Wasser, Feuer, Luft und Stein – mit den vier Grundelementen können Menschen quasi überall auf der Welt etwas anfangen. Sie entstammen der Natur, sind symbolisch einfach zu verstehen und werden teils spirituell genutzt. Welch cleverer Schachzug also von Comicautor Stan Lee und -zeichner Jack Kirby, diese Elemente den Kräften ihrer neuen Heldengruppe zugrunde zu legen.
„Neu“ bezieht sich hier auf den November 1961, als sich zu Zeiten des Kalten Krieges zwischen einem Wettlauf zum Mond und aufkommender Pop-Kultur der US-Verlag Marvel Comics vom bisherigen Status quo der Superhelden-Comics absetzt.
Lee und Kirby prägen in der Erstausgabe der „Fantastic Four“ ihre vier neuen Charaktere mit menschlichen Schwächen und greifbaren irdischen Problemen – während US-amerikanische Comic-Helden zuvor als übernatürliche Superwesen meist unverwundbar und gottgleich in Erscheinung traten.
Kräfte nicht von dieser Welt: In ihrem Comicdebüt 1961 lauert für die Fantastic Four eine Gefahr aus dem Untergrund.
© Marvel
Wie die Helden zu ihren Kräften kamen
Klar, das Grundkonzept bleibt auch bei den Fantastic Four pure Science-Fiction. Wissenschaftler Reed Richards, seine Verlobte Susan Storm, ihr minderjähriger Bruder Johnny und der Pilot Ben Grimm werden in einem unerlaubten Raketenflug kosmischer Strahlung ausgesetzt, entwickeln zurück auf der Erde Superkräfte und formieren sich fortan zu Marvels erstem Heldenteam.
Doch Autor Stan Lee achtete beim Schreiben seiner Plots darauf, nachvollziehbare Konflikte und zerbrechliche Bindungen zwischen den Figuren in oftmals Seifenoper-ähnlichen Szenarien einzuflechten. Die Leser sollten sich so besser mit den Figuren identifizieren und bei deren Abenteuern mitfühlen können.
Wasser, Feuer, Luft und Stein: Eine Fantastic-Four-Zeichnung von Alan Davis.
© Marvel
Hervorstechend sind die Abenteuer der Fantastic Four mit ihren elementbasierten Fähigkeiten aber auch deshalb, da nicht nur ein Team von Kollegen, sondern vielmehr eine Familie auftritt: Dr. Reed Richards alias Mr. Fantastic, der nach der kosmischen Bestrahlung seinen Körper gummiartig („flüssig“ wie Wasser) dehnen kann, heiratet im Verlauf die sich durchsichtig (wie Luft) machen könnende Sue Storm, fortan auch „die Unsichtbare“ genannt.
Ihr hitzköpfiger und großmäuliger Teeny-Bruder Johnny kann nicht nur fliegen, sondern als „Menschliche Fackel“ auch seinen gesamten Körper entflammen lassen (wie Feuer). Und der mürrische Muskelprotz Ben Grimm a.k.a. „Das Ding“, der mit seinem kolossartigen Körper (wie Stein) immer wieder ordentlich mit den Fäusten austeilt, bleibt auch trotz wiederholter Dispute Reeds bester Freund.
Die Familie erweitert sich, als im Verlauf der Zeit Reed und Sue Nachwuchs erhalten – zunächst ihren Sohn Franklin und später eine Tochter namens Valeria, beide ebenfalls mit Superkräften ausgestattet.
Wegbereiter für weitere Helden
Die Reihe avancierte zum Wegbereiter des modernen Marvel-Comicuniversums und setzte Maßstäbe für viele weitere Figuren und Heldengruppierungen. Beispielsweise wird ab August 1962 auch Spider-Man Peter Parker trotz seiner Superkräfte mit glaubhaften Sorgen des Alltags konfrontiert. Und nach dem Erfolgsrezept der Fantastischen Vier debütieren ab September 1963 weitere Heldengruppen wie die Avengers oder die X-Men.
Der erste Auftritt von Black Panther: Das Cover von „Fantastic Four“ Nummer 52.
© Marvel
Als erste und eine der wichtigsten bis heute laufenden Reihen von Marvel ebneten die Comicseiten der Fantastic Four zudem vielen weiteren Figuren einen Weg in die Ruhmeshallen der neunten Kunst. Beispielsweise tritt ihr Erzrivale Dr. Doom, Reeds Ex-Kommilitone und der spätere Monarch des fiktiven osteuropäischen Kleinstaates namens Latveria, in Heft Nummer 5 der Hauptserie erstmals auf.
