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Autor Reinhard Lüschow mit seinem Buch „In guten wie in schlechten Tagen“. © Pinkvoss Verlag
Der gebürtige Staffhorster Reinhard Lüschow veröffentlicht seine Autobiografie und will für Sichtbarkeit sorgen.
Staffhorst / Hannover – Vor 24 Jahren erlangte der gebürtige Staffhorster Reinhard Lüschow bundesweit Bekanntheit: Mit Heinz-Friedrich Harre schloss er in Hannover die bundesweit erste gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft. Beider Beziehung umfasste jedoch weit mehr als nur diesen Moment, und so hat Reinhard Lüschow nun eine Autobiografie veröffentlicht unter dem Titel „In guten wie in schlechten Tagen – Unser Weg zur Ehe für alle“. Sie umfasst den Zeitraum von 30 Jahren, von der ersten Begegnung der beiden bis zum Tod Harres. Über die Entstehung des Werks spricht Reinhard Lüschow im Gespräch mit unserer Zeitung; die Fragen stellte Harald Bartels
Herr Lüschow, wie kam es dazu, dass Sie mit dem Schreiben begannen?
Das ist eigentlich eine etwas merkwürdige Geschichte: Ich bin ja schon im Ruhestand; dienstlich hatte ich mit Kindergeld zu tun, und da arbeiteten wir mit einem Verlag zusammen, der eine Loseblattsammlung herausgebracht hat zu den verschiedensten juristischen Bereichen, unter anderem auch zum Kindergeld. Da habe ich mitgearbeitet und es immer aktualisiert. Mit der Chefin des Verlages hatte ich mich ein bisschen angefreundet, und die kam in meinem Ruhestand auf mich zu und sagte, dass der Verlag, eigentlich ein juristischer Fachverlag, eine ganz neue Reihe über Menschen machen wolle. Die Geschichte von Heinz und mir würde da gut reinpassen, ob ich nicht Lust hätte, da was zu schreiben. Da habe ich überlegt, ein paar Seiten geschrieben – so, wie ich mir das vorstelle – und ihr das gegeben. „Genau so haben wir uns das gedacht“ war die Antwort, dann habe ich mich hingesetzt und das geschrieben.
Wie lange hat das gedauert?
Ich habe ein halbes Jahr daran gesessen, immer wenn ich Zeit hatte. Irgendwann habe ich ihr das Skript gegeben, wir haben es besprochen, ein paar Kleinigkeiten geändert, und das war es dann – dann ist es auf den Markt gekommen.
Wie war das Schreiben für Sie – war es schmerzlich, sich an Dinge zurückzuerinnern oder war es ein schönes Stöbern in Erinnerungen?
Es war wirklich beides. Ich habe mir erst einmal eine Zeitleiste gemacht und überlegt: Was war eigentlich wann? Ich musste mir die Daten zusammensuchen, ein paar Sachen hatte ich auch falsch in Erinnerung, und dann habe ich geschrieben. Es hat Seiten gegeben, da habe ich selber Rotz und Wasser geheult und musste aufhören, weil es mir so nahe gegangen ist. Dann waren Geschichten einfach fröhlich und lustig, die habe ich gerne erzählt – es war ein Wechselbad der Gefühle beim Schreiben.
Was überwog am Ende?
Das zusammenfassende Gefühl ist Dankbarkeit: Ich bin dankbar für die 30 Jahre, die ich mit Heinz verbringen durfte. Es waren schöne Zeiten dabei, es waren auch schlimme Zeiten dabei, aber alles in allem war es schön, diesen Menschen an meiner Seite zu haben, dass wir unser Leben geteilt haben.
Hat sich der Umstand, dass Sie beide das erste Paar mit einer offiziell eingetragenen Partnerschaft waren, in irgendeiner Form auf das Zusammenleben ausgewirkt?
