Im Grunde brachte es der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Gerald Eisenblätter, am Mittwoch, dem 23. Juli, auf den Punkt, als er sagte: „Sprache entwickelt sich beständig weiter. Niemand sollte zum Gendern gezwungen werden, aber es ist auch kein Fehler. Es wäre besser, wenn der Kultusminister sein Engagement dem Lehrermangel und einer soliden Finanzierung von Bildung widmen würde, anstatt einen übertriebenen Kampf gegen das Gendern zu führen.“

Anlass seiner Wortmeldung war die überarbeitete „Verwaltungsvorschrift (VwV) Rechtschreibung in Schulen“, die zum 1. August 2025 an Sachsens Schulen in Kraft. Damit gelten auch künftig an allen öffentlichen Schulen im Freistaat Sachsen die Vorgaben des Amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung. Sonderzeichen wie Gendersternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder Binnen-I dürfen dann nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch in offiziellen Schreiben keine Anwendung mehr finden, meldete das Kultusministerium am 23. Juli. 

Stattdessen sollen im Sinne einer besseren Verständlichkeit geschlechtsbezogene Paarformen wie „Schülerinnen und Schüler“, geschlechtsneutrale Formulierungen oder Passivformen zum Einsatz kommen. Und – so betont das Sächsische Kultusministerium: Verstöße gegen die amtliche Rechtschreibung werden in schriftlichen Arbeiten als Fehler markiert und bei der Bewertung berücksichtigt. Das aber wieder ist nicht neu.

„Gute Bildung braucht eine klare Sprache“, betont Kultusminister Conrad Clemens bei der Gelegenheit. „Deshalb folgen wir weiterhin den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung und geben unseren Schulen, aber vor allem unseren Schülerinnen und Schülern, verlässliche Regeln. So schaffen wir eine Lernumgebung, in der alle Schülerinnen und Schüler erfolgreich lernen können.“

Es gilt: Das amtliche Regelwerk

Das Amtliche Regelwerk, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung erstmals 2006 herausgegeben wurde, ist Grundlage der deutschen Rechtschreibung. Mit seinen Empfehlungen trägt der Rat dazu bei, die Einheitlichkeit und damit Verständlichkeit der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum so weit wie möglich zu sichern.

Der Rat hat Genderzeichen nicht in das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache aufgenommen und darüber hinaus am 14. Juli 2023 klargestellt, dass Sonderzeichen im Wortinneren nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören. Auch die Kultusministerkonferenz hat die Rechtschreibregelungen als verbindliche Regeln an Schulen beschlossen.

Die Regelung in der aktuell gültigen Fassung der Verwaltungsvorschrift zur Rechtschreibung. Screenshot: LZDie Regelung in der aktuell gültigen Fassung der Verwaltungsvorschrift zur Rechtschreibung. Screenshot: LZ

Sachsen hat seine „Verwaltungsvorschrift (VwV) Rechtschreibung in Schulen“ zuletzt 2023 geändert. Aber wer glaubt, dass darin das Gendern in irgendeiner Form zur Vorschrift wurde, der irrt. Auch diese Vorschrift verweist auf die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung: „Die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 2006 mit den Nachträgen des Rates für deutsche Rechtschreibung im Bericht vom Dezember 2010 ist die verbindliche Grundlage der deutschen Rechtschreibung an allen öffentlichen Schulen.“

Es geht also gar nicht um die von Clemens angeführten „verlässlichen Regeln“ für Schülerinnen und Schüler. Die haben sich überhaupt nicht geändert. Die Vorschrift richtet sich ganz allein an die im Schuldienst Tätigen: Ihnen wird nun eindeutig das Verwenden von Genderzeichen untersagt.

Dass das Abweichen von den offiziellen Rechtschreibregeln als Fehler bewertet wird, ist überhaupt nicht neu.

Der missverstandene Sinn von Sprache

Aber der Leipziger CDU-Bildungspolitiker Holger Gasse interpretiert die Neuformulierung der Verwaltungsvorschrift so: „Ich begrüße die erneute klarstellende Regelung zur Rechtschreibung in unseren Schulen ausdrücklich. Es ist schlimm genug, dass es einer Verwaltungsvorschrift bedarf, um die Vorgaben des Amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung in Schulen für verbindlich zu erklären.“

Da hat er wohl die alte Verwaltungsvorschrift nicht mal gelesen.

„Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist mir persönlich und den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion wichtig. Aber ebenso wichtig ist uns unsere Muttersprache! Sie ist Ausdruck unserer Kultur und Tradition und damit ein wesentlicher Pfeiler unseres Selbstverständnisses. Sie zu pflegen und zu erhalten, sehen wir deshalb als unsere Verpflichtung an“, meint Gasse noch.

Und gibt dann zu erkennen, dass er den Sinn von Sprache doch noch nicht so richtig erfasst hat: „Wer auf das Gendern besteht, instrumentalisiert Sprache zur Positionierung und Politisierung. Damit beraubt er sie aber ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich uns Menschen miteinander zu verbinden, indem wir uns verständigen.“

Stimmt schon: Sprache ist zur Verständigung da. Aber zur Verständigung gehört nun einmal auch, dass genau deshalb Sprache auch „zur Positionierung und Politisierung“ verwendet werden muss. Was denn sonst? Handzeichen? Piktogramme? Sprache ist genau das Feld, auf dem sich Menschen kenntlich machen, Gemeinsamkeiten und Differenzen artikulieren. Sprache ist kein Eiapopeia. Was eigentlich gerade Politiker wissen sollten.

Aber gerade dieser Positionierung und die Meldung aus dem Kultusministerium zeigen eigentlich, dass es einige Amtsträger gibt, die ihre Schwierigkeiten haben mit dem deutlichen und eindeutigen Sprechen. Und den Text dann – Überraschung! – „zur Positionierung und Politisierung“ nutzen. Vielleicht sogar ohne es zu merken. Obwohl Holger Gasse es eigentlich gemerkt haben sollte, als er schrieb: „Es ist schlimm genug, dass es einer Verwaltungsvorschrift bedarf, um die Vorgaben des Amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung in Schulen für verbindlich zu erklären.“

Der Blick in alle Fassungen der Verwaltungsvorschrift aus den letzten Jahren zeigt: In Sachsens Schulen galt immer das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung. Ohne Ausnahme. Egal welche CDU-Minister, welche CDU-Ministerin das Kultusministerium gerade leiteten. Immer hatte die CDU ihre Hand drauf. Und da kommt man dann zu Gerald Eisenblätter und seiner Kritik an den tatsächlichen Unterlassungen im sächsischen Bildungssystem: dem „Lehrermangel und einer soliden Finanzierung von Bildung“.

Der institutionalisierte „Kampf gegen das Gendern“ lenkt nur vom Eigentlichen ab. Wofür er wohl auch inszeniert ist.