Paris. Unschuldig sei sie, die Ermittlungsrichter hätten schlecht gearbeitet, sie werde das beweisen und keinesfalls von ihren politischen Ämtern zurücktreten. Die Selbstverteidigung von Rachida Dati im französischen Fernsehen als Reaktion auf die Nachricht, dass sie wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht muss, war so kämpferisch wie vorhersehbar.

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Die 59-Jährige, eine der wichtigsten Figuren der französischen Republikaner, ist als angriffslustig und hartnäckig bekannt. Sie spricht schnell und in einem Ton, der keinen Widerspruch zulässt.

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Als Studentin bombardierte sie einst Männer in Machtpositionen, darunter auch ihren wichtigsten Mentor, den späteren Präsidenten Nicolas Sarkozy, mit Briefen, um für sie arbeiten zu können. Mit Erfolg: Die diplomierte Juristin legte eine steile politische Karriere hin, als Justizministerin unter Sarkozy, EU-Parlamentarierin und Bürgermeisterin des schicken siebten Arrondissements von Paris. Aktuell ist sie zudem Kulturministerin.

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Diese Erfolge wie auch ihr Ruf stehen durch die Anklage auf dem Spiel. Dati wird vorgeworfen, in den Jahren 2010 bis 2012 in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete verbotenerweise Lobbyarbeit für den Automobilkonzern Renault-Nissan betrieben und dafür 900.000 Euro erhalten zu haben. Ihrem Vertrag nach sollte sie das Unternehmen als Anwältin bei Aktivitäten in den Maghreb-Staaten unterstützen.

Flucht von Konzernchef löst Anklagewelle aus

Der Anklageschrift zufolge war die von Dati kassierte Summe allerdings „einerseits disproportional und ungerechtfertigt, andererseits illegal“. Die einzigen nachweisbaren Arbeitsleistungen hätten in ihren Versuchen bestanden, Einfluss im Sinne ihres Auftraggebers auszuüben.

Ihre Tätigkeit für Renault-Nissan kam erst infolge der spektakulären Entlassung und Flucht des langjährigen Konzernchefs Carlos Ghosn ans Licht. Um der Anklage durch die japanische Justiz zu entgehen, ließ er sich Ende 2019 in einem Koffer versteckt in den Libanon transportieren. Auch Ghosn, gegen den mehrere internationale Haftbefehle vorliegen, wird angeklagt.

Vorwürfe gegen Dati sind nicht neu

Es sind nicht die ersten Korruptions- und Lobbyvorwürfe gegen Dati, die sich in ihrer Zeit im EU-Parlament auch vom Erdgasunternehmen GDF Suez bezahlt wurde und nachdrücklich für die Interessen der Gasindustrie eintrat. Bei der Transparenzbehörde gab sie außerdem Schmuck in Höhe von 420.000 Euro nicht an, den sie von ihrem Ex-Lebenspartner Henri Proglio, dem einstigen Chef des Energiekonzerns EDF, erhalten haben soll.

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Darüber hinaus focht sie vor Gericht einen Streit um die Vaterschaft ihrer Tochter Zohra aus, seitdem muss ihr der Unternehmer Dominique Desseigne beträchtliche Unterhaltszahlungen leisten. Im persönlichen Gespräch kann Dati zugleich durchaus liebenswürdig, in jedem Fall humorvoll und dynamisch wirken.

Dati erhielt Rückendeckung von Macron

Trotz des anstehenden Prozesses erhielt sie weiter Unterstützung von Justizminister Gérald Darmanin und von Präsident Emmanuel Macron. Aufgrund der Unschuldsvermutung könne sie in der Regierung bleiben, ließ Macron über sein Umfeld streuen.

Bei der Regierungsumbildung im Januar 2024 galt es als wertvoller Überraschungs-Coup für ihn, die Republikanerin zu gewinnen. Dati verfügt über eine Aura als Politik-Promi und ist trotz ihrer provokanten, skrupellosen Art über Parteigrenzen hinweg beliebt. Die Tochter eines Maurers aus Marokko und einer algerischen Hausfrau gilt als Verkörperung des französischen Aufstiegsversprechens. Aufgewachsen ist sie mit zehn Geschwistern in einfachen Verhältnissen in einer Vorstadt von Lyon, längst aber lebt sie in einem der nobelsten Vierteln von Paris.

Insidern zufolge forderte sie als Gegenleistung für ihren Eintritt in die Regierung die Unterstützung von Macrons Partei bei den Kommunalwahlen im März 2026. Dann will Dati die sozialistische Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, ihre langjährige Gegenspielerin, beerben, die nicht mehr kandidiert. Es ist unwahrscheinlich, dass ihr Prozess noch vor der Wahl stattfindet.

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Doch das Verfahren wie auch Datis Umgang mit den Vorwürfen geben ihren Gegnern Nahrung. „Ein Volksvertreter hat die Richter nicht anzugreifen“, sagte Clément Beaune, ebenfalls früher Minister unter Macron, der selbst Ambitionen auf das Bürgermeister-Amt hegt. „Wir sind nicht in den Vereinigten Staaten von Donald Trump, wir sind die Französische Republik.“