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Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) spricht mit t-online über den Masterplan Mobilität, wie das Bahnhofsviertel umgestaltet werden soll und wie es mit den Autofahrern weitergehen soll.
Wenige Themen der Lokalpolitik erhitzen die Gemüter so wie die Verkehrspolitik. Das bekommt der grüne Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert oft zu spüren. Kritiker werfen ihm eine einseitige Politik für Fahrradfahrer vor. Das Auto werde aus der Stadt verbannt, die Wirtschaft nicht mitgedacht. Im Interview mit t-online spricht er über Mobilität, das Bahnhofsviertel und die Kritik an seinem Kurs.
t-online: Herr Siefert, wenn Sie in anderen Städten unterwegs sind, wo denken Sie: Davon könnte Frankfurt sich etwas abschneiden?
Wolfgang Siefert: Es gibt viele Städte, von denen man sich etwas abgucken kann: Barcelona, Kopenhagen, Lyon. Am beeindruckendsten aber ist Paris. Da gab es bis zur Corona-Pandemie null Radwege, bis Ende 2025 sind fast 400 km beidseitige Radwege und grüne Stadträume geplant. Die Autobahn an der Seine ist mehr oder weniger zur Fußgängerzone geworden. Wenn Sie zehn Jahre nicht in Paris waren und da hinfahren, erkennen Sie die Stadt kaum wieder.
Also typisch grüne Verkehrspolitik. Soll das Auto auch in Frankfurt durch den Masterplan Mobilität aus der Innenstadt verschwinden?
In keinem Ziel des Masterplans Mobilität geht es darum, das Auto zu verbieten. Sondern darum, das Auto um zehn Prozentpunkte zu reduzieren, um damit Platz für Verkehrswachstum zu schaffen. Ich wage die Prognose, dass wir in zehn Jahren etwa genau so viel Autoverkehr haben wie heute. Doch das Wachstum in der Mobilität erfolgt dann eben nicht über das Auto, sondern über Bus und Bahn, Rad- und Fußverkehr. Anders wird es nicht gehen, denn Frankfurt wächst, Einwohner- und Pendlerzahlen steigen, der Verkehr wird mehr, aber die Straßen wachsen nicht mit. Deshalb brauchen wir den Umstieg auf die flächensparenden Verkehrsmittel.
Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne). (Quelle: IMAGO/Gerhard Schultheiß)
Wolfgang Siefert (Grüne) ist seit Juli 2023 Frankfurts Mobilitätsdezernent. Das Amt übernahm der 55-Jährige von seinem Vorgänger und Parteifreund Stefan Majer. Bei diesem war Siefert ab 2021 als persönlicher Referent tätig gewesen. Von 2011 bis 2021 saß Siefert als Stadtverordneter im Frankfurter Römer. Der Diplom-Kaufmann war über viele Jahre als Unternehmer in der Medienbranche aktiv – zuletzt als Vorstand für Technik und Personal bei einer Webdesign-Agentur im Bahnhofsviertel.
Ein Beispiel für Verkehrsberuhigung ist das Bahnhofsviertel. Am Bahnhofsvorplatz entstehen neue Gleise für die Straßenbahn, Autospuren fallen weg. Im Viertel selbst soll der Autoverkehr reduziert werden. Warum gerade dort?
Die anstehende Neugestaltung der Verkehrsinfrastruktur vor dem Hauptbahnhof mit dem viergleisigen Ausbau der Straßenbahn ist vor allem deswegen notwendig, weil die Deutsche Bahn plant, den Fernbahntunnel zu bauen. Damit sollen 60 Prozent mehr Fahrgäste durch den Frankfurter Hauptbahnhof geleitet werden, die hier zu-, aus- und umsteigen. Diese vielen Fahrgäste reibungslos in alle Himmelsrichtungen transportieren zu können, ist der Auslöser und das Ziel unserer Planungen vor dem Bahnhof. Im Bahnhofsviertel treffen die Probleme, die wir überall in Frankfurt haben, wie unter einem Brennglas aufeinander.
Es gibt immer mehr Menschen, die hier leben oder arbeiten, immer mehr Verkehrsteilnehmende, die rund um den Bahnhof eilig unterwegs sind. Daneben gibt es eine starke, heterogene Wirtschaft – vom Obsthändler über die Messe bis zur Unternehmensberatung. Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen werden also differenzierter und mehr – und all das bei extrem dichter Bebauung und viel zu wenig freier Fläche. Damit der Verkehr an diesem Verkehrsknotenpunkt leistungsfähig bleibt, müssen wir ihn neu sortieren.
Wie genau soll das aussehen?
Zum einen brauchen wir ein gutes, engmaschiges ÖPNV-Angebot in alle Himmelsrichtungen. Dafür wird der Tramverkehr um zwei zusätzliche Gleise ausgeweitet. So binden wir auch das geplante Wohnviertel im Gutleutviertel frühzeitig an. Zum anderen wollen die Leute sicher und komfortabel zu Fuß in die Innenstadt gelangen und mit dem Fahrrad vom Hauptbahnhof wegkommen – und zwar in einem attraktiven Umfeld. Momentan ist die Anbindung mit dem Rad eher bescheiden.
Es ist menschlich, dass manche in der aktuellen Lage keine Lust auf Veränderung oder sogar Angst haben.
Mobilitätsdezernent WOLFGANG sIEFERT
Sie planen, die Zahl der Autos im Bahnhofsviertel zu reduzieren. Wird das ein großer verkehrsberuhigter Bereich, also ein sogenannter Superblock? Zwei sind ja bereits in Planung.
Die Planungen für das Viertel folgen durchaus den Superblock-Prinzipien. Im Bahnhofsviertel gibt es einen großen Handlungsdruck, Mobilität ist ein Teil davon. Wir teilen den Verkehr im Viertel in drei Hauptachsen ein, die vom Hauptbahnhof wegführen: Die Kaiserstraße ist und bleibt die Achse überwiegend für den Fußverkehr. In der Münchner Straße fährt schon heute die Straßenbahn, das wird die ÖPNV-Achse. Und in der Taunusstraße, wo der Autoverkehr stark reduziert wird, entsteht die Fahrradachse zum Hauptbahnhof. Viele Pkw haben das Bahnhofsviertel gar nicht zum Ziel, sondern kreuzen es nur. Dieser Verkehr wird künftig umgeleitet. Davon profitiert das Viertel stark.