Und in der bemerkenswert kurzen Zeitspanne zwischen November 1965 und Dezember 1966 – von vielen Fans als Höhepunkt des künstlerischen Schaffens von Lee und Kirby an der Serie betrachtet – führten die Autoren einen ikonischen Charakter nach dem nächsten in den Marvel-Comickosmos ein: So etwa die Alien-Gruppe um die „Inhumans“ aus der sagenumwobenen Stadt Attilan (ab Heft 44) oder auch den außerirdischen „Silver Surfer“ als Herold des weltenverschlingenden Überwesens „Galactus“ (ab Heft 48).
Außerdem entpuppte sich Ausgabe 52 der Reihe als Karrieresprungbrett für „Black Panther“, den ersten schwarzen Superhelden des Mainstream-Comics. Der majestätische Herrscher über die getarnte afrikanische High-Tech-Nation Wakanda ist heute multimedial breit vertreten und hat sich international zu einem von Marvels populärsten Helden gemausert. Der Black-Panther-Film von 2018 konnte bei den Oscarverleihungen 2019 sogar drei Gewinne von sieben Nominierungen verbuchen.
Fantastisches Film-Franchise
Cinematografisch blicken auch die Fantastic Four auf eine bewegte Vergangenheit zurück: Eine für 1994 anvisierte Verfilmung wurde letztlich nicht veröffentlicht, durch eine Filmrechtverlängerung konnte jedoch unter anderem der deutsche Produzent Bernd Eichinger über zehn Jahre später den Helden zum Sprung auf die Leinwand verhelfen: 2005 startete „Fantastic Four“ unter anderem mit Hollywood-Stars wie Jessica Alba und Ioan Gruffudd in den Kinos.
Für Chris Evans ebnete seine Rolle als Fackel Johnny Storm sogar den Weg zu einer noch größeren Karriere in Marvel-Filmen – er durfte später Steve Rogers, besser bekannt als Captain America, mehrfach verkörpern. 2007 folgte mit denselben Hauptdarstellern von 2005 ein zweiter Filmteil, in dem auch der Silver Surfer und Galactus als kosmische Bedrohung auftauchen.
Filmplakat zu „Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer“ von 2007.
© Constantin Film, Marvel
2015 versuchte man einen Reboot mit neuer Besetzung, die jedoch an den Kinokassen floppte. Als interessanter Nebenfakt ist hierbei zu erwähnen, dass Michael B. Jordan, der Johnny Storm in der Version von 2015 mimte, als Schauspieler ebenfalls im Verlauf noch größer herauskam. Er übernahm mit der Rolle des Eric Killmonger den Hauptgegner von Black Panther in dem bereits erwähnten oscarprämierten Blockbuster.
Nach weiteren zehn Jahren folgt nun mit „Fantastic Four: First Steps“ ein neuer Kinofilm. Als mittlerweile 37. Teil des Marvel Cinematic Universe (MCU) feiert die Gruppe ihren Einstand in die Marvel-Filmwelt um die Avengers. Im Rahmen der „Multiverse Saga“ läutet das Team zudem die sechste Phase des MCU ein und soll im Verlauf auf die bekannten Figuren aus den bisherigen Avengers-Filmen treffen.
Spannend und ansprechend für Fans der Fantastic Four wirkt das Konzept, dass die Rahmenhandlung des neuen Films wie in den ursprünglichen Comics in den 1960er-Jahren angesiedelt ist und Galactus wieder die Erde verschlingen will.
Das Filmplakat zu „Fantastic Four: First Steps“.
© Disney/Marvel
Hierzulande startet der Superhelden-Streifen am Donnerstag in den Kinos. Der neue Cast wartet unter anderem mit Publikumsliebling Pedro Pascal („The Mandalorian“, „The Last Of Us“) und Schauspielerin Vanessa Kirby („Mission Impossible“, „Fast & Furious“) auf.
Marvel geht mit der Zeit
Obwohl die Fantastic Four als Wegbereiter für das moderne Marvel-Comicuniversum fungierten, hatten es ihre Printveröffentlichungen nicht immer leicht: Unter anderem die X-Men überholten Marvels „First Family“ und konnten vor allem in den 1980er und 90er Jahren höhere Verkaufszahlen erzielen.
