Wenn die Herzogin von Sussex nicht so privilegiert wäre, dann müsste sie einem leidtun. Denn egal, was sie sagt oder macht: Es wartet Häme, Missgunst und Spott auf sie. Nun erteilte ihr Gwyneth Paltrow eine Lektion. Redlich verdient?

Vermutlich ist niemand bisher auf den Gedanken gekommen, Gwyneth Paltrow für eine Mutter Teresa der Entertainmentbranche zu halten. Zwar möchte die Schauspielerin und Unternehmerin – mit ihrer Marke „Goop“ eine Großmacht in der US-Wohlfühl-Industrie – natürlich stets nur das Gute: für sich, für ihre Produkte und für alle Frauen auf dieser Welt. Und das gilt, wie man nun lernen durfte, sogar für die in den sozialen Medien aktuell scheinbar meist gehasste Frau überhaupt: Meghan von Sussex, the Artist formlerly known as Meghan Markle.

In einem wahrhaft barmherzigen Akt lud die heilige Gwyneth die von allen Seiten nieder geschmetterte Herzogin an ihren Küchentisch – beide leben im kalifornischen Montecito, haben sich aber, wie Paltrow jüngst dem Magazin „Vanity Fair“ erzählte, zwar mal gesehen, kennen sich aber nicht wirklich. In diesem Interview hatte Paltrow zudem laut darüber nachgedacht, dass sie ja mal versuchen könne, an den Sicherheitsvorkehrungen der Familie Sussex vorbeizukommen, um ihnen einen Kuchen vorbeizubringen.

Nun also die „Küchen-Überraschung“, für die gesamte Klatsch-und-Tratsch-Welt eine mittlere Sensation, ein sorgsam inszenierter Scoop, wie man das früher genannt hätte. In einer Instagram-Story hatte Paltrow in ihrer Küche stehend (wie so oft) Fragen von Fans beantwortet, eine davon war – rein zufällig – die Frage, was denn an den Gerüchten um einen Streit zwischen ihr und Meghan dran sei? Paltrow: „Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung? Hast Du eine?“ Kameraschwenk nach links, auf Meghan, die am Küchentisch hockt, mit den Achseln zuckt, grinsend die Augen verdreht und sich dann eine Gabel voll Kuchen (!) in den Mund schiebt. Also alles gut, erledigt? Natürlich nicht.

Man muss das Reel als eine Art Wiedergutmachung und tatsächliche Nothilfe sehen, denn selbst Gwyneth Paltrow, in ihrer bisherigen Karriere für einen wohltuend entspannten und humorvollen Umgang mit jeglicher Kritik bekannt, hatte offenbar ein schlechtes Gewissen – und half einer Frau zumindest ein wenig wieder auf die Beine, die öffentlich gerade ziemlich am Boden liegt.

Ob Meghan von Sussex sich während der Feuer in Kalifornien zeigt, ob sie ihre neue Netflix-Lifestyle-Serie veröffentlicht, eine neue Marke launcht („As Ever“), über Instagram Marmelade oder Kleidung verkauft oder einen neuen Podcast namens „Confessions of a Female Founder“ (ab 8. April auf Spotify) bewirbt, in dem sie mit Frauen über den „Aufbau eines Milliardendollarbusiness“ redet: Ein Kübel voll Häme und Missgunst wird über sie ausgekippt. Will Sie helfen und Mitgefühl zeigen wie bei den Bränden, werden sie und Harry sie als „Katastrophentouristen“ beschimpft. Ihre Serie wird wahlweise als „realitätsfern“ oder schlicht eine „Lektion in Narzissmus“ beschrieben.

„Meghan lädt Leute in ihr imaginäres Haus ein, die ihr sagen, wie großartig sie ist. Das passiert acht Folgen lang,“ fasst die Kritikerin des „Telegraph“ den Inhalt zusammen, um ein professionelles und noch vergleichsweise mildes Urteil zu zitieren. „Das ist der einfallsloseste Content, den ich je gesehen habe“, heißt es etwa auf X. Oder: „Das ist so verdammt peinlich @netflix“. „Katastrophe“, „schrecklich“ sind weitere gängige Urteile, viele Kommentare – ob zur Mode oder Serie – sind versehen mit Seitenhieben auf das gemachte Nest, in welches sich Meghan hineingesetzt habe. Wäre sie nicht so privilegiert, dann müsste sie einem tatsächlich leidtun – so man nicht komplett abgestumpft ist.

