Sie ist von kurzer Dauer, doch FILMSTARTS-Autor Sidney Schering denkt nahezu täglich an eine bestimmte Szene, seit er James Gunns „Superman“ gesehen hat: Dieser bissige Gag aus dem neuen DC-Film verdient mehr Anerkennung!

Der Mann aus Stahl findet viel Zuspruch – vor allem in den USA: „Superman“ von „Guardians Of The Galaxy“-Regisseur James Gunn räumt auf der anderen Seite des großen Teichs ordentlich ab. In Deutschland wiederum ist der DC-Verfilmung weniger Erfolg und milderes Presselob beschieden.

Recht häufig scheint hierzulande auch eine Sequenz ihr Fett wegzubekommen, die mich wiederum nicht bloß im Kino, sondern seither nahezu täglich zum Grinsen gebracht hat. Um euch zu erklären, welche Szene ich meine, und weshalb sie mehr ist als ein abgedroschener Gag, muss ich allerdings Spoiler folgen lassen…

Lex Luthors abgründiges Web

James Gunns „Superman“ beginnt mit dem Titelhelden (David Corenswet) am Tiefpunkt: Erstmals hat er einen Kampf verloren! Und danach geht es für ihn weiter bergab! Sein Erzfeind Lex Luthor (Nicholas Hoult) stiehlt sensibles Videomaterial und nutzt dies für eine digitale Schmierenkampagne. Luthor verlässt sich aber nicht allein darauf: Er beschäftigt eine Horde an Affen, die in einer Taschendimension an Computern sitzt und das Internet mit Hasskommentaren zumüllt, die erfolgreich die Stimmung gegen Superman aufwiegeln.

Manche bemängeln diese Szene als abgedroschene Anti-Internet-Plattitüde oder als in diesem Film deplatziert. Für mich ist sie einer der besten Momente der neuen DC-Adaption. Unter anderem, weil sie Gunns Ansatz für dieses Filmuniversum griffig zuspitzt…

Comichafte Gegenwartssatire

Gunn wagt mit „Superman“ einen diffizilen Balanceakt: Einerseits betont er den Superman innewohnenden Optimismus und seine Funktion, zu mehr Gutmütigkeit zu inspirieren. Und das so stark, wie es im Kino seit Richard Donners Filmen nicht mehr geschehen ist. Andererseits ist Gunns „Superman“ kein reiner Eskapismus, sondern durch aktuelle Tagespolitik geformt: Von einem historisch gewachsene, diplomatische Beziehungen verkomplizierenden Krieg bis hin zu einem schamlos ins Politgeschehen eingreifenden Tech-Konzern.

Dieser Balanceakt zwischen aufmunternder Leichtigkeit und harscher Wirklichkeit gelingt Gunn nicht konstant: Die Erzählstruktur von „Superman“ poltert für meinen Geschmack mitunter arg. Allerdings finde ich, dass Gunns Spagat deutlich häufiger gelingt, als dass er misslingt – und er macht mir Lust auf mehr. Nicht zuletzt, weil er so gut zu Superman passt: Er ist eine inspirierende, ans Gute glaubende und es mit eisernem Willen repräsentierende Figur, die in eine niederschmetternde, komplizierte, von Feindseligkeit durchzogene Welt krachte.

Dieser Clash „Der Glaube ans Gute“ versus „Die schiere Freude an Neid, Missgunst, Hetze und Zerstörung“ wird mal schmerzhaft nah an aktuellen Schlagzeilen, manchmal sehr comichaft-distanziert geschildert. Aber die Affen? Die sind der vorzüglich-köstliche Mittelweg: In der Wirklichkeit sind Bots und für einen Hungerlohn Hetze in soziale Netzwerke kippende Personen Teil des Kulturkampfs zwischen jenen, die Gutes bewegen möchten, und denjenigen, die solche Bemühungen ausbremsen wollen. In Gunns buntem, humorvollem Kosmos? Da sind es halt kreischende Affen an kleinen Computern in einer Taschendimension!

