Wenn die Ratsmehrheit am 16. April zustimmt, könnte noch in diesem Jahr ein Pilotprojekt starten, dass es Pflegeeltern erleichtert, bei Aufnahme eines Pflegekindes ihre Erwerbsarbeit zu reduzieren, um mehr Zeit für das Kind zur Verfügung zu haben. Rund 200.000 Euro sind dafür im Jahr 2025 geplant, 500.000 im nächsten Jahr. Ob es freilich kommt, hängt auch von der Genehmigung des Leipziger Doppelhaushalts 2025 / 2026 durch die Landesdirektion ab. Aber die Grünen finden den Vorstoß der Stadt schon jetzt gut.
Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Leipzig begrüßt die Verwaltungsinitiative zur Einführung eines kommunalen Elterngeldes für Pflegeeltern. Der Stadtrat wird in seiner Sitzung am 16. April über die Maßnahme abstimmen, die ab Juli 2025 die finanzielle Absicherung von Pflegeeltern in den ersten 14 Monaten nach Aufnahme eines Pflegekindes verbessern wird.
Das kommunale Elterngeld soll es Pflegeeltern ermöglichen, die zur Betreuung eines aufgenommenen Kindes ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise reduzieren, einen finanziellen Ausgleich von bis zu 840 Euro monatlich zu erhalten. Die Leistung kann für maximal 14 Monate ab Aufnahme des Pflegekindes beantragt werden und gilt für Kinder, die das achte Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung für die laufende Legislaturperiode vom 7. Dezember 2021 sah die Einführung eines Elterngeldanspruches für Pflegeeltern vor, wurde jedoch nicht umgesetzt. Sowohl der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. als auch die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen fordern weiterhin die Schaffung entsprechender Normen durch die Bundesregierung und verweisen bis dahin auf die Möglichkeit von kommunalen Regelungen zu elterngeldähnlichen Leistungen.
Leipzig braucht mehr Pflegeeltern
„Während leibliche und Adoptiveltern selbstverständlich Elterngeld erhalten können, wurden Pflegeeltern bisher systematisch benachteiligt“, stellt Marsha Richarz, Stadträtin und jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, fest.
„Pflegeeltern leisten einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft, indem sie Kindern ein stabiles und liebevolles Zuhause bieten. Mit dem kommunalen Elterngeld schließen wir endlich diese große Gerechtigkeitslücke. Es ist nicht hinnehmbar, dass Pflegeeltern bisher finanziell benachteiligt wurden, obwohl sie die gleiche wichtige Betreuungsleistung erbringen wie leibliche Eltern oder Adoptiveltern.“
Die Einführung des kommunalen Elterngeldes für Pflegefamilien ist aus Sicht der Grünen ein weiterer Baustein, der darauf abzielt, mehr Menschen für die Aufgabe als Pflegeeltern zu gewinnen und bestehende Pflegeverhältnisse zu stabilisieren. Aktuell leben in Leipzig etwa 380 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien, während gleichzeitig ein deutlicher Mangel an neuen Pflegeeltern besteht.
„Pflegefamilien übernehmen eine enorm wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie schenken Kindern, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, ein behütetes Zuhause und stabile Beziehungen. Wir wissen, dass gerade die Eingewöhnungsphase nach der Aufnahme eines Pflegekindes besonders intensiv ist und viel Zeit und Engagement erfordert“, betont Richarz.
„Mit dem kommunalen Elterngeld ermöglichen wir es Pflegeeltern, sich in dieser wichtigen Phase voll auf die Bedürfnisse des Kindes zu konzentrieren, ohne existenzielle finanzielle Sorgen haben zu müssen. Auch wollen wir nicht nur bestehende Pflegefamilien unterstützen, sondern auch neue Pflegeeltern gewinnen.“
Die Bündnisgrüne Fraktion setze sich seit Jahren dafür ein, die Zahl der in stationärer Unterbringung lebenden Kinder zu reduzieren, sie nach Möglichkeit und entsprechenden Anstrengungen in die Obhut der Eltern zurückzuführen oder ihnen eben in Pflegefamilien ein neues und geborgenes Zuhause zu ermöglichen. Hierfür wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe von Anstrengungen unternommen und Informationsformate entwickelt, um die Bereitschaft von Familien zur Aufnahme eines oder mehrerer Pflegekinder zu wecken, um die verfügbaren Plätze dem entgegenstehenden Bedarf anzunähern.