Wobei sie es allen, die ihr Leben und ihre Aktionen verfolgen, auch nicht gerade leicht macht, sie zu mögen. Ihr unbedingter Willen, sich selbst ein Business aufzubauen, das vor allem auf ihrer Prominenz als Frau von Prinz Harry fußt, provoziert eben nicht nur Konkurrentinnen auf dem Feld der Lifestyle-Unternehmerinnen, die sich ihr Gebaren ganz genau anschauen – und kommentieren, wenn sie so cool sind wie Gwyneth Paltrow.

Die hatte – die Vorgeschichte – sich Tage zuvor in einem Instagramvideo subtil über die Lifestyle-Koch-Netflix-Serie „With Love, Meghan“ lustig gemacht, dem aktuell prominentesten Versuch der Herzogin, sich selbst als Entertainmentmarke neu zu etablieren. Eine Serie, so tot langweilig, harmlos und absolut künstlich wie die Umgebung, in der sie inszeniert ist, aber immerhin so oft geschaut, dass Netflix eine zweite Staffel ankündigte. In dem Clip sieht man nun Paltrow, die selbst viele Kochvideos und mit „The Clean Plate: Delicious, Healthy Recipes for Everyday Glow“ einen Kochbuch-Bestseller veröffentlicht hat, im Pyjama und ungeschminkt dabei zu, wie sie in ihrer Küche (natürlich glutenfreie) Buttermilch-Biskuits in den Ofen schiebt, sich Eier und Speck macht und den Hund wuschelt.

Jedes Detail in diesem Video ist eine Message an die Konkurrentin, nichts Zufall, auch wenn Paltrow das mit ihrem Küchenvideo mit einer Überraschungsbesucherin abstreitet – es geht in dieser Art Prominenten-Seifenoper immer um die Details. Die Musik, die Paltrow unterlegte, etwa ist Natalie Coles „This Will Be (An Everlasting Love“), der Song, mit dem Meghan für ihre Netflixserie im Trailer warb. Der Ich-komme-gerade-ungewaschen-und-ungeschminkt-frisch-aus-dem-Bett-Look konterkariert wunderbar das Überperfekte, welches eine stets sorgsam geschminkte, kontrolliert auftretende, meist in Cremetönen gekleidete Meghan in der strahlend sauberen, lichtdurchfluteten und mit Blumen dekorierten Küche der Serie, die nicht ihrer eigene ist, inszenierte. Meghans Serie wurde, zur Enttäuschung aller Fans der Familie Windsor, die auf Schlüssellochmomente hofften, nicht bei ihr Zuhause, sondern in einem angemieteten Haus mit fast unwirklichem Garten gedreht. Ja, selbst die Tasse mit den Initialen und der Hund, den Paltrow streichelt, sind Anspielungen auf Meghans Tasse und den uralten Beagle, der in der Serie in einem Korb in der Küche döste.

Wie schrieb eine Followerin unter Paltrows Video: „Liebe es. Kein Fake-Haus, keine Fake-Küche, keine Fake-Haarextensions, keine fake Freunde – nur ein schönes, wahres Selbst.“ Damit wären auch nahezu alle Vorwürfe gegen Meghan Sussex in nuce zusammengefasst.

Meghan hat sich selbst in eine Zwickmühle manövriert, aus der sie kaum eine Chance hat, unbeschadet oder zumindest „erfolgreich“ wieder herauszukommen. Wer den Briten den geliebten, interessanteren der beiden Diana-Söhne nimmt und ihn außerhalb ihres medialen Zugriffs bringt (also der britischen Boulevardpresse), der darf von dessen ehemaligen „Untertanen“ und Medien keine Milde erwarten. Auch wenn niemand beurteilen kann, ob die Herzogin tatsächlich so schrecklich und zickig und egoman ist wie sie von namenlosen „Insidern“ gern dargestellt wird.

Wer es zudem nicht schafft, im eigenen Land Sympathien zu generieren; wer sein eigenes Business aufziehen und sehr lukrative Deals mit Medienunternehmen machen will und beides allein auf dem Ticket einer Irgendwie-dann-doch-Angehörigen des britischen Königshauses, aber den größten und einzigen Trumpf auf der Hand, nämlich die Möglichkeit, Einblicke in ein Leben mit Prinz Harry und den Kindern zu geben, konsequent nicht spielen will, der darf sich über Genervtheit und Missgunst nicht wundern.

Denn wer immer wieder „echte“ Einblicke verspricht, aber nur teflonartigen Fake-Boring-Rich-Lifestyle anbietet, der muss eben damit leben, dass das Einzige, was beim Publikum übrig bleibt, eine Produktenttäuschung ist.