Verhaltens- und Achtsamkeitstherapie verbessern nicht nur den mentalen Zustand eurer Patienten. Sie mindern außerdem körperliche Beschwerden – und können sogar die benötigte Opioiddosis senken.

Eine neue Studie aus den USA lässt aufhorchen. Es wurde die vergleichende Wirksamkeit von kognitiven Verhaltenstherapien und Achtsamkeitstherapien bei Patienten untersucht, die wegen chronischer lumbaler Rückenschmerzen seit mindestens drei Monaten eine medikamentöse Dauerbehandlung mit Opioiden erhalten. In den USA leiden ca. 50 Millionen Erwachsene an chronischen Schmerzen, welche nicht durch Krebserkrankungen verursacht werden. Ihre Behandlungen kosten jährlich über 600 Milliarden US-Dollar. 

Verhaltens- oder Achtsamkeitstherapie

Chronische Schmerzen im LWS-Bereich führen zu Funktionseinschränkungen, psychischen Problemen und verringern die Lebensqualität. Davon sind 17 Millionen US-Bürger betroffen. Sie sind die größte Patientengruppe nach Patienten mit Krebserkrankungen, die eine Langzeittherapie mit Opioiden erhalten. Dennoch werden ihre Schmerzen oft nicht ausreichend gelindert.

Bei chronischen Schmerzen gilt die kognitive Verhaltenstherapie als psychologische Standardbehandlung. Die achtsamkeitsbasierte Therapie findet als komplementäre und integrative Methode ebenfalls Anwendung. Jedoch sind beide Therapieansätze für die Behandlung von chronischen Rückenschmerzen bei Dauermedikation mit Opioiden unzureichend erforscht. 

Die Studie

In die Studie wurden 770 ambulant behandelte Erwachsene mit einem Mindestalter von 21 Jahren eingeschlossen. Das Durchschnittsalter betrug 57,8 Jahre, der mittlere Schmerzwert auf einer 10-stufigen Skala lag bei 6,1. Ihre Funktionseinschränkungen waren moderat, die gesundheitsbezogene Lebensqualität beeinträchtigt und die Opioiddosis mit 177 MME/d (Morphine Milligram Equivalents pro Tag) sehr hoch. 

Zum Vergleich: Als niedrige Dosierung gelten 20-50 MME/d, schon tägliche Dosierungen ab 90 MME/d, gelten als sehr hoch – welche ca. ein Drittel der Teilnehmer benötigte. Mit einer solchen Dosierung steigt auch das Risiko opioidbedingter Nebenwirkungen. Die meisten waren in den letzten sechs Monaten nicht fähig zu arbeiten. Sie wurden mit jeweils 385 Personen zufällig den beiden Therapiegruppen zugeordnet. Die üblichen Behandlungen mit Physiotherapie usw. wurden fortgesetzt. Zusätzlich erfolgten über acht Wochen wöchentlich zwei-stündige Gruppensitzungen, die von geschulten Therapeuten geleitet wurden. Danach wurden die Therapieprogramme online fortgeführt.

Die eine Gruppe erhielt ein Training in Achtsamkeitsfertigkeiten und angewandter Achtsamkeit, um Schmerz in seine kognitiven, emotionalen und sensorischen Bestandteile zu zerlegen und adaptiv mit Schmerz und negativen Emotionen umzugehen. Die Therapeuten empfahlen ausdrücklich, vor einer Opioid-Einnahme Achtsamkeit anzuwenden. Die andere Gruppe erhielt eine kognitive Verhaltenstherapie mit Programmen kognitiv-verhaltensbezogener Strategien: kognitive Umstrukturierung maladaptiver schmerzbezogener Überzeugungen, Bewältigungsstrategien, Entspannungstraining und Verhaltensaktivierung. Diese Programme sollen ein aktives Selbstmanagement erleichtern.

Die Ergebnismessungen wurden mithilfe validierter Fragebögen und durch Selbsteingabe der Teilnehmer in die Forschungsdatenbank zu Studienbeginn sowie 3, 6, 9 und 12 Monate nach Behandlungsbeginn erhoben. Primäre Ergebnisdaten wurden von 542 Teilnehmern nach 6 und 12 Monaten ausgewertet. 

Kopf-an-Kopf-Rennen

Im Vergleich zu den Eingangswerten verbesserten sich die primären und sekundären Ergebnisse in beiden Gruppen nach 6 und 12 Monaten signifikant. So reduzierte sich der Schmerzwert bei der Achtsamkeitstherapie nach 6 Monaten um 0,35 und nach 12 Monaten um 0,45. Nach der Verhaltenstherapie reduzierte er sich um 0,57 bzw. 0,59. Dies führte zu einem geringeren Opioidverbrauch. Auch die funktionellen Einschränkungen verbesserten sich bei den Patienten beider Gruppen erheblich. 

Die Autoren der Studie finden die Verbesserungen bemerkenswert, da sich normalerweise bei Patienten mit einem so hohen Opioidverbrauch die Beschwerden verschlechtern. Die Unterschiede der Ergebnisse in beiden Therapiegruppen waren statistisch nicht signifikant. Die Autoren vermuten, dass das Ausmaß der Verbesserungen durch die Achtsamkeits- bzw. Verhaltenstherapie gemeinsame Wirkmechanismen beider Interventionen widerspiegeln. Denn beide sind auf das Training schmerzrelevanter Selbstmanagementfähigkeiten zur Regulierung von Kognition, Emotionen und Verhalten ausgerichtet. Allerdings sind die Ergebnisse dieser patientenzentrierten Studie nur eingeschränkt zu bewerten, da es keine Kontrollgruppe gab. Trotzdem wird geschlussfolgert, dass beide Therapieformen für Menschen mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen und Dauertherapie mit Opioiden zur Verfügung stehen sollten, um sowohl ihre Beschwerden als auch ihre Opioiddosierung zu reduzieren.

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Vorherige Erkenntnisse

Zum Thema passt außerdem eine Metaanalyse von insgesamt 301 Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit von 56 verschiedenen nicht-chirurgischen und nicht-interventionellen Behandlungen bei Erwachsenen mit unspezifischen Schmerzen im unteren Rückenbereich im Vergleich zu Placebo, die 2024 veröffentlicht wurde. Bei akuten Rückenschmerzen zeigten sich nur nichtsteroidale Antirheumatika wirksam, bei chronischen Rückenschmerzen Bewegungstherapie und Wirbelsäulenmanipulationen, Taping, Antidepressiva und TRPV1-Agonisten wie Capsicain und das körpereigene Cannabinoid Anandamid. Alle Therapien hatten nur eine geringe Effektstärke. Die Autoren schlussfolgern, dass nur eine von zehn nicht-chirurgischen und nicht-interventionellen Behandlungen von Rückenschmerzen wirksam ist und nur geringe Effekte über Placebo hinaus erzielen kann. Allerdings sind weitere Studien erforderlich, um sicherere Ergebnisse zu erhalten. 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Ärzte bei der Behandlung ihrer Patienten mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen nicht nur an Medikamente und Physiotherapie, sondern auch an Achtsamkeits- oder Verhaltenstherapien denken sollten.

QuelleZgierska et al.: Mindfulness vs Cognitive Behavioral Therapy for Chronic Low Back Pain Treated With Opioids: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open, 2025. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.3204

Cashin et al.: Analgesic effects of non-surgical and non-interventional treatments for low back pain: a systematic review and meta-analysis of placebo-controlled randomised trials. BMJ Evidence-Based Medicine, 2025. online

Bildquelle: serjan midili, Unsplash