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Ein US-Soldat auf Posten im Eis blickt über seine Schulter in die Kamera.US-Soldat auf Posten im Ewigen Eis: Um die Arktis nehmen die Spannungen zwischen den USA, Russland und China zu. Grund sind die Nähe der jeweiligen Frontlinien sowie vor allem der Kampf um Rohstoffe. Jetzt rückt Grönland in den Fokus der Begehrlichkeiten. Russland wird deutlich. © IMAGO/piemags

Putin zielt auf das Auge der Nato in der Arktis: Gerangel um Grönland wird heftiger. Dänemark und die USA rüsten auf, Russland droht mit Schießerei.

Moskau – „Als Reaktion darauf wäre Russland gezwungen, geeignete militärische und technische Maßnahmen zu ergreifen, um den neuen Bedrohungen angemessen zu begegnen“, sagt Vladimir Barbin. Obwohl Donald Trumps Ambitionen auf die arktische Insel Grönland unter der Regie Dänemarks aktuell etwas abgekühlt sind, gießt Wladimir Putin wieder Öl ins Feuer. Die Aussage des russischen Botschafters gegenüber gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti sei Ausdruck von Russlands Angst, die Nato könnte die Arktis in ein „Sprungbrett für mögliche Konflikte“ verwandeln, wie die Moscow Times formuliert. Offenbar fühlt sich Russland aktuell von Gegnern umzingelt.

„Paradoxerweise gibt es in der Arktis keine offenen Territorialstreitigkeiten“, sagt Klaus Dodds. Allerdings warnt der in London lehrende Professor für Geopolitik gegenüber dem Magazin Newsweek davor, dass der Ukraine-Krieg auch ins Eis hineinstrahlt. Wladimir Putins Truppen bringen sich auch dort in Stellung; wie das Magazin schreibt, seien die internationalen Beziehungen der Global Player untereinander frostiger geworden seit Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg.

Gegen Putin: F-16-Kampfjets der dänischen Luftwaffe nach Kangerlussuaq an der Westküste der Insel verlegt

Russlands Pulsschlag ist gerade erhöht aufgrund von Meldungen des Nato-Partners Dänemark, wonach sowohl die eigene Militärpräsenz ausgebaut werden soll als auch die US-amerikanische. Eine Fregatte und zwei Hubschrauber seien bereits vor Ort, um die Militäroperationen in der Arktis zu verstärken, hatte Anfang des Jahres das norwegische Magazin High North News gemeldet. Ende Juni hat das Magazin The Aviationist berichtet, dass F-16-Kampfjets der dänischen Luftwaffe nach Kangerlussuaq an der Westküste der Insel verlegt worden seien. Dänemark zündet dort den Turbo.

„Diese zirkumpolare Region bietet eine Vorschau darauf, wie drei Großmächte – China, Russland und die Vereinigten Staaten – ihre militärischen und wirtschaftlichen Muskeln spielen lassen, um strategische und ressourcenmäßige Vorteile zu erlangen“

„Ich stimme den Amerikanern voll und ganz zu, dass der hohe Norden und die Arktis in Bezug auf Verteidigung, Sicherheit und Abschreckung an Bedeutung gewinnen. Und es ist möglich, einen Weg zu finden, in Grönland stärker präsent zu sein“, zitiert die Zeitung The Brussels Times die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Ihr zufolge sei Dänemark offen für „weitere Möglichkeiten“, wie sie sagte, obwohl die USA bereits präsent sind auf der autonom handelnden aber zu Dänemark gehörenden Insel. „Von Pituffik aus können die USA einen Raketenstart erkennen, die Flugbahn berechnen und ihre Raketenabwehrsysteme aktivieren. Es ist unersetzlich“, zitiert die New York Times Peter Ernstved Rasmussen.

Der dänische Verteidigungsanalyst bezeichnet die US-Präsenz dort als „buchstäblich das äußerste Auge der amerikanischen Verteidigung“. Zweifelsohne ein Stachel im Fleisch Russlands. „Diese zirkumpolare Region bietet eine Vorschau darauf, wie drei Großmächte – China, Russland und die Vereinigten Staaten – ihre militärischen und wirtschaftlichen Muskeln spielen lassen, um strategische und ressourcenmäßige Vorteile zu erlangen“, sagt Klaus Dodds. Er hat gegenüber Newsweek davor gewarnt, dass sowohl der Ukraine-Krieg seine Fortsetzung als auch ein künftiger Konflikt um Taiwan seine Generalprobe im hohen Norden erleben könnten – die aktuellen globalen Animositäten der Weltmächte sind brisant genug, um sich im Eis zu entzünden.

USA erster Sieger im Grönland-Streit – weil „die dänische Souveränität an die USA abgetreten wurde“

Zumindest ist Russland wohl gewahr geworden, dass die USA wohl nicht nur einen Fuß in der Tür Grönlands haben, sondern dass ihren Interessen inzwischen Tür und Tor geöffnet worden seien, wie Associated Press (AP) berichtet hat. Laut der Nachrichtenagentur hätte der Beschluss des dänischen Parlaments zur Erweiterung US-amerikanischer Aktivitäten Kritiker veranlasst zu vermuten, „dass mit der Abstimmung die dänische Souveränität an die USA abgetreten wurde“, wie die Nachrichtenagentur wiedergibt. „Das Gesetz erweitert ein früheres Militärabkommen aus dem Jahr 2023 mit der Biden-Regierung, das US-Truppen umfassenden Zugang zu dänischen Luftwaffenstützpunkten in dem skandinavischen Land gewährte“, so AP.

