Im RMCC Wiesbaden treffen sich Militärs und Rüstungskonzerne zur „Landeuro“-Konferenz – Proteste formieren sich. Die Linke ruft zum Widerstand auf.

Während in den Kitas das Personal fehlt und Brücken dringend saniert werden müssten, tagt in einem der modernsten Veranstaltungszentren Deutschlands eine Konferenz, die mit dem Namen Landeuro nüchtern daherkommt – und doch tief in die politischen Grundfragen unserer Zeit hineinragt. Führende Militärs, Vertreter der Rüstungsindustrie und politische Entscheidungsträger sprechen im RMCC in Wiesbaden über Gegenwart und Zukunft der Landstreitkräfte in Europa. Was nach Strategie klingt, bedeutet de facto: Kriegsvorbereitung.

Die Veranstalter fordern

Keine Militärkonferenzen wie „Landeuro“ in Wiesbaden
Ein Ende der Rüstungsstationierung in Mainz-Kastel
Abrüstung statt weitere Militarisierung
Ein Stationierungsmoratorium und neue Abrüstungsverhandlungen

Schweigen ist Zustimmung – sagen die Kritiker

Nicht alle in der Stadt wollen das einfach hinnehmen. Unter dem Motto Jeder Krieg beginnt mit Worten – und Widerstand auch! ruft die Wiesbadener Linke gemeinsam mit einem Bündnis aus Friedensinitiativen zur Kundgebung auf. Treffpunkt: heute, 16 Uhr, vor dem RMCC.

Ihr Vorwurf: Die Konferenz normalisiere nicht nur Krieg, sie betreibe aktive Vorbereitung. „Was hier diskutiert wird, betrifft uns alle – und zwar nicht theoretisch, sondern existenziell“, sagt eine Sprecherin des Wiesbadener Bündnisses gegen Raketenstationierung.

Aufrüstung auf dem Rücken der Gesellschaft?

Hinter der Kritik steckt ein tieferer Vorwurf: Während die Bundesregierung Milliarden in Rüstung pumpt – 100 Milliarden Sondervermögen, ein historischer Rüstungsnachtragshaushalt und weitere Erhöhungen sind beschlossen – bricht andernorts die öffentliche Infrastruktur zusammen. Schulen kämpfen mit Sanierungsstaus, die Gesundheitsversorgung leidet, und selbst für den Klimaschutz fehlen Mittel. „Die Sektkorken knallen bei Rheinmetall, während Eltern um Kita-Plätze kämpfen“, bringt es ein Aktivist auf den Punkt.

RMCC: Ort des Dialogs – oder der Abschottung?

Das Rhein-Main Congress-Center in Wiesbaden ist eigentlich stolz auf seine Rolle als Plattform für Austausch. Doch diesmal scheint der Austausch einseitig zu verlaufen. Die Landeuro tagt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen – Zugang haben nur akkreditierte Gäste. Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin, Krauss-Maffei Wegmann oder MBDA sind vertreten. Öffentlich diskutiert wird nicht.

Fiktion mit fatalem Realitätsbezug?

Einen besonderen Akzent setzte das Bündnis am Morgen mit einer bewusst fiktiven Pressemitteilung: Darin wird US-Präsident Trump skizziert, der 2027 von Mainz-Kastel aus Hyperschallraketen Richtung Russland abschießen lässt. Alles reine Spekulation, betonen die Verfasser – aber „eine, die das derzeitige politische Denken logisch zu Ende denkt“.

In einem Punkt trifft die Fiktion die Realität: Die USA planen tatsächlich neue Raketensysteme in Europa, die auch von Standorten in Hessen aus gesteuert werden könnten. Wiesbaden, genauer: der US-Standort in Mainz-Kastel, wäre strategisch Teil dieses Szenarios.

Ziviler Ungehorsam oder demokratischer Weckruf?

Der Aufruf zur Demonstration richtet sich nicht nur an die breite Bevölkerung, sondern auch an die Stadtpolitik: Die Landeshauptstadt Wiesbaden sei Mitglied bei Mayors for Peace und Unterstützerin des ICAN-Städteappells zur Abschaffung von Atomwaffen. „Das passt nicht zur stillen Duldung einer der größten Militärkonferenzen Europas“, heißt es aus dem Bündnis weiter

Und die Stadt?

Der Magistrat hält sich bisher bedeckt. Die Konferenz/Verastaltung ist angemeldet, rechtlich genehmigt – doch politisch bleibt sie umstritten. Ob Wiesbaden ein neutraler Gastgeber oder ein stiller Mitspieler ist, wird wohl auch von der Reaktion auf den Protest abhängen.

Gegen 16 Uhr wird es jedenfalls laut – und vielleicht auch ein wenig unbequemer im RMCC.

Foto – Landeuro, Nachzügler auf dem Weg zur Konferenz. ©2025 Volker Watschounek

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