Durch wechselnde Autoren- und Zeichnerteams wurde dem Quartett immer wieder eine kreative Frischzellenkur zu verpassen versucht, teils mit nur mäßigem Erfolg. In Deutschland wurden Anfang der 2000er Jahre einzelne Comicreihen der Fantastic Four nach wenigen Ausgaben eingestellt.
Stilprägend: Dieses Cover der 236. Ausgabe ihrer Hauptserie zeigt die Fantastic Four als Bindeglied zwischen vielen anderen zentralen Marvel-Helden.
© Marvel
Doch auch bis heute werden die Abenteuer nach zahlreichen Neustarts ihrer verschiedenen Comicreihen hierzulande veröffentlicht. Die Langlebigkeit der Reihe kann unter anderem damit begründet werden, dass sie wie auch viele andere Marvel-Heftserien mit der Zeit geht:
Der aktuelle Autor der Fantastic-Four-Hauptreihe, der 44-jährige Ryan North mit einem Abschluss in Computerlinguistik, verarbeitet in seinen Plots oft zeitgenössische gesellschaftliche und reale wissenschaftliche Themen.
In einem im März 2025 veröffentlichten Interview mit der kanadischen Tageszeitung „The Globe and Mail“ beschreibt der in Toronto lebende Autor, dass er beim Schreiben auf die Bodenständigkeit der Fantastic Four achtet – laut North sollten in Superheldencomics nicht nur Helden Schurken bekämpfen, vielmehr „wollen wir einen Superhelden sehen, der Leuten hilft, die sich selbst nicht helfen können“.
Stilprägende Geschichten aus gut 60 Jahren
Wer neugierig auf die Comicabenteuer mit den vier Helden geworden ist oder sich mit einer passenden Lektüre auf den aktuellen Superhelden-Blockbuster vorbereiten möchte, findet eine gelungene Zusammenstellung von wichtigen Abenteuern der Heldentruppe in dem Sammelband „Marvels Superheldenfamilie: Die Fantastic-Four-Anthologie“.
Der rund 1,3 Kilogramm schwere Hardcover-Band enthält auf 352 Seiten nicht nur stilprägende Geschichten aus mehr als 60 Jahren Marvel-Comic-Historie, sondern auch informative Hintergrundartikel in ein- oder ausleitenden redaktionellen Beiträgen.
Das Cover des Sammelbandes „Marvels Superheldenfamilie: Die Fantastic-Four-Anthologie“ (Panini. 352 S., 35 €), die Zeichnung stammt von Phil Noto.
© Marvel Comics, Panini
Den Auftakt des Sammelbands bildet ein Nachdruck des ersten Abenteuers der Fantastic Four: Hierin wird ihre Herkunftsgeschichte erläutert und es kommt zur Auseinandersetzung mit ihrem ersten Gegner namens „Mole Man“, der eine Armee aus Untergrundmonstern anführt.
In einer weiteren Geschichte aus den 60er-Jahren erfährt man, wie sich Victor van Doom mittels Kombination aus wissenschaftlicher Begabung und geerbten mystischen Kräften zum Superschurken hinter einer eisernen Maske entwickelt hat. Und als weiterer Meilenstein aus den Superheldencomics ist in der Anthologie auch der legendäre Zweikampf zwischen dem Ding und dem Hulk nachgedruckt.
Weiterhin wartet der Band mit drei Geschichten von X-Men-Revolutionär John Byrne, dem von Steve Epting bebilderten alleinigen Kampf von Johnny Storm in der Negativzone und einer Jubiläumsstory zu Reeds und Sues 40. Hochzeitstag auf.
Zwischen den einzelnen Geschichten vermittelt Panini-Redakteur Thomas Witzler detaillierte Informationen zu den Charakteren: Er nennt sowohl enge Vertraute als auch die wichtigsten Gegner der Helden und listet übersichtlich zentrale Handlungsorte der Geschichten sowie neue Inkarnationen des Teams, teils mit wechselnder Heldenbesetzung, auf.
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Und auf einer Doppelseite werden die zentralen kreativen Köpfe hinter den Fantastic Four vorgestellt – von Stan Lee und Jack Kirby über unter anderem John Byrne, Mark Waid und Mark Millar bis hin zu Jonathan Hickman, Dan Slott und Ryan North.
Die Anthologie bietet eine breite Palette passend ausgesuchter Storylines und anschaulicher Zeichenkunst um die Fantastic Four. Sie eignet sich für Comic-Nostalgieliebhaber gleichermaßen wie für Einsteiger, die Marvels fantastische Familie gerade erst kennenlernen.