Stand: 23.07.2025 09:23 Uhr

Wenn Robbie Williams ruft, kommen immer noch die Massen – obwohl er seit vielen Jahren keinen Hit mehr hatte. Das Gekreische der Fans von früher ist mittlerweile einer tiefen Liebe gewichen. Von Hendrik Schröder

„I am Robbie fuckin Williams“, ruft Robbie Williams nach ein ein paar Minuten, „und das ist hier mein Hintern“. Dann dreht der britische Sänger kurz seinen Hintern gen Menge. „Und das ist hier ist meine Band, let’s go“. Das Publikum ist da schon längst außer sich. In ihren Regencapes stehen die meisten der 22.000 Fans in der Berliner Waldbühne das gesamte Konzert über, zum Sitzen ist es zu mitreißend. Das erste angekündigte Konzert musste wegen Unwettergefahr verschoben werden.
 
Auch jetzt regnet es. Aber Robbie ist da, alles wird gut. „Let me entertain you“, einer der größten Hits von Williams kommt gleich als zweites. Die vielköpfige Band rockt sich hinten einen ab und Robbie zeigt vorne, warum er auch mit 51 und obwohl er viele Jahre keinen Hit mehr hatte, Arenen und Stadien füllt: Weil der Typ alles gleichzeitig ist – Schmusebarde, Pathossänger, Rocker und vor allem sauwitzig.

Robbie Williams am 13.07.2025 in Nova Jersey, USA. (Quelle: Picture Alliance/TheNEWS2 via ZUMA Press Wire)

Konzert von Robbie Williams in Berlin wegen Unwettergefahr verschoben

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Spontane Mätzchen

Ein paar Leute in pinken Regencapes kommen zu spät und Robbie Williams spricht sie zwischen zwei Songs von der Bühne aus an: „Hey, ihr in Pink, wo wart ihr? Ihr habt schon voll viel verpasst“. Und dann singt er die Lieder, die bisher kamen kurz an und die ganze Waldbühne stimmt ein. Die Gruppe in Pink schmeißt sich weg vor Lachen. Solche spontanen Mätzchen macht fast kein anderer Popstar dieser Größenordnung.
 
Klar, auch bei Robbie Williams ist ein guter Teil des Auftritts orchestriert und choreographiert. Wenn seine neun Tänzerinnen/Sängerinnen in weißen Roben hinter ihm herlaufen, auf den Steg, der in den Zuschauerraum ragt, sie da tanzen und sich schütteln, dass einem beim Zusehen schwindelig wird, dann ist jeder Schritt und jede Geste geprobt. Trotzdem weiß man bei Robbie Williams nie so genau, was wohl als nächstes passiert. So vergehen die zwei Stunden Konzert wie im Flug.

„Ich bin nicht cool“

Dabei nimmt er sich selbst am meisten auf die Schippe, redet von seinem zu kleinen Penis. Oder davon, dass er die neuen Lieder von alten Stars wie ihm auch nicht hören will (obwohl sein neuer Song „Rocket“ vom kommenden Album „Britpop“, mit dem er das Konzert beginnt, echt nicht schlecht ist). Später steht er im rosa Anzug da und sagt: „Schaut, ich bin nicht cool, ich war nie cool. Die anderen bei Take That waren cool, ich war der, der schlimm getanzt hat.“ Das ist derart unterhaltsam – Robbie Williams könnte auch ohne Musik auftreten, als Stand-Up-Komiker. Es wäre super – sogar besser als mit seiner Musik, sagen vielleicht manche.

Hits und Coversongs

Wobei das natürlich auch schade wäre, denn Robbie ist immer noch sehr gut bei Stimme und pflügt sich über zwei Stunden lang durch seine Hits und erstaunlich viele Coversongs. „My Way“ ist dabei, ein Medley aus Foo Fighters, Bon Jovi und den White Stripes. Schwer zu sagen, warum er das macht, hat ja genug eigene Songs eigentlich nach so vielen Jahren und sogar von Take That spielt er mit „Relight my Fire“ eine Nummer (wobei auch Take That den Song schon von Dan Hartman gecovert hatte). Ohne Take That wäre Robbie Williams‘ Karriere natürlich nicht denkbar gewesen. Und doch ist er nach sechs gemeinsamen Jahren später als Solokünstler noch größer geworden, als es die Band je war.

Archivbild: Linkin Park, Sängerin Emily Armstrong, im Konzert live im Olympiastadion, Berlin. (Quelle: imago images/berinfoto)

„Danke für die zweite Chance“

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Und dann wird der ruppige Prolet plötzlich sentimental und bekommt feuchte Augen vom endlosen Applaus. Er redet davon, wie seine Familie ihn gerettet hat, wie verloren er lange Jahre seines Lebens gewesen sei. Bei „Come Undone“ verdrückt das Publikum ein paar Tränen. Viele halten sich ganz fest im Arm. Schrecklich pathetisch ist das, und wunderschön. Gekreische und Sprechhöre gibt es übrigens fast keine mehr. Der heiße Fanflirt ist einer tiefen, unerschütterlichen Liebe gewichen. Mit „Feel“ und „Angels“ schickt Robbie seine beseelten Fans dann nach Hause. „Werdet ihr mit mir zusammen alt?“ Diese Frage stellt Robbie Williams am Ende. Und die ganze Waldbühne brüllt: Jaaaa! Nur einer ruft: „Wir sind doch schon alt!“ Aber auf den hört niemand.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.07.2025, 6:55 Uhr

Rundfunk Berlin-Brandenburg