Dort, auf der Baustelle, bei der man nicht so recht weiß, was eigentlich gebaut wird, begegnen den Zuschauern Bauarbeiter und Chefs – erkennbar an einem aus Absperrbändern gefertigten grotesken Kopfschmuck. Es begegnen einem „Nachtschichtsicherheitsbefugte“, die sich um „Nachtsichtsicherheitsleuchten“ kümmern. Außerdem Tänzerinnen und Jongleure, Nachrichtensprecher und Regisseure, Suchende und Findende. Zu letzteren gehört Jessica Haas, die hartnäckig nach ihrem „Schatz“ sucht und fast 100 Minuten braucht, um ihn zu finden. Vor allem begegnen sich auf dieser Baustelle Menschen, die vielfältiger nicht sein könnten. Und diese Menschen begegnen sich hier auffällig häufig mit Respekt.
Szene aus „Schichtwechsel“ Foto: Björn Klein
Für all das gibt es keine Vorlage. Nur einen Kompass namens Menschlichkeit. Der aus der Freien Szene hervorgegangene Spielclub, der sich jetzt unter der freundlichen Leitung des Schauspiels befindet und allen Interessierten offensteht, hat sich dieses Stück über Monate hinweg Probe für Probe erspielt und erarbeitet bis sich die Collage aus Lebens-Baustellen unter der Spielleitung von Anke Mark, Leah Lagemann und Aaron Smith am Ende zu etwas Ganzem zusammenfügte.
Als wiederkehrendes Element dient das von Baustellen bestens vertraute Dixi-Klo, dessen Funktionalität sich in „Schichtwechsel“ ständig verändert – mal ist es Mini-Disco, mal Tiny-Haus, in das eine Familie Piccolo einzieht, mal ist es ein Beichtstuhl und in ursprünglichen Sinne auch ein stilles, meist jedoch lautes Örtchen. Wie im richtigen Leben – und das ist hier das richtige Leben! – gibt es ernste Momente. Etwa, wenn Maxime Metzger im Rollstuhl auf das Publikum zurollt und sagt: „Das Leben ist eine Baustelle. Immer liegt irgendwas rum.“ Und dann einige Momente später: „Sie erwarten jetzt nicht, dass ich mit Ihnen über Barrieren spreche?!“ „Zur Entspannung“ lässt er das Publikum Atemübungen machen. Danach geht’s einigermaßne barrierefrei weiter.
Ein vor Lebensfreude strotzendes Finale
Oder die Szene, in der Michelangelo Ferrentino als Italienischstämmiger mit dem Thema Zugehörigkeit ringt, sich versehentlich im Dixi-Klo einschließt und, an der Tür rüttelnd, feststellt: „In Deutschland geht es immer nach rechts.“ Auch die Weltlage blitzt immer mal wieder auf. Daneben ist jedoch reichlich Platz für Humor bis hin zu Klamauk.
Und es ist Platz für Tanz! Ja, es wird viel getanzt und gelacht an diesen beiden Abenden, untermalt von Techno-Rhythmen. Das alles mündet in ein vor Lebensfreude nur so strotzendes Finale. Dafür gibt es Applaus im Stehen für einen Spielclub, dem es gelingt, vor und mit dem Publikum Verbindendes zu schaffen, das die Herzen berührt.
Eine weitere Vorstellung findet am 5. November statt. Tickets gibt es ab 4. September.