Herr Wagner, wie sehr schätzen Sie guten Kaffee?
SANDRO WAGNER: Ich liebe Kaffee.

Sie sollen in Ihrem Trainerbüro eine sehr teure Maschine stehen haben. Von 4500 Euro ist die Rede.
WAGNER: Um das klar zu stellen: Mein Wunsch war eine Kaffeemaschine. Es ging nicht um Model X oder Y oder gar eine Siebträgermaschine. In unserem Trainerbüro steht für uns alle ein ganz normaler Vollautomat. Der kolportierte Preis stimmt so auch nicht. Mir ging es um einen gewissen Wohlfühlfaktor, wenn wir uns als Trainerteam zwölf oder 14 Stunden am Tag auf dem Trainingsgelände aufhalten. Der Trainerbereich befindet sich nicht mehr im Spielertrakt, die Jungs sollen unter sich sein. Die Infrastruktur ist wirklich top, wir haben nur ein paar kleinere Veränderungen vorgenommen, die für die Gruppendynamik aber wichtig sind.

Nicht nur die Kaffeemaschine ist neu. Die LED-Wand auf dem Trainingsplatz hat 100.000 Euro gekostet, zudem wurden iPads für die Trainingseinheiten angeschafft. Muss ein Bundesligist solche Rahmenbedingungen inzwischen bieten?
WAGNER: Um Themen wie Videoanalyse oder GPS-Tracking abzudecken, benötigst du moderne Technik und Infrastruktur. Wir brauchen nichts, weil es schön oder cool ist, sondern weil es der Arbeit dient. Mir schwebt schon immer das 360-Grad-Bild vor, beispielsweise die individuelle Gestaltung einer Kabine. Spieler müssen sich auch wohlfühlen, um top Leistungen abzurufen.

Sie beschreiben es: Profifußballer bewegen sich in einer Komfortzone. Fahren teure Autos, leben im Luxus. Ist es schwierig, dabei bodenständig und demütig zu bleiben?
WAGNER: Überhaupt nicht. Entscheidend sind Kommunikation und Umfeld. Wir sind privilegiert, aber nicht besonders. Natürlich ist das auch ein schmaler Grat.

Ihnen ist das gelungen.
WAGNER: Natürlich gibt es Ausnahmen, aber tatsächlich sind viele, die ich kenne, normal und bodenständig geblieben.

Inwieweit hat Sie da Ihre Kindheit in München-Sendling geprägt?
WAGNER: Ich kann mich mit jedem Menschen unterhalten – egal ob er CEO ist oder sonst wo arbeitet. Ich hatte als Kind nichts, war aber trotzdem glücklich. Deshalb habe ich wohl keine Verlustängste oder dergleichen.

Welche Rolle spielte der Fußball?
WAGNER: Fußball war und ist mein Leben, ich liebe diesen Sport. Das ist eine Form von Kunst, man kann sich darin ausdrücken. Auch als Trainer. Ich kann beeinflussen, wie wir als Mannschaft wahrgenommen werden möchten.

Schon als Kind spielten Sie für den FC Bayern. Besteht deshalb eine besondere Bindung?
WAGNER: Wenn man vom siebten bis zum 19. Lebensjahr jeden Tag an der Säbener Straße ist, macht das was mit einem.

Sie haben früh Druck kennengelernt.
WAGNER: Das gehört im Leistungssport und im NLZ dazu. Ich habe alles selbst durchgemacht. Nach jeder Saison in der Jugend hieß es: Du kommst weiter, es wird schwierig oder du kommst nicht weiter.

Auf Ihrer ersten Pressekonferenz in Augsburg sagten Sie, Sie hätten kein Gespür-Organ für Druck.
WAGNER: Das ist typabhängig. Ich bin glücklicherweise in diesem Thema nicht befangen. Aber jeder hat seine mentalen Gegner. Mich treibt Druck an, ich bin besessen und perfektionistisch veranlagt. Wenn jemand gesagt hat: Das kannst du nicht, hat mich das motiviert.

