Worauf blicken Sie zurück, wenn Sie auf 30 Jahre Dance Center No 1 schauen, Frau Böck?
NATALIE BÖCK: Auf ein Lebenswerk. Auf ganz viel Arbeit natürlich, verbunden mit ganz viel Freude. Die Zeit ist irre schnell vergangenen und es fühlt sich nicht so an, als wären es drei Jahrzehnte.
Wenn Sie von der Freude sprechen: Was hat Ihnen persönlich die größte Freude gebracht?
BÖCK: Zu sehen, wie wir den Kindern ein Stück Lebensfreude geben können. Denen, die viele, viele Jahre bei uns geblieben sind – wir haben tatsächlich Schülerinnen und Schüler, die 30 Jahre bei uns sind und auch ehemalige Schüler, die nun ihre Kinder zu uns bringen -, aber auch Kinder, die nur ein Jahr bei uns geblieben sind und sagen: „Es war eine schöne Zeit.“ Es macht uns zufrieden, dass sie zurückblicken auf eine Zeit, die Spaß gemacht hat, auch wenn ein gewisser Drill dabei war, und wir unsere Freude, die wir am Ballett haben, weitergeben konnten. Und das hoffentlich in den nächsten Jahren auch noch fortführen können. Denn das Feiern des 30-jährigen Jubiläums ist ja kein Abschluss
Sie sind also immer noch motiviert. Woher beziehen Sie diesen Antrieb, sich jeden Tag mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu beschäftigen, von denen ja nicht jeder unbedingt bewegungsbegabt ist, denn nicht alle sind zur Ballerina oder zum Ballerino berufen?
BÖCK: Ja, das stimmt, aber gerade der Alltag motiviert uns jeden Tag aufs Neue, wenn wir die Türen im Glaspalast aufmachen und ein neuer Unterrichtstag beginnt. Es kommt sehr viel Begeisterung von den Schülerinnen und Schülern zurück, und da geht es gar nicht mal nur um die großen Talente, denn die sind die Ausnahme. Aber es ist eben auch sehr schön, wenn die ganz Kleinen von drei und vier Jahren nach dem Unterricht zu mir kommen und sagen, „Es war so schön, Frau Natalie, ich liebe Ballett“. Da weiß ich dann, dass mir etwas gelungen ist. Diese Lebendigkeit und das Zusammensein mit den Kindern motiviert immer wieder. Aber mein Mann István ist ja der kreative Teil von uns beiden, und der sprudelt förmlich vor Ideen, der bräuchte noch einmal drei Leben, um das alles zu verwirklichen, was er noch vorhat.
Aber es gab ja sicher nicht nur Freude. Was sind denn heute die Herausforderungen, eine Ballettschule zu führen?
BÖCK: Es ist nicht leichter geworden, diese klassischen Werte aufrechtzuerhalten, aber wir sind uns trotzdem treu geblieben und halten dieses Motto hoch, dass der Tanz ein anstrengendes Hobby ist und Disziplin erfordert. Für die Kinder ist es dann aber auch ein unglaubliches Erfolgserlebnis, wenn ihre Anstrengung zum Erfolg führt und sie einen neuen Schritt oder eine Choreografie gelernt haben.
Viele Lehrer klagen heute, dass sich die Kinder so verändert haben. Kaum noch Konzentration, Durchhaltevermögen und Disziplin, heißt es. Wie gehen Sie damit als Ballettlehrerin um?
BÖCK: Ja, das erkennt man oft schon in der Schnupperstunde. Wir sehen dabei aber auch, dass es wichtiger ist denn je, die Kinder dahin zu führen, sich Aufgaben zu stellen, auch wenn es ihnen nicht leicht fällt. Denn wir machen nicht freien Kindertanz, sondern eine Kunstform, die man lernen und üben muss. Es gibt auch viele Eltern, die genau diese Erziehung für ihre Kinder wollen.
Welche Fähigkeiten können Sie den Schülerinnen und Schülern denn über das Tanzen hinaus mitgeben?
BÖCK: Wir erleben das gerade im Hobbybereich ganz stark: Alle wollen elegant sein, wollen eine gute Haltung haben, da ist Ballett natürlich eine gute Schule. Der Unterricht und die Aufführungen stärken das Auftreten und das Selbstbewusstsein. Und Ballett lehrt, sich einer Aufgabe zu stellen, Herausforderungen anzunehmen und auch bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben. Das ist auch für die, die eine Profikarriere anstreben, wichtiger denn je geworden, denn das Geschäft ist so hart geworden.
Sie waren ja selbst Primaballerina, damals am Stadttheater Augsburg. Wie hat sich die Branche verändert im Vergleich zu der Zeit, als Sie selbst aktiv waren?
BÖCK: Physisch und psychisch sind die Belastungen wesentlich größer geworden. Es hat sich wie im Sport alles nach oben geschraubt. Es ist alles höher, weiter, schneller geworden, was die Technik betrifft. Ein Tänzer muss heute vielseitiger sein, er muss alles können, von lyrisch klassisch bis zeitgenössisch modern. Ich gehe immer ganz geflasht aus Ausführungen heraus, wenn ich sehe, was der Körper alles hergibt. Aber manchmal frage ich mich auch, wo führt das alles noch hin? Es ist überhaupt nicht zu vergleichen mit der Zeit, als wir am Theater waren. Da war alles entschleunigter. Man bleibt jetzt auch nicht mehr als zehn Jahre an einem Theater, wie mein Mann und ich, sondern wechselt wesentlich häufiger und will sich beweisen. Das ist super, aber es erhöht auch den Druck. Das Selbstverständnis von Tänzerinnen und Tänzern war auch ein anderes: Wir hatten viele Aufführungen in Opern und Operetten, das Spartenübergreifende war Teil unseres Vertrages, das ist heute nicht mehr so, heute geht es in erster Linie um das Ballett als eigene Sparte.
Was empfinden Sie, wenn Sie ihre Schülerinnen nun zur Bühnenreife bringen?
BÖCK: Da sitze ich dann im Theater – es war erst vor vier Wochen bei einer Vorstellung unserer ehemaligen Schülerin Veronika Jungblut in Karlsruhe – und mir laufen die Tränen runter, weil ich so ergriffen bin. Es ist einfach ein Traum, dass ich meine Leidenschaft für den Tanz so weitergeben kann. Das ist ein Geschenk.
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Birgit Müller-Bardorff
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