Internethass als Bizarro-Shakespeare

Die affenstarke Internethassschelte ist nicht nur tonal die komische Essenz dessen, was „Superman“ versucht, und thematisch eng mit der Narrative verknüpft: Sie ist raffiniert konzipiert! Denn ginge es allein darum, schimpfende Internetkommentare als wertlos darzustellen, hätte Gunn ein geläufigeres Sprachbild visualisieren können. Doch in Luthors Taschendimension hocken nicht etwa Trolle vor bläulich flackernden Monitoren, sondern Affen.

Das halte ich für keinen Zufall: Mit der unendlich wirkenden Affenarmee an Computertastaturen bezieht sich Gunn eindeutig auf das im englischen Sprachgebrauch berühmte „Infinite-Monkey-Theorem“. Demnach wird ein Affe an einer Schreibmaschine auf einem unendlichen Zeitstrahl sämtliche Werke Shakespeares tippen. Gunn nimmt dieses Bild, bringt es in unsere Zeit und verdreht es so, dass es Lex Luthor repräsentiert:

Supermans Antagonist, der im Potential des Kryptoniers nur das Schlechte sieht und andere Menschen bloß zu Negativem inspirieren will, nimmt seine immensen Ressourcen nicht, um Inspiration zu erschaffen. Wer in Gunns DC-Universum die Möglichkeit hat, Affen unendlich tippen zu lassen, sehnt sich nach Entgeisterung – womit sich Gunn satirische Spiegelung der Wirklichkeit beißend fortsetzt.

Gunns berechtigte, kleine Vendetta

Zu guter Letzt sei sämtliche Politik und jegliches Philosophieren über Sprachbilder bei Seite geschoben. Es gibt noch einen Grund, weshalb mich die Hasskommentar-Affenarmee freudig hat grinsen lassen, und weshalb es mir nie in den Sinn käme, dem Film diese Schelte der Schattenseiten des Digitalzeitalters anzukreiden: Es ist James Gunns (!) „Superman“.

Man darf nicht vergessen: Noch vor wenigen Jahren galt Gunn als gestürzter Held. Denn der frühere Exploitation-Filmemacher wurde 2018 von Disney gefeuert, nachdem ein ihm politisch entgegengesetzter Internet-Mob alte, sarkastische Tweets ausgegraben und aus dem Kontext gerissen hat. Mittlerweile bemüht sich Gunn, das Positive in seiner Erfahrung mit dieser Entrüstungskampagne zu sehen:

„Es hat als der schlimmste Tag in meinem Leben begonnen“, sagte er kürzlich im Podcast Armchair Expert über den Tag, an dem er (temporär) Marvels „Guardians Of The Galaxy Vol. 3“ entzogen wurde. Er führte fort: „Doch ich denke, dass er tatsächlich der beste Tag meines Lebens war.“ Denn Gunn sieht seine Entlassung rückblickend als Stein des Anstoßes für enorme, dem Onlinehass widersprechende Sympathiebekundungen. Diesen Optimismus musste sich Gunn nach seinem Tiefpunkt allerdings mühevoll erkämpfen.

Gegenüber der New York Times bezeichnete er 2021 die Zeit kurz nach seinem Marvel-Rauswurf noch als „traumatisch“. Er sei davon überzeugt gewesen, er hätte „alles verloren“, nicht bloß seinen Job. Und Ende 2024 erinnerte sich Sean Gunn im Interview mit dem YouTuber Kristian Harloff, dass er während dieser „unglaublich schweren Zeit“ richtiggehend Angst um seinen Bruder hatte – bis ihm „The Suicide Squad“ Aufwind gab.

In meinen Augen hat James Gunn daher für den Rest seines Lebens einen Freifahrtschein, auf Internethasskommentare einzudreschen. Dieser Mann hat sich aus einem Loch gekämpft, in das ihn stumpfe, wütende Internetkommentare geschubst haben – soll er doch Internetschimpfe demontieren, so oft und deutlich wie er will. Das hat er sich verdient.

Und solltet ihr nun noch mehr Details über weitere „Superman“-Szenen erfahren wollen, dürft ihr unseren folgenden Artikel nicht auslassen!

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