Sie stehen für Ehrlichkeit und Emotionen. Standen Ihnen diese Eigenschaften mitunter im Weg?
WAGNER: Ich fühle mich mit dem Wort Klarheit wohler. Es kann vielleicht kurzzeitig helfen, wenn du weniger klar bist, aber ich sehe den gesamten Prozess. Anderer Meinung zu sein, ist überhaupt nicht schlimm. Wichtig ist, miteinander zu sprechen. Ich habe Lehrgeld bezahlt und gestehe auch jedem anderen Fehler zu. Für mich spiegelt das eine Entwicklung wider.

Würden Sie manche Aussage heute nicht mehr treffen?
WAGNER: Ich würde manches klarer formulieren und besser erklären. Zugleich habe ich gelernt, welche mediale Welle das zur Folge hatte. Ja, ich hätte manches anders gemacht – aber auch diese Erfahrung hilft extrem.

Eine Erfahrung war auch, mit 23 Jahren Vater zu werden. Wie sind Sie damit klargekommen?
WAGNER: Das hat mich echt umgehauen. Als Vater die Verantwortung für den ganzen Lebensweg eines Menschen zu haben, das hat mich anfangs überwältigt.

Ist für Sie die Familie deshalb heute so wichtig?
WAGNER: Ich kann nicht arbeiten, wenn ich weiß, dass zuhause nicht alles in Ordnung ist. Fußball ist wunderschön und soll den Menschen Spaß bereiten, aber es gibt wichtigere Dinge im Leben. Deshalb steht für mich auch der Spieler als Mensch im Mittelpunkt. Ich muss wissen, was ihn umtreibt, um ihn einschätzen und ihm helfen zu können. Seinen Charakter werde ich nicht ändern und das will ich auch gar nicht.

Sie beherrschen den Doppelpass mit den Medien, während die heutige Spielergeneration nichtssagender wirkt.
WAGNER: Ich möchte nicht immer glorifizieren, was früher war. Was ein Kahn oder später Müller gesagt haben. Ich finde sogar, die Spieler sind mündiger und fordernder geworden.

Was würde der Trainer Wagner dem Spieler Wagner raten?
WAGNER: Er selbst zu sein und klar zu kommunizieren. Ein Spieler kann einen schlechten Tag haben, aber er muss mir sagen, was los ist.

Sind Sie in der Rolle als Trainer öffentlich zurückhaltender?
WAGNER: Eigentlich nicht. Ich sage immer noch, was ich in dem Moment denke. Vielleicht überlege ich mehr, was daraus entstehen könnte. Wobei es auch so ist, dass man mit Mitte 20, wenn man eine rebellische Ader hat, auch bewusst mal eine Spitze setzt.

Wann war für Sie klar, dass Sie Trainer werden?
WAGNER: Mit Mitte 20. Der Job hat mich schon immer fasziniert.

War es schwierig, sich als Spieler im Umgang mit Trainern zurückzunehmen?
WAGNER: Ich habe schon ab und zu meine Meinung gesagt. Das hängt aber auch vom jeweiligen Trainer ab, wie offen er dafür ist.

Hat es auch mal gescheppert?
WAGNER: Mit Sicherheit (lacht). Aber nie im Bösen. Es ging nur um unterschiedliche Meinungen. Vor zehn Jahren war die Trainergeneration eine andere. Der Trainerberuf heutzutage macht mir viel mehr Spaß als das Fußballspielen.

Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sandro Wagner, der zu dieser Zeit Assistenztrainer beim DFB war.

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Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sandro Wagner, der zu dieser Zeit Assistenztrainer beim DFB war.
Foto: Federico Gambarini/dpa

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Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sandro Wagner, der zu dieser Zeit Assistenztrainer beim DFB war.

Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sandro Wagner, der zu dieser Zeit Assistenztrainer beim DFB war.
Foto: Federico Gambarini/dpa

In der Nationalmannschaft standen Sie als Co-Trainer in der zweiten Reihe. Ein Problem für Sie?
WAGNER: Überhaupt nicht. Auch wenn es nicht immer einfach ist, Ideen eines Cheftrainers zu haben – und keiner zu sein. Wir haben das aber sehr gut hinbekommen.

Hat es mit Julian Nagelsmann mal gescheppert?
WAGNER: Nein, nie.