Demnach könnte Russland tatsächlich alarmiert sein, dass die US-Regierung unter Donald Trump darauf verzichte, Grönland zu annektieren, wenn sie dort gegen Russland wenigstens einen mächtigeren Schild in Stellung bringen könnte. Die zweigleisige Strategie bedeutet den Export von Waffen gegen eine russische Dominanz der Arktisregion sowie gleichzeitig den Import bedeutender Rohstoffe: Der Klimawandel und die daraus resultierende Nachfrage nach essentiellen Rohstoffen und seltenen Erden habe auch das Interesse an Grönlands Potenzial als Lieferant wichtiger Elemente wie Lithium, Niob und Zirkonium geweckt, schreibt Brent Hardt.

Der Analyst des Thinktanks German Marshall Fund of the United States (GMF) legt Wert darauf, dass allein eine Partnerschaft zwischen den USA und allen an Grönland interessierten westlichen Mächten Russland und China auf Distanz halten könne – beispielsweise müssten die alliierten Eisbrecherflotten ausgebaut werden, und auf Grönland müsste der gemeinsame Kampf in der Arktis intensiver geübt werden. Hardt weist damit hin auf Aktivitäten, die unmittelbar gegen Russlands Sicherheitsinteressen verstoßen und eine schnelle Reaktion provozieren müssen.

Offen für Russland und China: Dänemarks ständige Präsenz besteht aus vier alternden Inspektionsschiffen

Laut Reuters seien andersherum russische wie chinesische Staatsschiffe in der Vergangenheit unerwartet vor Grönland aufgetaucht. Die Trump-Regierung hätte Dänemark daraufhin vorgeworfen, das Land nicht vor möglichen Angriffen zu schützen, wie die Nachrichtenagentur kürzlich gemeldet hat. Mit einer Annexion der Insel durch feindliche Kräfte würden die USA in die Arktis hinein erblinden. Bisher war Dänemarks Schutzschild gegenüber Nato-Gegnern dürftig, wie Reuters auflistet: „Dänemarks ständige Präsenz besteht aus vier alternden Inspektionsschiffen, einem kleinen Überwachungsflugzeug und Hundeschlittenpatrouillen, deren Aufgabe es ist, ein Gebiet zu überwachen, das viermal so groß ist wie Frankreich“, schrieb Reuters-Autor Jacob Gronholt-Pedersen.

Ihm zufolge hatte Dänemark im Januar versprochen, in die Verteidigung der Arktis stärker zu investieren – mehr als zwei Milliarden US-Dollar wollten die Skandinavier bereitstellen für neue Schiffe, Langstreckendrohnen und Satellitenüberwachung. Laut Reuters hatte auch Frankreich angeboten, Truppen nach Grönland zu entsenden, und auch aus der Europäischen Union wurde laut darüber nachgedacht, mit europäischen Kontingenten Flagge zu zeigen im Eis. Dennoch bleiben dort die USA der zentrale Akteur.

Trump flexibel gegen Putin und Xi: Das Pentagon verfolge einen „Monitor-and-Response“-Ansatz

Das Pentagon verfolge einen „Monitor-and-Response“-Ansatz, schreibt Aaron Brady. Demnach würden gegnerische Aktionen analysiert und entsprechend gehandelt, anstatt dass dort eine dauerhaft stationierte starke Abordnung für dauerhafte Abschreckung stünde, so der Autor des Magazins War on the Rocks. Brady wird die Fragen auf, was der US-Präsident antworten würde, wenn Russland oder China mit dem Säbel rasselten. Und wie müsste dieses Rasseln ausfallen, damit Donald Trump die Kettenhunde losließe? Alle drei Gegner belauern sich offenbar. In der arktischen Luft liegt ein Knistern, dass sich anhand der Entwicklungen im Ukraine-Krieg in militärische Konfrontationen entladen könnte.

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Aaron Brady geht sogar so weit zu behaupten, dass sich ein künftiger thermonuklearer Krieg sogar in der Arktis seinen Anfang nehmen könne. „Sie ist zu einem Schauplatz täglicher Konkurrenz und einem potenziellen Schlachtfeld künftiger Konflikte im Atlantik oder Pazifik geworden“, formuliert er. Der Konflikt wird spannungsreicher, je breiter und länger schiffbar die Routen im Nordatlantik beziehungsweise im Arktischen Ozean aufgrund der Klimaerwärmung würden. Keine der drei mächtigen Nationen kann in der Arktis-Frage auch nur eine Handbreit nachgeben, ohne das Gefühl zu haben, in der Versorgung mit Rohstoffen ins Hintertreffen zu geraten; und für eine gemeinsame Nutzung der Ressourcen sind sich die USA, Russland und China zu spinnefeind.

Von „High Noon im hohen Norden“ hat der britische Economist bereits im Juni 2022 geschrieben, als der Ukraine-Krieg noch als ein fürchterliches, aber kurzes Intermezzo gegolten hat. Klaus Dodds jedenfalls äußerte gegenüber Newsweek böse Vorahnungen bezüglich dieses Teils der Welt – geografisch eher am Rande, aber offensichtlich doch zentral in den divergierenden Interessen konkurrierender Großmächte: „Diese zirkumpolare Region bietet eine Vorschau darauf, wie drei Großmächte – China, Russland und die Vereinigten Staaten – ihre militärischen und wirtschaftlichen Muskeln spielen lassen, um strategische und ressourcenmäßige Vorteile zu erlangen.“