alle müssen sich an den erforderlichen Diensten beteiligen“, erklärt Julia Deutsch.
Da es in jedem Jahr eine gewisse Fluktuation gibt, lädt die RPK regelmäßig zu Info-Veranstaltungen ein. Am ersten Montag im Monat in der Lavie-Cafeteria, Fallersleber Straße 12 (15 Uhr). Dort ist keine Anmeldung erforderlich. Am zweiten Donnerstag im Monat in der Lavie-Außenstelle Rebenpark Braunschweig/Tagungsraum N1 (8.30 Uhr). Um Anmeldung wird dort gebeten unter 05353/9518-0 oder per Mail: RPK@Lavie-Reha.de
„Als Lavie und die RPK vor 30 Jahren gegründet wurden, schlossen sie eine wichtige Lücke“, betont Sandra Bayer. Das fand vor allem im medizinisch-therapeutischen Bereich statt, aber noch nicht über den Beruf. „Inzwischen weiß man, wie wertvoll und sinnstiftend regelmäßige Arbeit für die psychische Gesundheit ist.“ Teilhabe, Tagesablauf und soziale Kontakte – das Gesamtpaket führe zum Erfolg. „Es ist ein schönes Alleinstellungsmerkmal von Lavie, dass hier alles angeboten wird, von der Rehabilitation über die geschützte Ausbildung bis zur Arbeitsstelle“, freut sich die Psychologin.
Das ermögliche nicht nur den sinnvollen Austausch mit Kollegen auch anderer Bereiche. „Wir haben dadurch ganz viele Möglichkeiten, unsere Rehabilitandinnen und Rehabilitanden individuell auf dem Weg zu mehr Teilhabe zu begleiten.“
Foto: Nur ein kleiner Teil der Abteilung RPK, die sich bei Lavie um die Rehabilitation für psychisch erkrankte Erwachsene kümmert (von links): Sandra Bayer, Julia Deutsch und Felix Kerls. Foto: Regio-Press