Um sie herum hocken schätzungsweise zwischen 150 und 200 weitere Menschen, die fast ununterbrochen und lautstark den Satz „Schluss mit dem Profit auf Kosten der Tiere!“ skandieren. Viele der Besucher tragen ein schwarzes T-Shirt, dessen Rückseite mit einem unglücklich dreinblickenden Wildtier in einem Käfig bedruckt ist, und auf dessen Vorderseite der Slogan „until every cage is empty“ steht – was so viel bedeutet wie: „bis der letzte Käfig leer ist.“

Die T-Shirts werden vom Gründer des Tierschutzvereins „Mission Erde“, dem Meeresbiologen, Fotograf und Influencer Robert Marc Lehmann verkauft. Lehmann kritisiert die Existenz von Zoos und deren Funktionsweise scharf. Auf dem sozialen Medium Instagram schart der Aktivist mehr als eine halbe Million Abonnenten um sich.

Demonstration zur Unterstützung von „Mission Erde“

Viele der Anwesenden in Stuttgart wollen die Arbeit des Vereins „Mission Erde“ unterstützen. So auch die Organisatorin der Demonstration, Caroh Weber, die ihren richtigen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich finde seine gesamte Arbeit sehr bereichernd“, sagt die Aktivistin. Deshalb ruft die 32-Jährige, als Privatperson, deutschlandweit an zoologischen Einrichtungen zu Demonstrationen auf – zuletzt in Gelsenkirchen und regelmäßig in Duisburg, dessen Zoo nur rund sieben Kilometer von Webers Heimatstadt Mülheim an der Ruhr entfernt liegt. Anlass für den Protest in Stuttgart sei unter anderem die jüngste Investition von 5,5 Millionen Euro des Landes in die neue Anlage der Tiger gewesen.

150 Menschen waren für die Demonstration angemeldet, am Ende waren es schätzungsweise knapp 200 Teilnehmer. Foto: privat/ Emanuel Sajons

Demonstrationen organisiert die 32-Jährige aber schon seit mehreren Jahren. Bis vor wenigen Monaten allerdings in einem deutlich kleineren Rahmen. „Meist waren zwischen zehn und zwanzig Leute da“, berichtet die 32-Jährige, die eigentlich als Tierarzthelferin arbeitet. Verändert habe sich das durch eine Demonstration in Wuppertal im vergangenen Mai, an der mehrere Tausend Menschen teilgenommen hätten, so Weber. Auch diese Veranstaltung sei im Zusammenhang mit dem Tierschutzverein „Mission Erde“ entstanden. Lehmann hatte damals zum Protest aufgerufen, weil die Veranstalter eines Festivals, zu dem der Influencer eingeladen war, ihn gebeten hätten, keine Zoos zu kritisieren. Caroh Weber war seiner Aufforderung zum Protest gefolgt und organisierte die Kundgebung.

Menschen kommen von weit her nach Stuttgart

Und auch in Stuttgart treffen sich einige der dortigen Demonstranten wieder. Etwa 30 Menschen antworten auf Webers Frage „Wer von euch war in Wuppertal dabei?“ mit begeisterten „Jaa!“-Rufen. Die 33-Jährige Martina ist wiederum aus Sankt Gallen in der Schweiz angereist. „Tiere sind nicht da, um uns zu dienen“, sagt sie über ihre Motivation, zur Demonstration zu kommen. Auch der Stuttgarter Rapper Pikayzo schaut für einige Zeit vorbei, um die Demo zu unterstützen. Er selbst kennt die Wilhelma aus Kindertagen, steht dem Zoo aber inzwischen kritisch gegenüber und verarbeitet das Thema Tierschutz nun auch in seinen Liedern. „Es ist toll, gemeinsam mit ganz vielen tollen Leuten zu demonstrieren.“

Sonja Jäger aus Weissach hat zur friedlich ablaufenden Demonstration ihre beiden Kinder mitgebracht. Für sie ist es wichtig, dass ihre beiden Kinder früh mit dem Thema Tierschutz in Kontakt kommen. Das liegt ein ihrer eigenen Erfahrung, wie die 30-jährige Veganerin erzählt: „Ich weiß noch, dass ich mit fünf Jahren erfahren habe, was ich da esse“, berichtet sie. „Und ich weiß auch noch, dass ich damals stinksauer war.“ Deshalb ist es Jäger wichtig, dass ihre Kinder (3 und 5) selbst entscheiden können, was sie essen möchten. „Mein einer Sohn will sich vegan ernähren, das andere Kind isst Fleisch.“

Teils Unverständnis von Besuchern

Natürlich kommen die wiederholten Rufe auch bei Besuchern der Wilhelma an. Neugierig schauen ankommende Familien durch das Tor in der Steinmauer, das die Wiese an der Stadtbahnhaltestelle mit dem Kassenbereich des Zoos verbindet. Ein 38-Jähriger aus Balingen etwa hat wenig Verständnis für die Demonstrierenden. „Mit dem Klimawandel, dem Artensterben und der Ausrottung von Wildtieren durch Menschen ist der Zoo ja eigentlich wie eine Art Arche, ein Schutzraum für die Tiere“, sagt der 38-Jährige. „Und inzwischen sind die Gehege ja viel größer, früher hätte ich es eher nachvollziehen können“, so der Balinger. Die Verantwortlichen der Wilhelma selbst äußern sich auf Anfrage zunächst nicht zur Demonstration.

„Wir sagen nicht, dass alle Zoos abgeschafft werden müssen, sondern, dass sie sich verändern müssen“, so Caroh Weber. „Wir sehen die Qualität der Zoos als Erholungsstätte, aber das ginge auch ohne eingesperrte Tiere“, sagt sie. Eine Mutter aus Alfdorf, die den Zoo mit ihrem Mann und ihrer sechsjährigen Tochter besucht, wird durch die Demonstration nachdenklich gestimmt. „Ich bin nicht dafür, dass die Tiere jetzt sofort rausgeholt werden, aber ich will natürlich schon, dass sie ein gutes Leben haben“, sagt sie. „Und für die Kinder ist ein Zoo natürlich wahnsinnig interessant.“ Ihrer Tochter will sie aber erklären, warum die Menschen vor der Steinmauer demonstrieren.