Die Veranstalter erwarten am Samstag „den größten CSD aller Zeiten in Stuttgart“. Nach dem Streit um die CDU-Absage sagt der Fraktionschef, er hätte den Truck privat zahlen sollen.
Mit zwei Großereignissen steuern die bundesweiten Pride-Wochen auf einen Höhepunkt zu: Sowohl in Berlin als auch in Stuttgart gehen an diesem Samstag zeitgleich Zehntausende auf die Straßen. Da wie dort erklären die Veranstalter: Da queerfeindliche Tendenzen zunähmen, sei Sichtbarkeit wichtiger denn je.
Über 160 Formationen – so viele wie nie zuvor – haben sich für Stuttgart angemeldet, um zwischen 13.30 und 17 Uhr vom Feuersee bis zur Planie am Schlossplatz zu ziehen. Der CSD-Verein erwartet 7000 bis 10.000 Teilnehmende, die mitmarschieren oder mitfahren bei der Politdemo – was aber auch vom Wetter abhänge. Da es kälter und regnerisch werden soll, könnte die Zahl der Menschen, die am Straßenrand stehen, niedriger sein als vor einem Jahr. Von Prognosen, wie viele Menschen kommen, sieht man diesmal deshalb ab. Die erste Zahl, man rechne wieder mit 500.000 Besuchenden, sei „etwas zu hochgegriffen“. Stuttgart werde auf alle Fälle ein starkes Signal unter dem Motto „Nie wieder still“ setzen.
Die Route des CSD in Stuttgart. Foto: Grafik/Lange Kritik an der Absage der CDU auch innerhalb der Partei
Überschattet wird die Vorfreude der Veranstalter in Stuttgart von einem politischen Streit: Die CDU wird erstmals seit etwa zehn Jahren nicht mit einem eigenen Truck am CSD teilnehmen – dies sorgt innerhalb der Community und parteiübergreifend für Unverständnis und Kritik. Aber auch innerhalb der CDU sind Stimmen laut geworden, die provokanten Äußerungen des CDU-Kreisvorsitzenden Max Mörseburg („der CSD ist eine linke Partyveranstaltung“) seien falsch gewesen – wie auch die Absage generell. Demokratische Kräfte müssten zusammenhalten, hört man auch aus Reihen der CDU. Lediglich mit einem Infostand ist die Lesben und Schwulen Union (LSU) vertreten.
Zunächst hatte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz erklärt, die Partei habe die Kosten für einen Truck nicht aufbringen können – zur kostenlosen Fußgruppe war man nicht bereit. Nach der heftigen Kritik sagt Kotz am Freitag unserer Redaktion nun: „Ich hätte die 10.000 Euro für den Truck vielleicht noch einmal privat bezahlen sollen.“
Trucks gibt es für den CSD ab 1000 Euro
Laut Speditionen können Lastwagen für die Politdemo auch wesentlich preisgünstiger gemietet werden. Die Kosten dafür fangen bei 1000 Euro an, inklusive Fahrer. Dann muss der Wagen aber selbst geschmückt sowie eine Musikanlage und bei Bedarf auch ein Dixi-Klo noch dazu gebucht werden.
Gibt es kein Geld von der Stadt für die Fraktionen, die beim CSD mitmachen? Auf unsere Anfrage erklärt die Pressestelle des Rathauses, unter bestimmten Voraussetzungen sei dies möglich – nämlich über den Etat der Öffentlichkeitsarbeit.
Was zahlt die Stadt für den CSD?
Geld gibt es nicht für die Parteien, aber für die Fraktionen. „Es muss sich um informierende Öffentlichkeitsarbeit handeln“, erklärt Stadtsprecherin Katharina Ronge. Dabei müssten die Faktionen „sachlich über ihre konkrete Arbeit im Gemeinderat“ berichten, reißerische Werbung sei unzulässig. Die Fraktionen müssten sich dabei an den „haushaltswirtschaftlichen Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit“ halten.
Wird dies alles beachtet, kann Geld für den CSD fließen – etwa für Flyer, „die über kurz zurückliegende und aktuelle Anträge oder konkrete Positionierungen der Fraktion zu Gleichstellungsthemen, die sich auf die Gemeinderatsarbeit beziehen, informieren“. Ein Truck mit Musik sei aber „nicht verhältnismäßig, wenn das Ziel lediglich die Verteilung von Informationsmaterial ist“, erklärt die Pressestelle.
Scharfe Kritik der Grünen
Die Grünen haben sich als Fußgruppe bei der CSD-Demo angemeldet, für die erstmals keine Teilnahmegebühr verlangt wird. „Das Fernbleiben der CDU von der CSD-Demonstration ist nicht bloß ein symbolischer Akt, sondern ein Rückzug aus der Verantwortung für eine offene Gesellschaft“, kritisiert Marc Kirsch, der Kreisvorsitzende der Grünen. Die CDU müsse sich fragen lassen, „ob sie weiter nach rechts rücken will – oder ob sie bereit ist, sich wieder klar zur freiheitlich-demokratischen Mitte zu bekennen“, erklärt Amelie Montigel, die zweite Kreisvorsitzende.
Der CSD sei „keine parteipolitische Bühne, sondern eine zivilgesellschaftliche Bewegung mit einer langen Geschichte im Einsatz für Gleichberechtigung, Respekt und Teilhabe“, heißt es außerdem in der Erklärung der Stuttgarter Grünen. Der CSD verdiene die Unterstützung aller demokratischen Kräfte – „insbesondere in Zeiten, in denen diese Grundwerte erneut unter Druck geraten“.
Danyal Bayaz hisst die Regenbogenfahne auf dem Neuen Schloss. Foto: Finanzministerium Finanzminister Bayaz hisst die Regenbogenfahne auf dem Neuen Schloss
Vor dem Start der CSD-Demo hat Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) persönlich die Regenbogenfahne auf dem Türmchen des Neuen Schlosses gehisst. Von seinem Videoteam ließ er sich begleiten, als er die engen Treppen hochgestiegen und dann ins Freie getreten ist, um mit wunderschönem Blick auf den Schlossplatz das Symbol der queeren Community hochzuziehen, die für einige Tage die Baden-Württemberg-Fahne ablöst. Am Reichstagsgebäude hat dies die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verboten, was Bayaz nicht versteht. „Die bunte Fahne steht für das Ausleben der Freiheitsrechte, die sich in unserem Grundgesetz wiederfinden“, sagt er.