Es hat sich tatsächlich minimal ausgewirkt. Zu sagen „Ich lass’ mich scheiden!“ konnten wir früher nicht, jetzt konnten wir es. Aber für den Alltag hatte es überhaupt keine Auswirkungen. Dadurch, dass wir zufällig das erste Paar waren, waren wir ein bisschen im Fokus der Medien und es gab öfter Anfragen zu Themen wie Öffnung der Ehe. Aber es hat unser Leben selber nicht beeinflusst. Ich denke, wir wären auch sonst zusammengeblieben und hätten die 30 Jahre vollgekriegt ohne dieses Stück Papier im Schrank. Aber: Es war toll, es war ein gutes Gefühl. Und die rechtlichen Folgen waren wesentlich. In einer Diskussion sagen zu können: „Das ist mein Mann, wir sind verheiratet und ich habe eine Vollmacht.“ Richtige Probleme hatten wir nicht, auch als Heinz so krank war, die Vollmacht würden die Krankenhäuser bei Ehemann und Ehefrau auch verlangen. Für meine Begriffe haben wir einen relativ normalen Alltag gelebt.
Gab es negative Auswirkungen durch die Öffentlichkeit?
Wirklich minimal. Wir sind nicht bepöbelt worden, wir haben höchstens mal „blöde Post“ bekommen, die hat man dann weggeschmissen und dann war es gut. Dass wir angegriffen werden oder ein Stein ins Fenster geschmissen wird, das haben wir nicht erlebt. Wobei ich sagen muss: Ich bin immer noch 1,78 Meter groß und habe breite Schultern, wenn ich abends irgendwo langgehe, überlegen sich Leute, ob sie pöbeln. Von Freundinnen weiß ich, dass sie, wenn sie als Frauenpaar unterwegs sind, vorsichtiger sind.
Hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?
Es ist tatsächlich schlimmer geworden. Anfang der 2000er hatten wir noch zu kämpfen mit rechtlichen Ungerechtigkeiten, aber Angriffe gab es nicht groß. Das ist in den vergangenen Jahren schlimmer geworden: Wir werden mehr diskriminiert, und die Politik hilft leider nicht übermäßig viel, eher im Gegenteil. Deswegen geht es auch darum, sichtbar zu werden: „Out of the closet, into the street“, also „Raus aus dem Schrank, rein in die Straßen“. Das war auch eine Motivation für dieses Buch, zu sagen: Hey, wir hatten eine normale Partnerschaft, guckt euch das an, lest es ruhig. Wir hatten einen ganz normalen Alltag, wir waren nur eben zwei Männer. Wir hatten nicht die klassische Rollenverteilung, sondern wir mussten uns immer einigen: Wer macht was? Und das haben wir gut hingekriegt. Wir nehmen ja auch niemandem etwas weg.
Das Buch ist im Juni erschienen – wie sind denn bislang die Reaktionen darauf ausgefallen, gerade aus dem Kreis von Personen, die Sie beide gekannt haben?
Bisher durchweg positive Reaktionen, selbst meiner 88-jährigen Mutter hat es gefallen. Sie habe vieles schon wieder vergessen und es war schön, sich das alles wieder in Erinnerung zu rufen. Eine Freundin von mir sagte: „Das war, als ob du neben mir gesessen und das alles erzählt hättest.“ Sie fand es ein bisschen komisch, ein Buch zu lesen, in dem sie alle kennt.
Es sind schon mehrere Lesungen anberaumt – ist auch eine in der alten Heimat geplant?
Noch nicht. Ich habe gerade eine Anfrage bekommen von einer Freundin aus Nienburg, die fragte, ob ich da auch hinkomme oder ob mir das schon zu dicht an zu Hause ist, aber das ist gar kein Problem. Der Verlag organisiert das für mich, und wenn Anfragen kommen aus Sulingen, Siedenburg, würde ich das gerne machen.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich sitze schon an meinem zweiten Buch! Es sind einige auf mich zukommen und haben gesagt: Du hast das so toll geschrieben, da musst du weiterschreiben. Weiterschreiben ist blöd, denn das „Weiter“ ist mein zweiter Mann Michael, und das läuft. Es geht nun um die Zeit davor – meine Kindheit, Jugend, wie bin ich eigentlich groß geworden als dicker, schwuler Junge auf dem Land? Da bin ich schon ziemlich weit, und ich hoffe, dass es auch irgendwann auf den Markt kommt.
Über das Buch
Die Autobiografie „In guten wie in schlechten Tagen – Unser Weg zur Ehe für alle“ erschien im Juni in der Reihe „Menschen“ im in Hannover ansässigen Pinkvoss Verlag. Es umfasst 298 Seiten mit farbigen Fotos. Mit der ISBN 978-3-932086-45-8 ist es zum Preis von 24 Euro im Buchhandel erhältlich.