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Der Wohnungsbau bricht ein: Neue Zahlen belegen dramatisch, dass in Deutschland immer weniger Wohnraum entsteht – mit Folgen für Mieter wie Bauherren.
Berlin/München – Beim Wohnungsbau in Deutschland hakt es gewaltig. Laut einer aktuellen Analyse des Immobilienanalysehauses Bulwiengesa und des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) ist die Zahl der Baustarts zwischen dem Hochstand Ende 2022 und der Jahresmitte 2025 um ganze 85 Prozent gesunken.
BFW-Präsident Dirk Salewski warnt in einem Bild-Bericht: „Diese Zahlen sind ein Weckruf. Die Pipeline läuft trocken und da kommt auf absehbare Zeit nicht viel nach.“ Deutschland schiebt laut dem Funktionär eine Bau-Bugwelle an nicht realisierten Projekten vor sich her. „Was heute nicht geplant und gebaut wird, steht morgen nicht zur Verfügung“, so sein drastischer Appell.
Wohnungsbau in Deutschland schrumpft – besonders in kleineren Städten
Das laufende Jahr 2025 ist von einem neuerlichen Rückgang beim Wohnungsbau geprägt. Die Fläche geplanter oder im Bau befindlicher Wohnprojekte schrumpfte seit Jahresbeginn um mehr als fünf Prozent – in kleineren Städten sogar um zehn, in Großstädten um sechs Prozent. André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei Bulwiengesa, rechnet bis zum Jahresende mit weniger als 200.000 fertiggestellten Neubauwohnungen.
Das Problem veranschaulicht der prognostizierte Bedarf: Dieser liege in der Bundesrepublik laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung bei mindestens 320.000 Wohnungen pro Jahr – eine alarmierende Lücke. Das wirkt sich unweigerlich auf den Wohnungsmarkt sowie die Mietpreise in jenen Regionen aus, wo die Nachfrage das Angebot übersteigt.
Der Wohnungsbau ist rückläufig: In Deutschland werden deutlich weniger Häuser gebaut als früher. © Funke Foto Services/ImagoGründe für die Wohnungskrise: Teure Baukosten, schleppende Genehmigungen
Die Gründe für den massiven Einbruch sind vielfältig: Steigende Bau- und Materialkosten, hohe Zinsen und langwierige Genehmigungsverfahren machen Investoren und Bauherren das Leben schwer. Viele Projekte werden auf Eis gelegt oder gar nicht erst begonnen. Die Folgen für den Wohnungsmarkt sind spürbar: Mieten steigen, bezahlbarer Wohnraum bleibt Mangelware – besonders Familien, Geringverdiener und junge Menschen sind betroffen.
Der Mangel verschärft sich, wenn so wie in Deutschland die Bevölkerung weiter wächst: Die Nachfrage übersteigt das Angebot, was eine Erhöhung der Miet- und Immobilienpreise mit sich bringt. Besonders einkommensschwächere Haushalte werden dadurch zunehmend verdrängt – ein Bild, das in hiesigen Städten schon lange Realität ist.
Milliarden für den Turbo beim Wohnungsbau: Merz-Regierung gelobt Besserung
Die Bundesregierung will gegensteuern. Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) betont im Gespräch mit der Bild, dass die Bauwirtschaft in Deutschland schwere Jahre hinter sich habe. „Die Vorzeichen drehen sich und das ifo-Institut weist die beste Stimmung im Wohnungsbau seit knapp drei Jahren aus. Jetzt starten wir mit dem Bau-Turbo – und investieren 23,5 Milliarden Euro in sozialen Wohnungsbau bis 2029“, verspricht Hubertz.
Ob das reicht, um die fatale Entwicklung zu stoppen, bleibt abzuwarten. Die Zahl der Baugenehmigungen ist aktuell zumindest steigend: In den fünf Monaten von Januar bis Mai wurden laut dem Statistischen Bundesamt 90.700 Wohnungen genehmigt und damit 1,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Nach einem Anstieg im April ist die Zahl zuletzt allerdings wieder zurückgegangen.
Hier lebt es sich am besten: Die 25 Städte mit der höchsten LebensqualitätFotostrecke ansehenKreative Ideen fürs Bauen: Wohnen auf dem Supermarkt?
Weil klassische Neubauten stocken, setzt die Politik beim Wohnungsbau auch auf innovative Lösungen. Bundesbauministerin Hubertz appelliert an Supermarkt- und Discounterketten wie Lidl und Aldi, den Bau von Wohnungen auf ihren Flachdächern zu ermöglichen. Im Politico Berlin Playbook-Podcast sagt sie: „Ich appelliere an Lidl, Aldi und Co., dass man nicht nur sagt: Mein Interesse ist ein schönes Dach. Man kann auch cross-sellen – dafür kriegt Lidl Miete.“
Auch ungenutzte Gewerbeimmobilien und Nachverdichtung durch Aufstockung von Reihenhäusern in Städten wie Berlin sieht die Sozialdemokratin (37) als Chance. Schon 2019 zeigte eine Untersuchung des Pestel-Instituts, dass durch kluges Aufstocken, Umwidmung leerstehender Gebäude und die Nutzung von Parkplätzen mehr als 1,2 Millionen Wohnungen entstehen könnten. Architekten sind jedoch skeptisch: Besonders eingeschossige Supermärkte ließen sich oft nicht einfach aufstocken – hier wäre ein kompletter Neubau nötig. (PF)