Warum sind Sie nicht bis zur WM beim Nationalteam geblieben?
WAGNER: Nach meiner Zeit in Unterhaching wollte ich weiter als Trainer lernen, hätte ohne den Fußballlehrer aber nur auf U19 oder Regionalliganiveau trainieren können. Ich war eigentlich für die U20 zuständig, dann ging es aber schnell zur A-Nationalmannschaft. Intern habe ich immer kommuniziert, dass ich Cheftrainer werden möchte.

War es ein Fehler, im Januar zu erklären, dass Sie in jedem Fall bis zur WM 2026 bleiben wollen?
WAGNER: Als ich das im Interview Ende vergangenen Jahres gesagt habe, war das mein ehrlicher Plan. Ich wollte auch ein Stück weit für Ruhe im Verband sorgen, weil es damals immer wieder Gerüchte um mich gab. Zudem ist der Wunsch, wieder Cheftrainer zu sein, nach dem Start des Trainerlehrgangs im Januar immer stärker geworden. Aber wie gesagt: Intern habe ich immer offen und klar mit den Verantwortlichen gesprochen.

Wann war Ihnen klar, dass Sie zum FC Augsburg wechseln?
WAGNER: Als ich mich Ende Mai mit Michael Ströll getroffen habe. Ich war zuvor mit zwei, drei anderen Vereinen in den Gesprächen recht weit, habe aber letztlich abgesagt. Dann hat Michael Ströll bei mir vorgefühlt. Als wir uns erstmalig getroffen haben, ging es richtig in die Tiefe. Das war beeindruckend und von allen Vereinen, mit denen ich zu tun hatte, am professionellsten. Er wusste alles von mir, hat aber auch den FCA detailliert vorgestellt. Danach bin ich nach Hause gefahren und habe gespürt: Das ist es.

Beim FCA folgen Sie auf den nach Punkten sehr erfolgreichen Trainer Jess Thorup. Gehen Sie ein Risiko ein?
WAGNER: Ich kenne kein Risiko. Sonst dürfte ich immer nur zu Vereinen gehen, die vorher nicht erfolgreich waren. Das wäre eine Angsthaltung, die ich nicht habe. Wir wollen Sachen anders machen und positive Dinge der vergangenen Jahre mitnehmen. Ich habe höchste Wertschätzung für Jess Thorup.

Hatten Sie Kontakt mit Thorup?
WAGNER: Nein. Ich kenne Trainer-Kollegen, die machen das nur, um einen Haken für sich und vor allem für die Öffentlichkeit dahinter zu setzen. Für mich ist die Wertschätzung ihm gegenüber wichtiger. Und die ist da – auch ohne Telefonat.

Sie sind überzeugt davon, ein besserer Trainer als Spieler zu werden. Warum?
WAGNER: Ich bin überzeugt von meinem Weg. Auch als Spieler hatte ich für mich eine top Karriere. Als Trainer bringe ich viel mit, vor allem Power. Das braucht es auch. Gleich der Auftakt in der Liga hat es mit Freiburg und den Bayern in sich. Wir sehen von Anfang an, wo wir stehen. Das ist eine große Herausforderung. So etwas liebe ich.

Nehmen Sie rund um Ihre Person eine gesteigerte Aufmerksamkeit wahr, vielleicht sogar einen Hype?
WAGNER: Ich spüre keinen Hype. Ich spüre nur, dass jeder Bock hat. Auch im Urlaub hatte ich das Gefühl, jeder ist plötzlich Augsburger, so viele Leute haben mich angesprochen.

Nur selbst haben Sie keine Lust mehr, Fußball zu spielen. Auch nicht in einem Hobbykick?
WAGNER: Das hat vor allem körperliche Gründe. Ich habe Arthrose im Knie und Sprunggelenk. Ich will mich noch bewegen können und gehe ins Fitnessstudio, um gesund zu bleiben.

Unsere Redakteure (von links) Johannes Graf, Marco Scheinhof und Robert Götz im Gespräch mit Sandro Wagner und FCA-Pressesprecherin Denise Schäfer.

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Unsere Redakteure (von links) Johannes Graf, Marco Scheinhof und Robert Götz im Gespräch mit Sandro Wagner und FCA-Pressesprecherin Denise Schäfer.
Foto: Bernhard Weizenegger

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