Start in der zweiten Jahreshälfte
Aber eigentlich wartet Leipzig auf eine bundeseinheitliche Regelung, betont die Vorlage aus dem Jugenddezernat: „Bei den durch das ‘Kommunale Elterngeld’ erbrachten finanziellen Unterstützungen handelt es sich um sogenannte freiwillige Leistungen. Um insbesondere etwaige Rückforderungen gegenüber Pflegefamilien zu vermeiden, ist die Einführung des ‘Kommunalen Elterngeldes’ nicht an einen bereits jetzt zu benennenden konkreten Zeitpunkt, sondern an die Genehmigung des Doppelhaushaltes 2025/2026 der Stadt Leipzig durch die Landesdirektion Sachsen gebunden.
Angesichts der Daten der Genehmigungen der letzten Doppelhaushalte wird diesseits gegenwärtig davon ausgegangen, dass die Realisierung voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2025 erfolgen kann.
Es ist seitens der Verwaltung beabsichtigt, spätestens sechs Monate vor Ablauf des Projektzeitraums, aktuell voraussichtlich Ende 2026, eine Beschlussvorlage für die Ratsversammlung vorzulegen. Diese soll, jedenfalls als Information, den Zwischenbericht der Evaluation und gegebenenfalls einen Vorschlag, wie das Projekt weitergeführt werden könnte, umfassen. Ein etwaiger Stadtratsbeschluss zur möglichen Fortführung/Verlängerung des Projektes ist möglichst rechtzeitig vor Ablauf des gegenwärtigen Zeitraumes, aufgrund momentaner Annahmen, also im II. Quartals 2027, zu fassen.
Das Pilotprojekt endet, zwei Jahre nach Einführung, voraussichtlich Mitte 2027, wobei Leistungen bis zum Ablauf des in der Bewilligung avisierten Zeitraums, unabhängig vom Pilotende, ‘nachlaufend’ ausgezahlt werden.
Diese elterngeldähnliche Unterstützung erfolgt im Übrigen, solange keine bundeseinheitliche Regelung des Elterngeldanspruchs für Pflegeeltern besteht. Die Leistungen des ‘Kommunalen Elterngeldes’ werden, ohne dass es einer weiteren Beschlussfassung bedarf, beendet, sobald ein entsprechender Leistungstatbestand im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) geschaffen wurde.“
Stationäre Hilfen sind deutlich teurer
„Dass die Stadt Leipzig das kommunale Elterngeld trotz der prekären Haushaltslage bewusst einführt, statt auf die viel zu lange ausgesessene Einführung durch die Bundesregierung zu warten, ist ein wichtiger Schritt für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit in Leipzig und ein starkes Signal für die Anerkennung und Unterstützung von Pflegefamilien“, sagt Marsha Richarz. „Es zeigt aber auch, dass unsere langjährige Forderung, durch massive Anstrengungen zur Reduzierung der teuren stationären Hilfen beizutragen, in der Verwaltung voll angekommen ist.“
Die Finanzierung des kommunalen Elterngeldes erfolgt aus dem städtischen Haushalt. Nach Einschätzung der Stadtverwaltung werden die Kosten durch langfristige Einsparungen bei stationären Unterbringungen mehr als kompensiert. Die neue Leistung soll zum 1. Juli 2025 für zunächst zwei Jahre eingeführt und kontinuierlich evaluiert werden. Bei positiver Bewertung und entsprechender Beschlussfassung ist eine Weiterführung über den zunächst geplanten Zeitraum hinaus vorgesehen – sofern vorher oder bis dahin keine bundesweite Regelung geschaffen wurde.