Das Amtsgericht Mainz hat im zweiten Anlauf sein Urteil in einem Einbruchsprozess gesprochen. Die erste Verkündung ließ der Verteidiger platzen – weil er Handwerker erwartete.

Dass der Anwalt des Angeklagten und der Vorsitzende Richter wohl keine Freunde mehr werden, war am Mittwochnachmittag im Gerichtssaal deutlich zu spüren. Noch vor dem Urteil hatte der Verteidiger zwei Anträge eingereicht: Sein Mandant sei verhandlungsunfähig und der Richter sei befangen. Er wolle aus Protest sein Mandat niederlegen. Das kann er allerdings nicht, weil er Pflichtverteidiger ist. Die süffisante Reaktion des Richters auf die Anträge:

Sie kennen sich offenbar nicht gut aus, das haben Sie vor einer Woche schon gezeigt.

Wie wird man Pflichtverteidiger?

Direkt nach der Festnahme und noch vor dem Haftprüfungstermin eines Verdächtigen macht sich das Gericht auf die Suche nach einer Pflichtverteidigung. Das gilt für alle Menschen, die keinen Anwalt haben und bei denen ein Fall der „notwendigen Verteidigung“ vorliegt. Was eine „notwendige Verteidigung“ ist, regelt Paragraph 140 der Strafprozessordnung. Eine „notwendige Verteidigung“ liegt unter anderem vor, wenn zu erwarten ist, dass die Verhandlung vor einem Oberlandesgericht, einem Landgericht oder einem Schöffengericht stattfindet, oder wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird.

Mandat beginnt bei der Haftprüfung

Im Anwaltsverzeichnis, beim Anwaltsverein und der Kammer gibt es Listen mit Pflichtverteidigern. Die Anfrage vom Gericht erfolgt oft auch telefonisch, denn häufig steckt eine gewisse zeitliche Dringlichkeit in so einem Fall. 24 Stunden nach der Festnahme muss der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt werden. Hier muss ein Anwalt zugegen sein. Findet sich kein Anwalt, der freiwillig die Pflichtverteidigung übernimmt, kann das Gericht einen Anwalt verpflichten. Das Mandat beginnt also bei der Haftprüfung. Es endet mit einem rechtskräftigen Urteil, das heißt: Es endet erst, wenn eine Revision bzw. die Prüfung einer solchen abgeschlossen ist.

Urteil sollte vergangenen Woche gesprochen werden

Vor einer Woche sollte nämlich bereits das Urteil verkündet werden. Kurz zuvor war der Verteidiger des Angeklagten jedoch aus dem Saal gestürmt – weil er laut eigener Aussage einen dringenden Handwerkertermin hatte. Nehme er den nicht wahr, habe er kein fließendes Wasser zu Hause, ließ der Anwalt die Prozessbeteiligten wissen und verschwand.

Mainz

Eine schwarze Robe hängt über einem Stuhl. Am Amtsgericht Mainz hat ein Anwalt einen Gerichtstermin platzen lassen - wegen eines privaten Handwerkertermins


Urteilsverkündung geplatzt
Anwalt stürmt aus Gericht in Mainz – wegen Handwerkertermin

Mit einer knallenden Tür hat ein Verteidiger einen Gerichtssaal am Amtsgericht Mainz verlassen. Deshalb fiel die Urteilsverkündung aus. Das könnte jetzt Folgen haben.

Mi.16.7.2025
10:00 Uhr

SWR4 am Mittwoch

SWR4

Richter wollte Anwalt bei Kammer melden

Der Richter war wenig amüsiert, denn eine Urteilsverkündung darf nur mit dem Anwalt im Gerichtssaal stattfinden – das sieht das Gesetz so vor. Er sprach von einem unprofessionellen Verhalten und kündigte an, den Fall bei der Anwaltskammer zu melden. Ob er diese Ankündigung in die Tat umgesetzt hat, wurde am Mittwoch im Gericht nicht klar.

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Einbrecher muss ins Gefängnis

Der Antrag des Verteidigers, seinen Mandanten untersuchen zu lassen, ob dieser verhandlungsfähig sei, wurde schließlich abgewiesen. Seine Befangenheitsanträge gegen der vorsitzenden Richter zog er zurück. Am Ende sei alles ganz friedlich gewesen, berichten Beobachter, sodass dann tatsächlich ein Urteil verkündet wurde: Der Einbrecher wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.